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Augsburg: Bekamen sie in Discos K.-o.-Tropfen? Frauen berichten seltsame Vorfälle

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Bekamen sie in Discos K.-o.-Tropfen? Frauen berichten seltsame Vorfälle

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    Gläser nie unbeaufsichtigt stehen lassen und bei einem Verdacht auf K.-o.-Tropfen sofort die 110 anrufen - das rät mitunter die Polizei.
    Gläser nie unbeaufsichtigt stehen lassen und bei einem Verdacht auf K.-o.-Tropfen sofort die 110 anrufen - das rät mitunter die Polizei. Foto: Jens Kalaene, dpa (Symbolbild)

    Blaue Flecken und Kratzer an Beinen, am Unterleib, Schmerzen im Intimbereich. Und dann diese eine Stunde, die Patrizia K. komplett fehlt. Ein Zeitraum, in dem sie nicht weiß, was mit ihr passiert ist. Über den sie sich bislang vergeblich den Kopf zerbricht. Die junge Augsburgerin hat die Polizei eingeschaltet. Die 24-jährige Studentin geht davon aus, dass ihr in einer Augsburger Disco K.-o.-Tropfen ins Getränk gemischt wurden. Eine weitere Studentin berichtet von einem ähnlichen Vorfall. Gibt es in Augsburgs Nachtszene ein Problem mit K.-o.-Tropfen?

    "Ich kann nicht sagen, wie ich mich fühle. Ich kann mich ja an nichts erinnern", sagt Patrizia K. (Name geändert) mit einer Spur Verzweiflung. Vor etwa zwei Wochen trifft sie sich mit Freunden in einer Disco. Man unterhält sich, tanzt, trinkt Wodka-Bull. Sie gehe gerne Feiern, sei durchaus trinkfest, sagt die Studentin. Aber das, was an jenem Abend passiert, das habe sie noch nie erlebt. Plötzlich hat Patrizia K. einen Filmriss. Am nächsten Tag wacht sie bei einem Freund daheim auf.

    Auf der Toilette verspürte sie Schmerzen

    Auch er war in der Disco, ging aber schon früher nach Hause - das weiß sie noch. Aber sie hat keine Ahnung, wann und wie sie nachts zu ihm in den anderen Stadtteil gelangte, warum ihr Rucksack fehlt. Auch erinnert sie nicht, dass sie sich bei ihm noch übergeben hatte, wie er ihr erzählt. Patrizia K. erschrickt, als sie die Blessuren an ihrem Körper entdeckt, auf der Toilette Schmerzen verspürt. Was war bloß passiert? Auch die 22-jährige Studentin Lena M. (Name geändert) ist ratlos.

    Das sind K.-O.-Tropfen

    Was sind K.O.-Tropfen? Ein Auszug aus der Infobroschüre "K.O.-Tropfen – Tipps und Hinweise, die dich schützen können" des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen.

    "K.-o.-Tropfen sind Drogen, die heimlich verabreicht werden, um jemanden handlungsunfähig, hilflos oder willenlos zu machen. Dazu werden Medikamente (Narkose- und Beruhigungsmittel) oder Partydrogen (GHB/GBL) eingesetzt...

    ... Das Gefährliche: K.-o.-Tropfen sind farb- und geruchlos. Vermischt mit einem Getränk kannst du die Tropfen noch nicht mal schmecken.

    K.-o.-Tropfen werden insbesondere in Diskotheken, Lokalen oder auf Partys in die Getränke gemischt. Und auch Bekannte können Täter sein!

    Wenn die Betroffenen willenlos oder bewusstlos sind, werden sie oft vergewaltigt oder ausgeraubt. Wichtig: Die Gefahr betrifft nicht nur Frauen, auch Männer können k. o. gehen!"

    Zum Glück, sagt Lena M., hätten sich ihre Freundinnen um sie gekümmert, als ihr in einem Augsburger Club plötzlich so komisch wurde. Knapp zwei Wochen ist das her. Klar, auch sie habe an dem Abend getrunken. "Aber ich kenne mich und ich weiß, was ich vertrage. Plötzlich konnte ich von einer Minute auf die nächste nicht mehr stehen, meine Beine nicht mehr kontrollieren." Sie weiß nicht mehr, dass zwei Männer sie geküsst haben, wie ihr später berichtet wurde, und wie sie ihr Handy verlor. Geistesgegenwärtig setzten ihre Freundinnen sie schließlich in ein Taxi.

    Mutter fragt: "Hat dir jemand was ins Glas gekippt?"

    Lena M. wacht am nächsten Tag erst mittags auf, fühlt sich hundeelend. "Hat man dir was ins Glas gekippt?", fragt die Mutter. Zu hundert Prozent könne sie das letztlich nicht sagen, meint Lena M., aber für sie ist es die einzige plausible Erklärung. Zur Polizei sei sie nicht gegangen. Dabei bittet diese, bei Verdacht schnellstmöglich unter 110 anzurufen und sich zugleich in ärztliche Behandlung zu geben. Denn bei den Substanzen, die unter dem Begriff K.-o.-Tropfen geführt werden, zähle jede Minute, sagt Polizeisprecher Markus Trieb.

    "Je nachdem, um welchen Stoff es sich genau handelt, ist ein Nachweis in Blut oder Urin teilweise nur wenige Stunden möglich. Wir appellieren, sich bei einem Verdachtsfall sofort zu melden und keine für Ermittlungen wertvolle Zeit verstreichen zu lassen." Niemand müsse sich schämen Opfer zu werden, betont Trieb. In Augsburg sei die Zahl von Verdachtsfällen sehr gering, in den letzten Jahren habe sich nur in Ausnahmefällen bestätigt, dass K.-o.-Tropfen verabreicht wurden. Freilich sei, wie in den meisten Deliktsbereichen, auch hier eine Dunkelziffer nicht ausgeschlossen. Ganz anders bewertet Sebastian Karner von der Club- und Kulturkommission (CKK) die momentane Lage in Augsburgs Clubs und Discoszene.

    K.-o.-Tropfen in Augsburg: "Schlimmer als sonst"

    "Es ist schlimmer als sonst", sagt der Vorsitzende der Organisation für Augsburger Club-, Party-, Konzert- und Kulturveranstalter. "Früher hatten wir gar keine Fälle von K.-o.-Tropfen." Seit der Wiedereröffnung nach Corona aber gebe es immer wieder Vorkommnisse, so Karner. Erst Anfang März hatte die CKK Frauen des sogenannten "KO"-Vereins zu einem Gespräch nach Augsburg eingeladen. Der Münchner Verein setzt sich mit anderen Betroffenen für Opfer von K.-o.-Tropfen und sexualisierter Gewalt ein.

    K.-o.-Tropfen eingenommen? Diese Anzeichen gibt es

    Wie merkt man, dass einem K.-o.-Tropfen verabreicht wurden?

    Plötzliche Übelkeit und/oder Schwindelgefühl.

    Wahrnehmungsschwierigkeiten.

    Dämmerzustand (wie in Watte gepackt).

    Gefühl der Willenlosigkeit.

    Erinnerungsstörungen bis zu zeitweiligem Erinnerungsverlust.

    Völlige (sexuelle) Enthemmung oder extreme Euphorie.

    Sebastian Karner sieht bei dieser Problematik einen wesentlichen Konfliktpunkt. Nämlich, dass auf behördliche Anordnung Gäste eines Clubs oder von Konzerten ihre Getränke nicht vor die Tür, etwa zum Rauchen, mitnehmen dürfen. So blieben viele Drinks unbeaufsichtigt an Eingängen stehen. "Ich kann jedem nur empfehlen, vorher auszutrinken." Fast nur so kann sich Patrizia K. vorstellen, dass ihr K.-o.-Tropfen in den Becher gemischt wurden. "Ich nehme mein Glas sogar mit auf die Tanzfläche." Aber auch sie sei einmal vor der Tür gewesen. Die 24-Jährige war bereits bei der Polizei - auf Drängen ihres Arbeitgebers, dem sie davon berichtet hatte.

    Anzeige gegen Unbekannt - Augsburger Polizei ermittelt

    Die Aussage sei nicht einfach gewesen, sagt Patrizia K. Eben, weil sie sich an nichts erinnern konnte und weil sie manchmal auch das Gefühl hatte, sich für ihren Alkoholkonsum an jenem Abend rechtfertigen zu müssen. Auch die notwendigen Untersuchungen im Krankenhaus seien nicht angenehm gewesen. Noch habe sie kein Ergebnis, ob an ihren Wunden oder im Intimbereich fremde DNA gefunden wurde. Eine Anzeige wegen sexueller Nötigung gegen Unbekannt sei gestellt. Die Polizei bestätigt das.

    K.-o.-Tropfen eingenommen: Was nun?

    Was kann man tun, wenn es passiert ist?

    1. Der oder die Betroffene braucht sofort ärztliche Hilfe!

    2. Anzeige bei der Polizei erstatten! Angst und Scham nützen nur den Tätern! Denen kann nur das Handwerk gelegt werden, wenn Betroffene den Mut haben, für ihre Rechte einzutreten.

    Jede Aussage ist wichtig, auch wenn man nicht genau weiß, was eigentlich passiert ist.

    3. Da die Drogen bis maximal zwölf Stunden nach Einnahme nachweisbar sind, ist es sinnvoll, Urin in einem sauberen Gefäß kühl aufzubewahren (einfrieren), um ihn später untersuchen zu lassen.

    Auch sollte die Bekleidung nicht gewaschen werden. Für Ermittlungen ist es hilfreich, wenn auch nicht geduscht oder gebadet wird (auch wenn ein großes Bedürfnis danach besteht).

    4. Unterstützung und Hilfe suchen: Örtliche Frauennotrufe und Beratungsstellen für Frauen können helfen, das Geschehene zu verarbeiten. Für Männer gibt es die Ambulanz für Gewaltopfer (Gesundheitsamt).

    Betroffene können sich auch an Opferschutzorganisationen wie zum Beispiel den Weißen Ring wenden.

    Patrizia K. zermartert sich seitdem den Kopf, hat den Verlauf des Abends nachrecherchiert. Unter anderem fand sie heraus, dass sie nach der Disco in ein Taxi gestiegen war, das auf der Fahrt zu ihrem Freund an einer Bank angehalten und sie dort am Automat Geld abgehoben hatte. "Ich weiß von alledem einfach nichts."

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