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Augsburg: "Bitte melden. Land unter": Augsburger Firmen kämpfen mit Personalnot

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"Bitte melden. Land unter": Augsburger Firmen kämpfen mit Personalnot

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    Nicht nur Andreas Kahn, Geschäftsführer von Feinkost Kahn, sucht händeringend nach Personal - unter anderem für Veranstaltungen im Kongress im Park in Augsburg.
    Nicht nur Andreas Kahn, Geschäftsführer von Feinkost Kahn, sucht händeringend nach Personal - unter anderem für Veranstaltungen im Kongress im Park in Augsburg. Foto: Annette Zoepf

    Und jetzt auch noch ein Wasserschaden. Bei Feinkost Kahn im Produktionsbetrieb stehen wegen des Malheurs gerade die Spülbänder still. Hilfe durch Handwerker? Fehlanzeige. Vor nächster Woche habe keiner Zeit zu kommen, habe man ihm zunächst gesagt. Andreas

    "Bitte melden. Land unter.", postete Feinkost Kahn im sozialen Netzwerk Facebook. Man brauche Servicekräfte für bevorstehende Veranstaltungen im Kongress am Park und für den Filmpreis im Münchner Prinzregententheater nächsten Freitag. Auf dieser illustren Veranstaltung kümmert sich das Augsburger Unternehmen seit zwölf Jahren um das Catering. Seit der Pandemie fehlen Arbeitskräfte. "Neben unserem festen Angestelltenstamm hatten wir vor Corona 70 Aushilfskräfte auf 450-Euro-Basis. Und jetzt raten Sie mal, wie viele davon sich nach der Pandemie zurückmeldeten?", fragt Kahn und schiebt die Antwort gleich hinterher: "Sieben."

    Bäckerei Ihle hat Öffnungszeiten der Filialen teilweise angepasst

    Er lässt die Zahl kurz wirken, bevor er erzählt. Bei einigen ehemaligen Mitarbeitenden habe er angerufen. "Die arbeiten zwischenzeitlich alle woanders. In Testcentern oder in Supermarktketten." Dass die Arbeitszeiten dort angenehmer seien, bekam er etwa zu hören. "Vielen ist die Gastronomie zu unsicher geworden. Wer weiß, was im Herbst und Winter auf uns zukommt und ob es eines Tages wieder Lockdowns gibt." Auch die Bäckerei Ihle kämpft neben dem schon länger bestehenden Fachkräftemangel mit dem Weggang von Mitarbeitern seit Corona. Für Filialen mit Cafés fehlt es an Servicekräften. Zwar hätten noch keine geschlossen werden müssen, aber teilweise seien Öffnungszeiten angepasst worden, berichtet Geschäftsführer Willi Ihle. Er erzählt von einem Telefonat mit einer ehemaligen jahrelangen Mitarbeiterin, die er zurückgewinnen wollte.

    "Die Dame ist in ihren ursprünglichen Job als pharmazeutische Angestellte zurückgekehrt. Sie will ihrem jetzigen Arbeitgeber keinen Korb geben." Ihle stand neulich vor einer seiner Filialen, um mit Kärtchen auf Jobangebote in der Bäckerei aufmerksam zu machen. Auch Max Bader treibt Personalmangel um. Dem Geschäftsführer der Dachdeckerei und Bauspenglerei Fachkräftemangel zu schaffen, der sich weiter verschärfe.

    Dachdeckerei muss wegen Personalnot manche Aufträge ablehnen

    Bader würde gerne vier oder fünf weitere Gesellen einstellen. Aber er findet keine. Auch die Besetzung der Ausbildungsplätze werde schwieriger. Dazu würden Fachkräfte abwandern. "Nicht jeder kann den Job bis zur Rente machen. Manche steigen früher aus und suchen sich andere Arbeitsplätze, etwa als Hausmeister", spricht er aus Erfahrung. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Schwaben werden bis zum Jahr 2030 allein im Regierungsbezirk

    Einige Aufträge kann Max Bader nicht mehr annehmen. Wegen der hohen Auslastung des Personals kommt es immer wieder zu Verzögerungen bei den Aufträgen - aktuell verschärft durch Corona und Materialknappheit. Gegensteuern könne man aus seiner Sicht nur, wenn weiter ausgebildet werde, Schüler frühzeitig die Möglichkeit bekommen, in verschiedene Berufe hineinzuschnuppern und sich das Image des Handwerks verbessern würde. "Leider ist das Handwerk in manchen Teilen der Gesellschaft noch immer nicht besonders angesehen. Dabei kann man hier gutes Geld verdienen und hat gute Aufstiegsmöglichkeiten." In einigen Jahren, befürchtet Bader, werde es den ein oder anderen kleineren Betrieb in seiner Branche wegen Personalmangels nicht mehr geben. Sein eigenes Unternehmen, das 35 Beschäftigte und zwei Azubis zählt, sieht er gesichert. "Aber gegebenenfalls muss ich mich dem Trend anpassen und verkleinern."

    Andreas Kahn: "Freizeit ist der neue Lohn"

    Bäckerei-Chef Willi Ihle sieht in dieser prekären Lage die Unternehmen gefordert, neu zu denken. "Wir Arbeitgeber müssen mehr anbieten, übertarifliche Entlohnung, Prämienmodelle und Homeoffice-Plätze, wo es möglich ist. Und wir müssen die Attraktivität der Arbeitsplätze transparenter machen." Auch Andreas Kahn sagt, dass mehr Anreize nötig seien. Das Geld allein sei es nicht. "Für viele ist die Freizeit der neue Lohn. Auch das hat sich seit Corona stark verändert."

    Kahn ist froh, dass das Serviceteam für den Bayerischen Filmpreis inzwischen gesichert scheint. Gastronom Harry Winderl, mit dem er den Parkgarten betreibt, konnte ihm mit ein paar Arbeitskräften kurzfristig aushelfen, zudem habe man Rückmeldungen auf den Facebook-Hilferuf erhalten. Und dann kommt ein erlösender Anruf: Ende der Woche könne ein Handwerker kommen, um sich um den Wasserschaden in der Produktionsstätte zu kümmern.

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