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Augsburg: Darum nimmt die Explosion in Beirut einen Augsburger besonders mit

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Darum nimmt die Explosion in Beirut einen Augsburger besonders mit

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    Weite Teile von Beirut gleichen nach der großen Explosion im Hafen einem Trümmerfeld.
    Weite Teile von Beirut gleichen nach der großen Explosion im Hafen einem Trümmerfeld. Foto: Marwan Naamani, dpa

    Als in Beirut am 4. August 2750 Tonnen Ammoniumnitrat explodieren, sitzt Nicolas Brixle in seiner Augsburger WG und lernt für die anstehenden Prüfungen. Dann hört er von den Ereignissen im Libanon. Zu diesem Land hat er eine spezielle Verbindung – auf den Bildern, die ihm seine Freunde schicken, sieht er die ganze Zerstörung. Trotzdem will er wieder hinfliegen.

    Nicolas Brixle studiert Wirtschaftsingenieurwesen an der Uni Augsburg. Dass er eine besondere Verbindung in den Libanon hat, merkt man schnell, wenn man ihn in seiner Wohnung in der Innenstadt besucht. Im Treppenaufgang wird man von einer großen Holztafel mit aufgesprayter Libanonflagge begrüßt. Mit ihr hatte seine WG ihr libanesisches Fladenbrot auf einem Augsburger Straßenfest beworben. Auch auf den Kühlschrankmagneten findet man die rot-weiße Fahne mit dem grünen Gewächs, das an einen Tannenbaum erinnert. „Eine libanesische Zeder“, erklärt Brixle.

    Nicolas Brixle studiert Wirtschaftsingenieurwesen an der Uni Augsburg. Er war in Beirut, als sich dort die gewaltige Explosion ereignete.
    Nicolas Brixle studiert Wirtschaftsingenieurwesen an der Uni Augsburg. Er war in Beirut, als sich dort die gewaltige Explosion ereignete. Foto: Leonhard Pitz

    Der 24-Jährige war mehrmals im Libanon. Über seinen letzten Besuch – eine Skitour in den libanesischen Bergen – hatte er einen Film gedreht, der letztes Jahr im Kino Liliom lief. Doch die gemeinsame Geschichte beginnt zwei Jahre früher. Damals studierte Brixle im Rahmen eines Auslandssemesters in Beirut. Sein Wohnort: eine WG in der Nähe des Hafens im Viertel Gemmayzeh, nur etwa 500 Meter Luftlinie vom Ort der Explosion entfernt. Von dem verheerenden Unglück hörte Brixle über eine Freundin, die ihm eine Videoaufnahme aus den sozialen Netzwerken weiterleitete. „Dann schaut man natürlich sofort auf allen Websites, was da passiert sein könnte“, schildert Brixle.

    Explosion in Beirut: Augsburger bekommt Augenzeugenberichte von Freunden

    Als er die Videos von der Explosion mitsamt riesiger Rauchwolke sieht, habe er noch nicht realisiert, was dort geschehen sei, erzählt der Student. „Es wirkte zunächst eher wie eine Szene aus einem Film auf mich.“ Erst später, als er immer mehr Bilder von der Zerstörung der Stadt gesehen habe, auch von Orten, an denen er war, habe er sich gedacht, „krass, genau da habe ich mal gelebt“.

    Große Sorgen um seine Freunde habe er sich zunächst nicht gemacht, sagt er, auch weil zu Beginn noch von viel weniger Toten die Rede gewesen sei. Trotzdem habe er schnell den engsten Freunden dort geschrieben. Seinen ehemaligen Mitbewohnern sei – abgesehen von ein paar kleineren Wunden durch Glassplitter – nichts passiert, sagt Brixle. „Glücklicherweise war gerade niemand zu Hause.“ Auch die Wohnung steht noch, doch auch hier hat die Druckwelle Türen und Fenster zerstört, wie man auf Bildern erkennen kann, die ihm seine Freunde geschickt haben.

    Andere hatten nicht so viel Glück, die Bilder auf dem Smartphone von Brixle zeigen Straßenzüge voller Schutt und Gebäude, bei denen ganze Stockwerke fehlen. Auf seinem Handy hat er auch Bilder aus der Aula der Universität Saint-Joseph, auch hier kann man gewaltige Schäden durch die Explosion erkennen. „Es ist schon heftig, dass es selbst in der Uni noch so aussieht, denn die ist ein gutes Stück weg vom Hafen“, sagt Brixle. „Das war der Moment, wo ich begriffen habe, wie groß das Ganze eigentlich ist.“

    Augsburger spürt seit Explosion in Beirut Resignation unter den Libanesen

    Um die Beseitigung der Schäden oder zumindest der Trümmer würden sich nun vor allem junge Leute und Hilfsorganisationen kümmern, so Brixle. „Das schweißt die Leute schon zusammen“, glaubt er. „Wenn man irgendwas Positives aus der ganzen Katastrophe ziehen will, dann das.“ In den WhatsApp-Chats mit seinen Bekannten vor Ort spüre er jedoch auch viel Resignation, berichtet Brixle, auch Auswandern sei ein Thema. Schon bei seinem Auslandssemester 2017, in einer vergleichsweise eher stabileren Phase, sei das Versagen des Staates allgegenwärtig gewesen. „Jeden Tag gab es drei Stunden keinen Strom, wenn man Pech hatte, war man dann gerade im Fahrstuhl“, erzählt er.

    Er selbst habe Beirut dennoch als „extrem lebenswerte Stadt“ erlebt. Gerade die wohlhabenderen und christlichen Viertel, in denen er hauptsächlich war, seien sehr westlich geprägt. „Da sind Coffeeshops, wie man es aus New York kennt, da gibt es viele Bars und Ateliers.“

    Er wolle auf jeden Fall wieder in den Libanon reisen, sagt Brixle. Auch für einen Städtetrip empfehle er Beirut immer weiter, „wenn man auf Abenteuer steht“. Eigentlich war ein Besuch im Libanon in den nächsten Wochen geplant, Corona und die jetzige Krise haben das verhindert. Die Zeit in Deutschland will er nutzen, um seinen Film „Crossing Lebanon“ aus dem vergangenen Jahr beim Bayerischen Outdoor-Filmfestival zu begleiten. „Ich möchte die Auftritte nutzen, um zu zeigen, wie schön der Libanon sein kann. Ich werde auch darauf hinweisen, dass Spenden jetzt viel bewirken können“, sagt Brixle. Wichtig sei jedoch, dass das Geld nicht bei der korrupten Regierung ankomme, sondern bei Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz.

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