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Augsburg: Das Erdbeben in der Türkei zerstörte Leben, Städte und Hoffnungen

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Das Erdbeben in der Türkei zerstörte Leben, Städte und Hoffnungen

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    Ein Bild aus der Stadt Pazarcik, die in der Nacht auf Montag von einem Erdbeben größtenteils zerstört wurde. Rezan Sait Içboyun bekam es von Freunden und Verwandten zugesandt.
    Ein Bild aus der Stadt Pazarcik, die in der Nacht auf Montag von einem Erdbeben größtenteils zerstört wurde. Rezan Sait Içboyun bekam es von Freunden und Verwandten zugesandt. Foto: Rezan Sait Içboyun

    Kurz nachdem die Erdstöße in der Nacht auf Montag mit einer Stärke von 7,7 die Heimatregion seiner Familie verwüsteten, saß Rezan Sait Içboyun am Handy. Auch in den folgenden zwei Nächten fand er kaum Schlaf. Die Familie des Juristen und seine Frau stammen aus der Stadt Pazarcik, die in der von dem Beben schwer betroffenen Provinz Kahramanmaras liegt. Sieben Kilometer unter

    Bisher sieht es aus, als hätten alle überlebt. Doch sicher kann sich Rezan Sait Içboyun noch nicht sein. Seine Frau hat sieben Verwandte, darunter den Vater und eine Schwester, in der Stadt. Sie lebten in einer Wohnung im fünften Stock, eine Wand ist weggerissen. Das Haus war erst sieben Jahre alt, hätte erdbebensicher sein sollen. Doch das sei ein Thema, für das jetzt noch keine Zeit sei: „Erstmal ist wichtig, dass Hilfe dort ankommt. Heute morgen habe ich Nachricht von jungen Männern aus der Stadt bekommen. Sie sind jetzt obdachlos, draußen, in der Kälte.“

    Rezan Sait Içboyun bangt mit Freunden und Verwandten in der Stadt Pazarcik, die von einem Erdbeben erschüttert wurde.
    Rezan Sait Içboyun bangt mit Freunden und Verwandten in der Stadt Pazarcik, die von einem Erdbeben erschüttert wurde. Foto: Silvio Wyszengrad

    Nur wenige Helfer des staatlichen Katastrophenschutzes seien bisher an diesem Ort unterwegs, hat er von seinen Kontakten gehört. Das Misstrauen gegenüber dem türkischen Amt für Katastrophenschutz (AFAD) ist groß. „Als Einwanderer aus dieser kurdischen Region haben wir eben besondere Erfahrungen mit dem türkischen Staat. Da ist es – leider auch in dieser Notlage - mit dem Vertrauen so eine Sache.“ Er werde Sachspenden beim Alevitischen Kulturzentrum und Cem Haus in Oberhausen abgeben, sobald es hierfür grünes Licht gebe. 

    Erdbeben: Die Hilfe läuft erst langsam an

    Bisher läuft die Unterstützung auf einem niedrigschwelligen Niveau, noch überwiegt die Verzweiflung, und die Hilfe beschränkt sich auf Gespräche mit traumatisierten Verwandten am Telefon und über die Sozialen Medien. Doch während das Internet in den kurdischen Provinzen der Türkei weitgehend funktioniert, ist es in der Provinz Hatay direkt an der syrischen Grenze zusammengebrochen, berichtet Tugay Cogal. Sein Arbeitgeber Tececco, hat ihm für Dienstagnachmittag freigegeben. Cogal ist erleichtert. „So kann ich etwas Unterstützung, Hilfen und die Anfragen, die von überallher auf meinem Handy eingehen, etwas organisieren“, erzählt er.

    Tugay Cogal hat von seinem Arbeitgeber freibekommen, um sich um Angehörige und Freunde im Erdbebengebiet zu kümmern.
    Tugay Cogal hat von seinem Arbeitgeber freibekommen, um sich um Angehörige und Freunde im Erdbebengebiet zu kümmern. Foto: Silvio Wyszengrad

    Er ist langjähriger Vereinsvorsitzender des FC Özakdeniz, einer Organisation in Oberhausen, die von Arbeitsmigranten aus der Provinz Hatay gegründet wurde. Sie gehören den Alawiten, einer schiitischen Minderheit in Syrien, an. Laut Cogal gibt es viele Todesnachrichten aus der Verwandtschaft von Bekannten und Freunden. „Es ist noch unübersichtlich, es sind viele verschüttet, wir erwarten weitere Opferzahlen“, erklärt er. Aalen organisiere derzeit Hilfslieferungen mit dem Roten Kreuz für die Provinzhauptstadt Antakya in Hatay. Da werde man sich beteiligen, sagt er. Aber auch die Spendenadressen der Moscheevereine in Augsburg unterstütze man. Recherchiert man, zeigt sich jedoch, dass bis Redaktionsschluss keine der drei Ditib-Moscheen die Spendenaufrufe ihres Dachverbandes veröffentlicht hat. Dieser gibt für Spenden die Kontonummern des türkischen Katstrophenamts an. 

    Pervin Turhan war noch vor Kurzem in den kurdischen Erdbebengebieten unterwegs

    Pervin Turhan ist schon seit der Flüchtlingskrise von 2015 eine feste Größe in der Augsburger Helferszene. Noch vor drei Wochen war sie in den kurdischen Gebieten unterwegs, wo jetzt das Erdbeben wütete. Mit ihrem Lebenspartner zusammen war sie drauf und dran, eine Wohnung in Diyarbakir zu kaufen. Die ist nun eigenstürzt. Auch sie hegt Misstrauen gegenüber den staatlichen Hilfen. Stattdessen organisiert sie selbst Säuglingsnahrung, Kleider und Bettdecken. 

    Die Logistik ist noch schwierig, der Transport unsicher. „Wir müssen wohl alles in Kartons packen. Plastiktüten gehen nicht, die würden an der türkischen Grenze nicht durchgelassen, heißt es vom Konsulat“, erklärt sie. Sie klingt etwas verzweifelt. „Mein Freund stammt aus dem kurdischen Teil Syriens, er hat Brüder und Freunde dort, ich selbst habe Verwandtschaft in Antakya. Mich erreichen viele Anfragen von Menschen, die fragen, wie sie helfen können – im Moment weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht.“ In

    Öffentlich kaum beachtet werden bisher die Toten und Verschütteten in der syrisch-kurdischen Provinz Afrin. Hier, nur 120 Kilometer südlich des Epizentrums, brachen Hunderte Gebäude zusammen. Die Situation sei wie in den betroffenen Millionenstädten der Türkei: Es gebe viele Tote, Verschüttete, Verletzte, sagt Anwar Amir. „Doch anders als in der

    Der Produktdesigner ist Kurde, stammt aus Afrin und kam Ende der 1990er-Jahre als Flüchtling nach Augsburg. Unzählige Handyfilme mit unter Trümmern eingequetschten Erwachsenen und Kindern erreichen ihn. Ein Bild, das er bekommen hat, macht ihm besondere Sorgen. Es stammt aus Amirs Heimatdorf Meydanke und zeigt einen tiefen Spalt in einem geteerten Damm. Dieser schützt die Stadt vor den Wassermassen des aufgestauten Afrin-Flusses. „Wenn der mit seinen 200 Millionen Kubikmetern Wasser bricht, ist alles aus.“ 

    Spenden:

    Das Alevitische Kulturzentrum und Cem e.V. wird eingehende Spenden an den Dachverband der alevitischen Gemeinden Deutschland weiterleiten. IBAN: DE69 7205 0000 0250 55 7899

    Der Caritasverband für die Diözese Augsburg hat auf www.caritas-augsburg.de eine unkomplizierte Online-Spendenmöglichkeit bereitgestellt. Das Geld gehe ohne Abzug an Caritas International, die für die Nothilfe mit Partnern vor Ort zusammen arbeitet, heißt es auf der Webseite.

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