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Augsburg: Im Seniorenheim Ebnerstraße Bewohner vernachlässigt?

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Werden im Augsburger Seniorenheim Ebnerstraße Bewohner vernachlässigt?

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    Nach Hinweisen auf mögliche pflegerische Mängel im Seniorenheim Ebnerstraße in Augsburg wurde kontrolliert. Laut ARGE Pflegekassenverbände seien "schwerwiegende Qualitätsdefizite" festgestellt worden.
    Nach Hinweisen auf mögliche pflegerische Mängel im Seniorenheim Ebnerstraße in Augsburg wurde kontrolliert. Laut ARGE Pflegekassenverbände seien "schwerwiegende Qualitätsdefizite" festgestellt worden. Foto: Silvio Wyszengrad

    Man orientiere sich an der goldenen Regel der Nächstenliebe, wird auf der Internetseite des Augsburger Seniorenheims Ebnerstraße angepriesen. "Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst", steht da in großen Buchstaben. Der Leitspruch hat möglicherweise aber nur wenig mit der Realität zu tun. In dem Pflegeheim in Augsburgs Stadtteil Oberhausen soll es massive Missstände bei der Pflege betagter Bewohnerinnen und Bewohner sowie bei der Hygiene geben. Nun droht eine Schließung der Einrichtung mit 140 Plätzen. Es ist nicht das erste Mal, dass die "Ebnerstraße" in die Schlagzeilen geriet. Seit einigen Monaten ermittelt auch die Staatsanwaltschaft.

    Überrascht sei sie nicht über das, was nun ans Tageslicht kommt, sagt eine Frau unserer Redaktion, die Einblick in den Alltag des Pflegeheimes hatte. Ihren Namen will sie nicht preisgeben, berichtet aber von Vernachlässigungen von Heimbewohnern. Sie erzählt von offenen, teils eiternden Wunden an Rücken von Patientinnen und Patienten, weil diese sich wund gelegen hätten. Von anderen Angehörigen habe sie mitbekommen, dass Medikamente teils zu spät oder gar nicht verabreicht worden seien. Patienten, die in den Rollstuhl gesetzt werden sollten, habe man einfach im Bett gelassen.

    Auf welche Missstände Prüfer im Augsburger Seniorenheim offenbar stießen

    Die Frau schildert ähnliche Vorgänge, über die auch der Bayerische Rundfunk am Dienstag berichtet hat. Demnach sollen die Seniorinnen und Senioren des Heimes teils zu wenig zu essen und zu trinken bekommen haben, auch sollen Prüfer des Medizinischen Dienstes Bayern (MD) bei einer Prüfung im Oktober 2021 auf falsche oder fehlende Arzneimittel und bei einem Patienten auf eine unversorgte Wunde gestoßen sein. Der MD prüft im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in

    Hintergrund waren Hinweise über mögliche pflegerische Mängel in der Einrichtung, sagt Steffen Habit, Sprecher der Pflegekassenverbände. Aus diesem Grund habe man vergangenen Oktober eine Prüfung beauftragt. Sogenannte Anlassprüfungen erfolgen überraschend, im Gegensatz zu den Regelprüfungen, die einen Tag vorher angekündigt werden. Im Prüfbericht vom Oktober jedenfalls seien schwerwiegende Qualitätsdefizite festgehalten worden, so Habit, ohne diese näher beschreiben zu wollen. Der Träger der Einrichtung habe einen Maßnahmenbescheid mit entsprechenden Fristen zum Abstellen der Defizite erhalten.

    Dem Augsburger Seniorenheim Ebnerstraße könnte die Schließung drohen

    Offenbar ohne größere Konsequenzen. Bei einer erneuten Prüfung im Januar wurden laut ARGE wieder Qualitätsdefizite festgestellt. Noch stehe eine abschließende Beurteilung und Festlegung der vertragsrechtlichen Konsequenzen aus, meint Steffen Habit. "Diese hängen vom Engagement des Trägers der Pflegeeinrichtung ab, umgehend die Qualitätsdefizite abzustellen und den geforderten Pflegestandard zum Wohle der Bewohner gerecht zu werden." Wird dies jedoch nicht erfüllt, könnte dem Augsburger Heim die Schließung drohen. In diesem Fall werde man in enger Absprache mit der Heimaufsicht eine Beendigung des Versorgungsvertrages in Erwägung ziehen müssen, so der Sprecher weiter. Es wäre nicht die erste Pflegeeinrichtung des Trägers, die aufgrund eklatanter Mängel dicht machen müsste.

    Wie Gesundheitsreferent Reiner Erben erläutert, werde das weitere Vorgehen in den nächsten Tagen gemeinsam mit den Aufsichtsbehörden beraten – von möglichen weiteren Anordnungen bis hin zur Schließung der Einrichtung. „Hier geht es um Menschen, die versorgt werden müssen. Deshalb kann ein Heim zwar nicht von jetzt auf nachher geschlossen werden. Doch die Entwicklung in der Einrichtung Ebnerstraße ist unakzeptabel." Dass die hohe Kontrolldichte und die Anordnung von Maßnahmen unterlaufen würden, sei ein Missstand und müsse gelöst werden. Erben spricht von einer "engmaschigen Kontrolle" durch die städtische Heimaufsicht.

    Diese stehe mit der Pflegeleitung, der Trägerleitung und der Bewohnervertretung des Oberhauser Heims in engem - mindestens einmal wöchentlichem - Kontakt. Dabei seien Mängel in der Pflege festgestellt und Maßnahmen zur Behebung festgelegt worden, so der Referent. Die im aktuellen Beitrag des Bayerischen Rundfunks benannten extremen Mängel in der Einrichtung seien bei den Begehungen jedoch nicht entdeckt worden.

    Vom Skandalheim am Schliersee kamen Senioren nach Augsburg

    Wie berichtet, gehört das Augsburger Heim zum gleichen Betreiber wie ein inzwischen geschlossenes Pflegeheim im oberbayerischen Schliersee, das im Mittelpunkt gleich zweier staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen steht. Trägerin sowohl der Augsburger als auch der geschlossenen Seniorenresidenz in Schliersee ist eine Firma namens S.O. Nursing Homes GmbH, die wiederum zu einem italienischen Konzern gehört, der vor allem im Norden Italiens zahlreiche Senioreneinrichtungen betreibt. Nachdem das Haus in Oberbayern geschlossen wurde, fand ein Teil der Bewohnerinnen und Bewohner in der Ebnerstraße in Augsburg eine neue Bleibe.

    Es ermittelt zum einen die Zentralstelle zur Bekämpfung von Korruption und Betrug im Gesundheitswesen (ZKG) in Nürnberg, zum anderen die Staatsanwaltschaft München II. Die

    Auch die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt

    Doch auch in Augsburg selbst gibt es ein Verfahren, es richtet sich gegen eine ehemalige Heimleitung und eine einstige Pflegedienstleitung. Hintergrund war eine Anzeige aus dem familiären Umfeld einer früheren Heimbewohnerin, in dem Fall geht es um den Verdacht auf fahrlässige Körperverletzung im Zeitraum 2019 und 2020. Offenbar geht es bei dem Ermittlungsverfahren um mögliche Hygiene- und Pflegemängel während des Aufenthaltes der Seniorin, die das Heim nach Informationen unserer Redaktion 2020 verließ. Die betagte Frau, die im Jahr 1929 geboren war, ist inzwischen außerhalb des Heims gestorben.

    Ob bei diesem Verfahren ein strafrechtlich relevantes Verhalten festgestellt werden kann, ist noch völlig offen; die Ermittlungen dauern an. Möglich, dass weitere hinzukommen. Die Nürnberger Zentralstelle berichtet auf Anfrage unserer Redaktion, man habe aufgrund der Presseberichterstattung zu den möglichen Missständen im Augsburger Heim "ein Vorprüfungsverfahren eingeleitet".

    Der Mann, der am Dienstagvormittag seinen Vater in dem Seniorenheim in der Ebnerstraße besuchen will, hat von etwaigen Missständen bislang nichts mitbekommen. Ihm sei lediglich aufgefallen, dass Mitte vergangenen Jahres viele Pflegekräfte gekündigt hatten, erzählt er. "Mein Vater fühlt sich dort wohl", sagt er. Außerdem sei das Pflegeheim nicht so teuer, wie andere. Sein Vater zahle monatlich nur 1600 Euro. Zu ihm hinein darf er an diesem Tag nicht. "Seit heute gibt es wegen eines Corona-Falls keine Besuchsmöglichkeiten."

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