Den meisten Gläubigen dürfte dieser kurze Moment in der Osternacht nicht aufgefallen sein: Während der Predigt im Augsburger Dom sengte sich Bischof Bertram Meier den Ärmel seines Gewandes an einer Kerze an. Aus der Fassung bringen ließ er sich dadurch nicht – ein kurzer Blick auf Ärmel und Kerze, dann predigte der Bischof weiter vom Wunder der Auferstehung, während ein Messdiener die Kerze in sichere Entfernung stellte. "Alles, aber auch wirklich alles, was unseren Glauben ausmacht, steht und fällt mit der Auferstehung. Ohne Ostern wäre Weihnachten nur ein orientalisches Märchen aus 1000 und einer Nacht", so Meier. Die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden näherten sich diesem Wunder auf unterschiedliche Weise.
In der Messe zum Ostersonntag hob Bischof Bertram Meier die Rolle von Maria Magdalena hervor. „In der entscheidenden Stunde glänzen die ‚starken Männer‘ durch Abwesenheit. Die Frauen jedoch sind da“, deutete er das Harren der weinenden Frau vor dem Grab. Maria Magdalena sei eine Suchende gewesen, die Jesus im Grab, bei den Toten und der Vergangenheit aufzuspüren versuchte. „Die Tränen“, so Bischof Bertram Meier, „versperren ihr den Blick. Sie ist so nach rückwärtsgewandt, dass sie nicht wahrnimmt, wie Jesus lebendig vor ihr steht.“ Mit dem einfachen Ruf ihres Namens seien Maria schließlich die Augen aufgegangen. „Ich habe den Herrn gesehen“ (Joh 20,18), seien die Worte der ersten Osterzeugin gegenüber den Aposteln gewesen.
Auch wenn Maria Magdalena bei der Wahl des Zwölferkreises der Apostel nicht in Betracht gezogen worden sei, so sei ihr Apostolat mindestens so wichtig wie das der Zwölf, betonte Bischof Bertram Meier. Maria Magdalena habe den versammelten Elf das Evangelium von der Auferstehung Jesu bezeugt und die Grundlage für deren Osterglauben gelegt. „Kurz: Maria Magdalena ermöglicht das amtliche Apostolat und hilft, es zur Entfaltung zu bringen. Magdalenas Apostolat geht dem amtlichen Apostolat voraus und begründet es. Damit ist sie die Basis für die Mission der Apostel.“
Bischof: Ohne Auferstehung wäre Weihnachten ein orientalisches Märchen
Am Freitag sei er abgetreten, am Sonntag früh wieder zurück: „Jesus ist wieder da! Anders da! Neu da!“, freute sich Bischof Bertram Meier am Samstagabend in seiner Predigt zur Osternacht. Jesu Auferstehung sprenge alle Grenzen, verwandle Weihnachten von einem „orientalischen Märchen“ zum Anfang des gewagtesten Kapitels der Menschheitsgeschichte und lasse Karfreitag keinen „bedauerlichen Justizirrtum“ sein, sondern mache ihn zu einem notwendigen Schritt hin zur Vollendung des göttlichen Plans: „Das Kreuz wird Siegeszeichen und Himmelsleiter“, genauso wie die Kirche nur aufgrund der Auferstehung kein „Verein von Verrückten“ sei, sondern ein „Volk für das Leben“, wie Papst Johannes Paul II. es formuliert habe.
Es seien nicht ohne Grund die Frauen gewesen, die die Kraft und den Mut bewiesen hätten, bei Nacht am Grab Jesu Totenwache zu halten und dadurch Zeugen seines „Comebacks“ zu werden: „Der Grabstein wird zum Lebenszeichen. Seit Ostern bleibt kein Grab mehr verschlossen. Der Stein des Todes ist der Eckstein des Lebens.“ Auch wenn es anders erscheine, habe die moderne Zeit Jesus und den Glauben an ihn nicht überholt, im Gegenteil: „Er ist uns voraus, wohin immer wir gehen. Wenn ihr dort ankommt, ist er schon da: nach seinem österlichen Comeback.“
Jens Colditz: "Ostern weckt unsere Neugier"
Jens Colditz, Rektor der evangelischen Diakonissenanstalt, fragte die Gläubigen in seiner Osterpredigt in der Mutterhauskirche im Diako, wann jeder Einzelne die "unglaubliche Nachricht über Jesus" zum ersten Mal gehört habe. Als Kind sei man hineingewachsen in das Ostergeschehen, man habe versteckte Nester gesucht. "Ostern weckt unsere Neugier. Das Geheimnis will entdeckt werden." Die Testfrage für dieses Osterfest sei: "Glaubt ihr an den Tod oder hofft ihr auf die Auferstehung?"
Doch die Auferstehung sei nichts, was der Mensch so einfach verstehen könne: "Wie soll das gehen? Einfach so aus dem Grab gesprungen? Das fragen die einen mit einem überlegenen Lächeln. Selbstbewusst treten Glaubenskritiker immer stärker auf. Das Leben soll möglichst sorgenfrei sein und erfolgreich. Und dann in Nichts sterben? Wie lebt man, wenn der Tod das letzte Wort hat?", fragte Colditz und betonte, wie tröstlich die Botschaft von Jesu Auferstehung sei, weil sich jeder davon angesprochen fühlen dürfe.
Auch Colditz warf einen Blick auf die Frauen am Grab: "Sie alle haben sich umgedreht. Vom Blick auf das Grab in eine neue Dimension vom Leben. Vielleicht braucht es Zeit und auch den Mut zum Risiko." Vom Ostergeschehen zu erzählen aber helfe: "Wir teilen unsere Erfahrungen, wie Gottes Kraft uns getragen und bewahrt hat, aber auch unsere Zweifel und Fragen. Der Osterglaube bildet sich immer wieder neu, im Gespräch, im Anvertrauen und im Zutrauen. Niemand glaubt für sich allein; wir brauchen einander – gerade im Glauben." (AZ, nip)