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Augsburg: Blumenmaler Berni McQueen wieder in Freiheit: "Es hat bei mir Klick gemacht"

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Blumenmaler Berni McQueen wieder in Freiheit: "Es hat bei mir Klick gemacht"

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    Lisa und Berni McQueen haben sich wieder. Der Blumenmaler ist vorzeitig aus der Haft in der JVA Gablingen entlassen worden.
    Lisa und Berni McQueen haben sich wieder. Der Blumenmaler ist vorzeitig aus der Haft in der JVA Gablingen entlassen worden. Foto: Silvio Wyszengrad

    Oft hat er sich in der langen Zeit im Gefängnis diesen einen Moment ausgemalt. Das Tor der JVA Gablingen geht auf, seine Frau wartet davor. In Zeitlupe rennen sie aufeinander zu. "Wie in einem Hollywood-Film." In Wirklichkeit währte der Augenblick nur kurz. "Sie stand da und schon lag sie in meinen Armen. Es war dann anders, aber wunderschön." Zwei Jahre und drei Monate saß Augsburgs bekanntester Graffiti-Maler, Berni McQueen, hinter Gittern. Knapp neun Monate hätte er noch vor sich gehabt. Vergangene Woche wurde der sogenannte "Blumenmaler" vorzeitig entlassen. Über ein Jahr hatte sein Anwalt Thomas Galli vor Gericht darum gekämpft.

    Schmal ist er geworden. Zwölf Kilo Gewicht hat er während der Haft verloren. Der Bart ist länger, der Blick etwas müde. Er wirkt ruhiger, als man ihn in Erinnerung hat. Anwalt Galli sagt über den 34-Jährigen, er sei ein Stück weit gebrochen. Der Maler der Augsburgblume hat gerade den ersten Termin bei seiner Bewährungshelferin hinter sich, nimmt vor dem Kätchen's im Domviertel Platz. Das Café betreibt seine Frau und Stadträtin Lisa McQueen (Die Partei). "Darf ich bei dir einen Cappuccino bestellen?", fragt er und lächelt sie an.

    Berni McQueen: "Ich hatte nie mit Gefängnis gerechnet"

    Immer wieder kommen Menschen vorbei, begrüßen McQueen, umarmen ihn. Er selbst wirkt wie ein Zuschauer eines Films, in dem er eigentlich Hauptdarsteller ist. "Ich muss erst noch ankommen. Auf mich stürzt gerade eine Reizüberflutung ein", meint er fast entschuldigend. Nie habe er damit gerechnet, dass er eines Tages wegen seiner illegalen Graffiti tatsächlich ins Gefängnis muss. Im Leben nicht. Das sagt er im Gespräch immer wieder.

    Seine "Augsburgblume" machte Berni McQueen bekannt. Doch die illegalen Graffiti brachten ihn hinter Gitter. Nun wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen.
    Seine "Augsburgblume" machte Berni McQueen bekannt. Doch die illegalen Graffiti brachten ihn hinter Gitter. Nun wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen. Foto: Stefan Puchner, dpa (Archivbild)

    Irgendwann war nun mal Schluss. Sehenden Auges rein in die selbst verschuldete Katastrophe. Mit einer zweifachen Bewährungsstrafe im Nacken hatte er, der mit Graffiti nicht aufhören konnte, sein Recht auf Milde verspielt. Der Richter habe sich bei ihm sogar entschuldigt, dass er ihn nun einsperren müsse. "Er sagte, es tut ihm leid, aber sonst mache sich die Justiz lächerlich."

    Blumenmaler fertigt im Gefängnis Selbstporträts an

    Eben noch die Eröffnung einer Ausstellung in Augsburg, im nächsten Moment Knast in Gablingen. Die Türen gehen zu. Einzelhaft. Seine Frau sieht er bei ihren Besuchen nur durch die Glasscheibe. Keine Berührung, nichts. Und dann noch die Pandemie.

    Wegen Corona herrscht teilweise komplettes Besuchsverbot. Er schreibt ihr jeden Tag Briefe. Als Lisa McQueen ihm mitteilen lässt, sie wisse gar nicht mehr, wie er aussehe, beginnt Berni McQueen, Selbstporträts zu zeichnen. 70 Stück fertigt er insgesamt an. Ein Augsburger Galerist plant damit eine Ausstellung, erzählt er heute. "Ich bekam dafür nur einen Wasserfarbkasten wie in der Schule, ohne Deckweiß, und Buntstifte. Acrylfarben wurden in meinem Fall nicht genehmigt." Die Erklärung liefert er gleich mit.

    Er wollte gerne die Mauer der JVA Gablingen verschönern

    "Ich malte im Gefängnis auf Gangwände die perfekten Kreise – mit einem Schlüssel." Eine Videokamera übersieht er dabei. Erneut muss er wegen Sachbeschädigung vor Gericht. Lisa McQueen sitzt bei der Verhandlung im Zuschauerraum. "Das war das erste Mal nach über einem Jahr, dass ich meine Frau berühren durfte." Im ersten halben Jahr, gibt er zu, sei er in der JVA ein Querulant gewesen. Die Verwaltung beschäftigte er, wie er selbst sagt, mit "schwachsinnigen" Anträgen – auf Zimmerpflanzen etwa oder auf ein Haustier. Als der Pfarrer ihn bittet, Postkarten anzufertigen, malt er die Worte "Fick dich JVA Gablingen" darauf.

    Das falsche Tragen einer Maske, das unerlaubte Rauchen bringen ihm Disziplinarverfahren ein. Neben Markus Söder und Frank-Walter Steinmeier, die er per Post um vorzeitige Entlassung bittet, schreibt er der Bürgermeisterin von Gablingen. Er bietet ihr an, die graue Gefängnismauer zu verschönern. "Sie antwortete, sie findet das gut, dürfe das aber nicht entscheiden." Natürlich hört er nichts mehr. Irgendwann hat Berni McQueen auf das alles keine Lust mehr, keine Energie. Vielleicht ist es auch das, was sein Anwalt mit "ein Stück weit gebrochen" meint.

    Augsburger begegnete Ex-Wirecard-Chef im Gefängnis

    Jeder Tag derselbe Ablauf. Um 5.15 Uhr morgens der Weckruf über Lautsprecher, um sechs Uhr sperrt ein Wärter die Zelle auf, dann beginnt die Arbeit. Bernie McQueen hilft in der Gefängnisküche mit, es gefällt ihm. Zum Schluss verdient er dort monatlich 340 Euro. "Ich gehörte zu den Topverdienern", meint er und grinst. Eine Ausbildung zum Koch im Gefängnis, für die er und sein Anwalt kämpfen, wird ihm verwehrt. Dabei hatte er schon eine Zusage vom Augsburger Sternelokal "Alte Liebe", die Ausbildung nach der Haftstrafe im Restaurant weitermachen zu können. Berni McQueen ist bei etlichen Augsburgerinnen und Augsburgern beliebt, er hat Unterstützer in der Stadt, wird mitunter als Künstler geschätzt, hat schon einige Auftragsarbeiten angefertigt. Andere wiederum sehen in ihm, der zweifellos Talent hat, den Kriminellen, der mit seinen Schmierereien fremdes Eigentum beschädigt.

    Der Gefängnis-Alltag bleibt nach der Arbeit durchstrukturiert. Am Nachmittag Hofgang für eine Stunde, danach zurück in die Zelle. Um 17 Uhr dürfen sich beim sogenannten Aufschluss die Häftlinge in ihren Gängen bewegen. Berni McQueen sagt, er habe in der Justizvollzugsanstalt die unterschiedlichsten Menschen kennengelernt. Vom Studenten, der wegen Schwarzfahrens neun Monate saß, bis hin zum Kokain-Dealer aus Albanien. Auch Markus Braun, den einstigen Vorstandsvorsitzenden des insolventen Finanzdienstleisters Wirecard, habe er gesehen. "Aber der war etwas abgeschirmt. Er sieht nicht mehr gut aus."

    Anwalt Thomas Galli und Ehefrau Lisa McQueen haben für den Blumenmaler gekämpft.
    Anwalt Thomas Galli und Ehefrau Lisa McQueen haben für den Blumenmaler gekämpft. Foto: Piet Bosse

    Seine persönliche Wende in der Haft beginnt mit der wöchentlichen Anti-Graffiti-Therapie. Sein Anwalt setzte sich dafür ein. "Ich habe dabei viel über mich erfahren. Der Therapeut stellte fest, dass ich Druck über Sachbeschädigung herauslasse." Zudem sei bei ihm eine Impulsstörung diagnostiziert worden. Berni McQueen, das bestätigt sein Anwalt, habe in der Therapie gelernt, damit umzugehen. "Es hat bei mir Klick gemacht", sagt er selbst. Die Therapie muss der Blumenmaler, der noch vier Jahre auf Bewährung ist, in Freiheit fortsetzen. Das ist Auflage des Gerichts, wie auch das regelmäßige Treffen mit der Bewährungshelferin. Berni McQueen darf sich nichts mehr zuschulden kommen lassen. Einen Rückfall schließt er aus.

    Berni McQueen hat schon eine Arbeitsstelle

    Allein, weil er das seiner Frau nicht mehr antun will. "Ich habe mir im Gefängnis ununterbrochen Vorwürfe gemacht. Ich bin so dankbar, dass sie bei mir geblieben ist." Pläne und Ideen hat er nun viele. Einen ganzen Ordner voll. Demnächst fängt er beim Augsburger Kulturmagazin a3 Kultur zu arbeiten an. Ehefrau Lisa McQueen habe ihn zu Bewerbungen gedrängt. "Sie schont mich nicht", meint er und lacht. Zwei Stunden nach seiner Entlassung habe sie ihn schon zum Einkaufen in den Supermarkt geschickt.

    Unsere Video-Serie "Im Knast – Hinter den Mauern der JVA Gablingen" führt exklusiv hinter die Kulissen von Bayerns modernstem Gefängnis. Die dreiteilige Gefängnis-Doku sehen Sie kostenlos auf YouTube – oder hier auf unserer Internetseite:

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