Renate Dziura ist eine Frau mit Humor. Das spürt man. Daher hält sie sich für einen Fototermin am Moritzplatz die Ohren zu. Es handelt sich um eine symbolhafte Aktion. Der Lärm, der von der Großbaustelle in Augsburgs Innenstadt verursacht wird, sei nicht auszuhalten, sagt die Mitarbeiterin der Eisdiele "Goldener Erker". Das Geschäft läuft seit Tagen schlecht, obwohl die Temperaturen förmlich nach einem Eis verlangen. Aber: Wer möchte sich draußen neben einen Bauzaun setzen, hinter dem den ganzen Tag geräuschintensive Arbeiten erledigt werden. Unter diesen Umständen mache die eigene Arbeit ebenfalls wenig Spaß, sagen Renate Dziura und ihre Kollegin Lia Wölke: "Wir werden noch wahnsinnig." Die Baustelle in der Innenstadt bleibt Stadtgespräch, zumal die Arbeiten noch mehrere Wochen dauern werden. Eine Momentaufnahme vor Ort.
Die Aufenthaltsqualität in Augsburgs Innenstadt leidet massiv
26 Grad sind es am Dienstagmittag. Gerade jetzt in der Ferienzeit wäre der Moritzplatz ein belebter Ort. Normalerweise. Doch in diesem Sommer ist vieles anders. Die Großbaustelle beeinträchtigt die Aufenthaltsqualität massiv. Sitzplätze in der Außengastronomie bieten einen Blick auf Bauzäune, die verhängt sind. Man hört den gesamten Tag, dass hart und viel gearbeitet wird. Die Stadtwerke Augsburg, die für die Baustelle verantwortlich sind, stehen unter Zeitdruck. Bis Ende der Sommerferien, also bis Mitte September, müssen neue Gleise verlegt sein. Danach sollen die Tramlinien 1 und 2 wieder regulär verkehren.
Wenn Schülerinnen und Schüler aus den Ferien zurückkehren, sollen sie die Straßenbahnen nutzen. Das ist der Plan. Um den Fahrplan einzuhalten, wird im Normalfall von 6 bis 21 Uhr gearbeitet. Die Bautrupps sind in Zweier-Schichten aufgeteilt. Wenn die Zufahrtstore für die Fahrzeuge geöffnet sind, erkennt man das Ausmaß der Arbeiten. Die Gleise wurden in der Vorwoche herausgerissen. Nun laufen die vorbereitenden Arbeiten für den Austausch der Gleise.
Eisdiele am Moritzplatz klagt über massive Umsatzrückgänge
In der Eisdiele "Goldener Erker" ist das Personal genervt. Die Chefs sind am Dienstag nicht da, die Mitarbeiterinnen halten die Stellung. "Wir müssen momentan froh sein um jeden Kunden, der zu uns kommt", berichtet Renate Dziura. Zur Mittagszeit sitzen an den knapp 20 Tischen, die auf zwei Zonen verteilt sind, lediglich drei Personen. Weil es zwischen Bauzaun und Eisdiele eng ist, kommen nur wenige Kunden, die ein Eis zum Mitnehmen kaufen. Die Umsatzrückgänge seien massiv, sagt das Personal. Zahlen möchte es nicht nennen.
Am Moritzplatz sind weitere Lokale mit Außengastronomie: "Der neue König von Flandern" im Capitol, das Il Gabbiano und das Centro. Die Tische im Freien sind nur sehr spärlich besetzt. Der König von Flandern versucht mit einer Rabattaktion, die Menschen anzusprechen. Es handelt sich um eine Baustellenaktion, wie ein großes Plakat verkündet. Alle Gerichte gibt es zum halben Preis. Im benachbarten Il Gabbiano ist die Stimmung bei den Wirtsleuten mies. "Unerträglich" sei die Baustelle, heißt es. Beklagt wird, dass abends bis 21 Uhr gearbeitet werde. Das Sommergeschäft leide extrem.
Der Geräuschpegel in der Vorwoche war noch extremer
Im Centro sitzen mittags sechs Personen draußen. Es gibt viele freie Tische. Bei einem Spritz genießen die Freundinnen Karina Turzer und Hannah Metzger den Tag. Sie haben Urlaub. "Das Centro ist meine Lieblingsbar", sagt Karina Turzer, die in Augsburg lebt. Das Pistazien-Croissant sei sensationell. Die Baustelle störe sie gar nicht so sehr: "Wir kommen trotz Baulärm." Hannah Metzger aus Friedberg sieht einen Vorteil unter den gegenwärtigen Bedingungen: "Man findet problemlos einen Platz im Schatten." Die beiden jungen Frauen strahlen Lebensfreude aus. "Das ist auch so", bestätigen sie, "man muss dem Leben doch was Positives abgewinnen."
Während Karina Turzer und Hannah Metzger die Innenstadt nach ihrem Café-Besuch verlassen, müssen andere Menschen länger bleiben. Beschäftigte möchten sich nicht zitieren lassen. Eine Einschätzung zur Baustelle gibt es: "Immerhin hat sich der Geräuschpegel gegenüber der Vorwoche deutlich reduziert." Zum Start der Arbeiten landeten einzelne Schienenteile unter einem ohrenbetäubenden Knall in Containern. Dies ist nicht mehr der Fall. Die Erreichbarkeit der Geschäfte ist gegeben. Es gibt jedoch Einschränkungen. Ein Optiker und ein Wollgeschäft haben nicht den direkten Zugang an der Hausfront. Ein Umweg ist nötig.
Das sagen die Stadtwerke zu den Arbeiten am Moritzplatz
Die Stadtwerke hatten bereits zum Start der Arbeiten auf Kritik an den Arbeiten reagiert. Der Fahrplan sei mit Wirten und Geschäftsleuten abgestimmt. Die Erneuerung der Gleise lasse sich nicht verschieben. Aufgrund der umfangreichen Arbeiten kämen nur die Sommerferien infrage.