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Augsburg: Beim Trauerakt für Rabbiner Henry Brandt fließen Tränen

Augsburg

Beim Trauerakt für Rabbiner Henry Brandt fließen Tränen

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    Im Goldenen Saal des Augsburger  Rathauses erinnerten Charlotte Knobloch (links), Obrbürgermeisterin Eva Weber und viele Weggefährten an den verstorbenen Rabbiner Henry G. Brandt.
    Im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses erinnerten Charlotte Knobloch (links), Obrbürgermeisterin Eva Weber und viele Weggefährten an den verstorbenen Rabbiner Henry G. Brandt. Foto: Peter Fastl

    Er galt als ein Gesicht des jüdischen Glaubens in Deutschland, als Zeitzeuge der NS-Verfolgung und als Brückenbauer zwischen den Religionen. Andere beschreiben den im Februar verstorbenen Rabbiner Henry G. Brandt als eine ganz besondere Persönlichkeit. "Er war, wie man auf Jiddisch sagt, eine "Neschume", das bedeutet: eine Seele", sagte Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, am Sonntag im Augsburger Rathaus. Seelenruhe habe es in seinem Leben dagegen nie gegeben. Brandt sei immer voller Tatendrang und Energie gewesen, noch bis ins hohe Alter.

    Am Sonntag ehrte die Stadt Augsburg im Goldenen Saal des Rathauses ihren 94-jährig in der Schweiz verstorbenen Ehrenbürger mit einem Trauerakt. Mit dabei waren 180 geladene Gäste, darunter viele Freunde und Weggefährten sowie Familienmitglieder des Verstorbenen.

    Henry Brandt hat das jüdische Leben in Augsburg geprägt

    Bis 2019 hat Henry Brandt als Gemeinderabbiner das jüdische Leben in Augsburg geprägt. Er machte die Augsburger Jugendstil-Synagoge zu einem Begegnungsort von Juden und Nicht-Juden. Er vermittelte zwischen jüdischer Tradition und Moderne, zwischen Juden und Christen, zwischen Juden und Muslimen und zwischen der jüdischen Gemeinde in Augsburg und der nichtjüdischen Mehrheit der Augsburger Stadtgesellschaft. Oberbürgermeisterin Eva Weber sagte, Brandt sei Moderator, Brückenbauer und Wegbereiter gewesen. Das seien drei Aufgaben, die man heute mehr denn je brauche. "Er hat vorgelebt, welche Werte die Menschen zueinander führen."

    Brandt wurde 1927 in München geboren. Im Zuge der Verfolgung und Ausgrenzung von Juden im Nationalsozialismus gelang der Familie 1939 die Flucht nach Tel Aviv. Brandt diente im Israelitischen Unabhängigkeitskrieg als Offizier, studierte Wirtschaftswissenschaften in Nordirland und arbeitete als Marktanalytiker bei der Ford Motor Company. 1957 nahm er ein Studium zum Rabbiner in London auf und beendete es 1961 mit dem Diplom. "Als der arrivierte Ökonom Henry Brandt Ende der 50-Jahre entschied, eine Ausbildung zum Rabbiner zu beginnen, war das eine recht verwegene Entscheidung", sagte Knobloch. Aus Sicht der jüdischen Gemeinschaft und der ganzen Gesellschaft in Deutschland sei es im Rückblick aber die einzig Richtige gewesen.

    Bischof Bertram Meier sagte, "das Leben von Henry Brandt war so bewegt, wie das Jahrhundert, das er durchschritt". Dem Rabbiner sei es immer um die gemeinsame Zukunft, um Gerechtigkeit und Frieden gegangen. Brandt amtierte nach zahlreichen Zwischenstationen ab den 80er-Jahren auch wieder in Deutschland.

    Brandt hat sich um die Öffnung der Synagoge verdient gemacht

    Zu Tränen gerührt war Georg Haindl, Vorsitzender des Stiftungsrates fürs Jüdische Museum Augsburg Schwaben, als er beim Trauerakt an den Rabbiner erinnerte. Das Museum habe mit Brandt einen Freund und Förderer verloren. Brandt habe sich um die Wiederverankerung des Judentums in Augsburg und die Öffnung der Synagoge in der Stadt verdient gemacht. Die Stadt sei aufgerufen, ein Zeichen dauernden Erinnerns an ihn zu schaffen. Haindl sagte auch: "Ich bin dankbar, dass ich ihn einen Freund nennen durfte."

    Michael Grabow, Regionalbischof im Ruhestand, erinnerte sich an viele Begegnungen mit Brandt, der Lehrer, Ratgeber und für viele Freund gewesen sei. "Ich bin traurig und werde ihn vermissen." Professor Hanspeter Heinz hob den "besonders feinen Humor" hervor, der den Rabbiner neben der Hingabe an sein Amt ausgezeichnet habe. Alexander Mazo, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg sagte, er habe Brandt zum ersten Mal 2005 getroffen. Damals sei die Situation der jüdischen Gemeinde "sehr schwierig" gewesen. Brandt sei für die Stadtgesellschaft immer ein verlässlicher Ansprechpartner gewesen.

    Henry Brandts Wirken reicht weit über Augsburg hinaus

    Charlotte Knobloch sprach von Brandts Wirken weit über Augsburg hinaus. Als Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz etwa sei er viele Jahre lang ein Gesicht des jüdischen Lebens in Deutschland gewesen. "Unser Land – das am Ende auch wieder sein Land geworden war – wäre ohne Henry Brandt seligen Angedenkens heute ein anderes", so Knobloch. Er werde fehlen.

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