Wenn die CSU ab Freitag auf dem Augsburger Messegelände ihren Landesparteitag abhält, dann ist schon absehbar, dass Parteivorsitzender Markus Söder wieder eine Ansage machen wird, mit wem eine Koalition auf Bundesebene unter keinen Umständen denkbar ist: den Grünen. Allerdings wird er diese Aussage in einer Stadt machen, die seit 2020 von einem schwarz-grünen Bündnis regiert wird - anfangs von der Münchner Parteiführung noch mit Interesse beobachtet, inzwischen von Söder zum parteipolitischen Exoten gestempelt.
Dabei hat die Koalition im Rathaus bisher relativ reibungslos zusammengearbeitet, selbst bei den Konflikt-Themen Klimaschutz, Mobilität und Migration. Die Kulturunterschiede sind zwar allzu offensichtlich, wenn CSU-Urgesteine, die schon zu Franz Josef Strauß‘ Zeiten dabei waren und mit Sakko und Krawatte ins Rathaus kommen, und junge Grünen-Stadträte im T-Shirt, die in ihren Wortbeiträgen gendern, im Stadtrat aufeinandertreffen, aber man vertritt gemeinsame Inhalte und duzt sich. Doch im letzten Drittel der Legislatur werden langsam Ermüdungserscheinungen deutlich. Beim Wärmeplan ist der erste Donner gerade am Verhallen (das Gewitter ist aber noch nicht vorbei), beim Thema Realschul-Standort steht der nächste Krach unmittelbar bevor und in der Wohnungspolitik zeichnet sich der nächste Konflikt ab.
Wäre eine Neuauflage der Koalition überhaupt denkbar?
Wirft da nur die Kommunalwahl ihre Schatten voraus, passen da zwei Partner grundsätzlich nicht zusammen oder dringt die politische Großwetterlage auch im Augsburger Politik-Biotop durch? Und wäre - angesichts der Ansagen aus München - in Augsburg überhaupt nochmal eine Neuauflage von Schwarz-Grün denkbar? Eineinhalb Jahre vor der nächsten Kommunalwahl stellen sich diese Fragen, und wer in die Parteien hineinhört, bekommt unterschiedliche Antworten. Menschlich verstehe man sich glänzend, die Kompromisse und manche Eigenheiten des Gegenübers habe man inzwischen mitunter aber satt, ist eine häufig gehörte Antwort sowohl bei CSU und Grünen. Mit Unvereinbarkeitsaussagen für die Zeit nach 2026 hält sich die Augsburger CSU, anders als ihr Landesvorsitzender, aber zurück. Seitens der Grünen werden die Attacken Söders ohnehin mit Unverständnis vernommen. Demokraten müssten zusammenhalten, sagt etwa Grünen-Bundestagsdirektkandidatin Claudia Roth. Man verhandle hart, sagt Grünen-Fraktionschef Peter Rauscher zur Koalition, habe bisher aber immer gute Lösungen erzielt.
Aus der Augsburger CSU gibt es unterschiedliche Aussagen
Während Söder an den Grünen kein gutes Haar lässt, hören sich die Aussagen aus Augsburg gemäßigter an. Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU), so ist zu vernehmen, schätzt die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Stadtregierung. Die Koalition sei keine „Liebesheirat“ gewesen, aber sie arbeite gut und pragmatisch bei den Themen, die die Kommunalpolitik bringe, sagt Weber. Ähnlich drückt sich Fraktionschef Leo Dietz aus. „Es funktioniert doch besser als gedacht“, so Dietz. In den Wahlkampf werde aber jeder für sich ziehen, danach sehe man weiter und sei offen für Gespräche in verschiedene Richtungen. Distanzierter hört sich CSU-Parteichef Volker Ullrich an. Seine Bilanz zur Halbzeit vor eineinhalb Jahren fiel so aus, dass Schwarz-Grün nicht zwingend ein „Zukunftsmodell“ sei, was prompt für einen Koalitionskrach sorgte. Ullrich hat von dieser Aussage, die streng genommen keine Koalitionsabsage ist, sich aber - wohl auch so beabsichtigt - nach einer solchen anhört, nichts zurückgenommen. Die Koalition funktioniere, aber es sei „nicht in Stein gemeißelt“, dass es so weitergehe, sagt Ullrich heute.
Ein Teil der Basis dürfte sich über Söders Kurs freuen
Dass sich die Aussagen zur Koalition aus der CSU zumindest in der Tonlage unterschiedlich anhören, ist kein Zufall, denn zur Wahrheit gehört auch, dass sie in den Reihen der CSU nicht unumstritten ist. Ob der eigentliche Adressat der Aussagen Ullrichs die Grünen waren oder ob Ullrich eher ein Signal in die eigene Partei senden wollte, ist Interpretationssache, und vermutlich liegt man mit beidem richtig. Denn innerhalb der CSU - vor vier Jahren noch in einer Art Selbstfindungsphase nach dem Bienen-Volksbegehren und dem Grünen-Höhenflug - gab es in manchen Teilen der Partei von Anfang an ein Rumoren über die Zusammenarbeit, weil man zu viel grüne Inhalte im Regierungshandeln witterte, etwa mit Parkplatzstreichungen in der Innenstadt. Angesichts der Ansagen von Söder und CDU-Chef Friedrich Merz dürfte sich dieser Teil der Basis inzwischen eher bestätigt sehen und wird wohl auch parteiintern mehr Druck machen. Das könnte sich auch aufs Verhalten der Stadtratsfraktion durchschlagen, die zwischen Koalitionsräson und Druck von unten navigieren muss.
Auf Social Media gibt es direkte Angriffe
Bisher war ein Erfolgsfaktor dieser Koalition, dass man explizit geregelt hat, im Falle von Uneinigkeit auch offen darüber zu sprechen und so in der Öffentlichkeit gar nicht den Anspruch zu erwecken, immer bei allem zu 100 Prozent übereinzustimmen. Doch ab jetzt werden sich diese Kontroversen häufen, weil sich die Kommunalwahl nähert - womöglich auch in einem unverträglichen Maß. In Social-Media-Posts greifen die Grünen inzwischen die CSU auch direkt an. Grünen-Fraktionschef Rauscher sagt, man werde „Positionen hart vertreten“, sehe parallel aber zunehmend parteitaktische Gründe im Agieren der CSU. In der CSU ist man hingegen nicht erbaut darüber, dass die Grünen Konflikte offensiv nach außen tragen. CSU-Mann Dietz sagt, man werde das „Profil schärfen“. Große Würfe und Grundsatzentscheidungen werde man nun wohl nicht mehr zusammenbekommen, ist eine Vorhersage von einem Stadtratsmitglied aus der Koalition, um nicht in öffentlichen Dauerstreit zu geraten.
Wer in die Fraktionen hineinhört, bekommt den Eindruck, dass die Handelnden selbst die Wahrscheinlichkeit für eine Neuauflage der Koalition 2026 für geringer einschätzen als noch 2020. Aber ausschließen will sie niemand. Auch wenn es noch lange Zeit zur Wahl ist, spricht manches dafür, dass der Stadtrat ab 2026 zum einen eine stärkere AfD (aktuell vier Sitze) haben wird, mit der aber niemand zusammenarbeiten möchte. Zum anderen dürfte die Zersplitterung des Stadtrats (aktuell 13 Fraktionen bzw. Einzelstadträte) künftig fortschreiten, was zumindest für Teile der größeren Fraktionen mit Verlusten einhergeht, wobei die CSU weiterhin größte Fraktion bleiben dürfte.
Ob es 2026 für ein „bürgerliches“ Lager aus CSU, FW, FDP und Pro Augsburg (so alle denn den Sprung in den Stadtrat schaffen) reichen würde, ist ebenso ungewiss wie die Frage, ob es rechnerisch für eine CSU/SPD-Koalition reichen würde (wobei selbst für diesen Fall Oberbürgermeisterin Weber die „Lügen“-Vorwürfe von SPD-Fraktionschef Florian Freund in der Theaterdebatte noch lange nicht vergessen haben dürfte). Und auch, ob es rein rechnerisch nochmal für Schwarz-Grün reicht, weiß niemand. Ein nicht ganz unwahrscheinliches Szenario Stand heute ist, dass es wieder ein Dreierbündnis wie schon zwischen 2014 und 2020 geben könnte - wer dort dabei ist, darüber lässt sich erst nach dem 8. März 2026 spekulieren, wenn die Augsburger gewählt haben.
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