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Augsburg: Baum tötete Kind auf einem Spielplatz: Kontrolleur wehrt sich gegen Strafe

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Baum tötete Kind auf einem Spielplatz: Kontrolleur wehrt sich gegen Strafe

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    Gesperrter Spielplatz im Juli vorigen Jahres in Oberhausen: Ein Kleinkind wurde dort von einem Baum tödlich verletzt.
    Gesperrter Spielplatz im Juli vorigen Jahres in Oberhausen: Ein Kleinkind wurde dort von einem Baum tödlich verletzt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Zahl ist enorm. Rund 100.000 Bäume in Augsburg stehen so an Straßen, Wegen oder Plätzen, dass sie regelmäßig kontrolliert werden müssen. Städtische Mitarbeiter schauen sich die Bäume an und beurteilen, ob sie noch standfest sind. Absolute Sicherheit bringt das aber nicht. Immer wieder stürzen dennoch Bäume unerwartet um. Besonders tragisch war der Fall vom vergangenen Sommer, als auf einem Spielplatz in Oberhausen ein 22 Monate altes Mädchen getroffen und tödlich verletzt wurde. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Kontrolleur, der den umgestürzten Baum zuletzt begutachtet hat, fahrlässige Tötung vor. Das Amtsgericht hat einen entsprechenden Strafbefehl gegen den Mann erlassen. Doch dieser wehrt sich nun gegen den Schuldspruch. Der Verteidiger des Beschuldigten sagt, dafür gebe es gute Gründe. Auch für die Stadt ist der anstehende Prozess von großer Bedeutung.

    Der rund 20 Meter hohe Ahornbaum wurde nicht entwurzelt. Der Stamm brach über der Erde – genau in dem Moment, als sich eine Mutter mit ihren beiden Töchtern auf dem Spielplatz befand und wippte. Die knapp zwei Jahre alte Tochter starb im Krankenhaus, die Mutter erlitt schwere Verletzungen. Das zweite Kind wurde körperlich nicht verletzt. Der Vater sagte nach dem Unglück im Gespräch mit unserer Redaktion, es gehe der Familie nicht darum, eine bestimmte Person verantwortlich zu machen. Es solle aber verhindert werden, dass solch ein

    Der Baum brach über der Erde ab und fiel auf den Spielplatz.
    Der Baum brach über der Erde ab und fiel auf den Spielplatz. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Die Ermittlungen von Kripo und Staatsanwaltschaft brachten allerdings keine generellen Missstände bei der Organisation der Baumkontrollen ans Licht. Am Ende blieb nur die Frage, ob der einzelne Mitarbeiter einen Fehler gemacht hat und er damit eine persönliche Schuld trägt. Und in diesem Punkt gehen die Meinungen von Experten offensichtlich auseinander. Ein von der Staatsanwaltschaft beauftragter Gutachter vertritt demnach die Ansicht, dass man den Baum noch gründlicher hätte untersuchen müssen. Dann wäre wohl aufgefallen, dass ein Brandkrustenpilz den Baum befallen hatte. Ein Gutachter, der vom Verteidiger des Baumkontrolleurs beauftragt wurde, sieht das aber offensichtlich anders und meint, dass die letzte Kontrolle vor dem Unglück ausreichend war.

    Baum-Unfall in Augsburg: Gericht muss nun einen Prozesstermin ansetzen

    Anwalt Hansjörg Schmid sagt, dass es unterschiedliche Expertenmeinungen gebe, dürfe man nicht zulasten seines Mandanten werten. Deshalb habe er in dieser Woche Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass sich der Baumkontrolleur der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung schuldig gemacht hat. Allerdings sieht auch die Anklagebehörde offensichtlich nur eine relativ geringe Schuld. Der Strafbefehl, der vom Amtsgericht erlassen wurde, sieht nämlich eine Geldstrafe vor – aber nur auf Bewährung. Durch den Einspruch wird der Strafbefehl nun aber ohnehin nicht rechtskräftig. Das Gericht muss jetzt einen Prozesstermin anberaumen, bei dem dann Zeugen und Gutachter angehört werden – und am Ende über die Schuldfrage entscheiden. Auch für die Stadt ist das von Bedeutung. Denn wie Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) unserer Redaktion bestätigte, gibt es wegen des Falles inzwischen auch Schadenersatzforderungen.

    Dass ein städtischer Baumkontrolleur sich vor Gericht verantworten muss, wirft auch noch andere Fragen auf. CSU-Stadtrat Peter Schwab sagt, er frage sich, ob sich überhaupt noch genug Personen finden, die angesichts der drohenden Folgen den Job des Baumkontrolleurs machen wollen. Gleichzeitig müsse man sich mit der Frage beschäftigen, wie viel man für die Sicherheit tun kann. "Darüber werden wir auch in den städtischen Gremien reden müssen." Stadtdirektor Thomas-Schmidt Tancredi will zunächst das Ende des Strafprozesses abwarten und dann mögliche Konsequenzen prüfen.

    Nach tödlichem Unglück: Stadt folgt weiter den gängigen Richtlinien für Baumkontrollen

    Umweltreferent Erben sagt, die Stadt halte sich bei den Baumkontrollen weiterhin an die gängigen Richtlinien der Fachgesellschaften. In der Regel beschränkt sich die Kontrolle darauf, dass der Baum angeschaut und mit relativ einfachen Mitteln untersucht wird – zum Beispiel einem speziellen Hammer. Derzeit gebe es unter den Fachleuten bundesweit Diskussionen – auch ausgelöst durch das Augsburger Unglück und das Strafverfahren, sagt Erben. Ob deshalb aber die Richtlinien geändert werden, könne er derzeit nicht abschätzen. Aktuell gibt es bei der Stadt laut Erben 15 Baumkontrolleure – manche in Vollzeit, andere in Teilzeit. Zwei weitere Mitarbeiter würden derzeit angelernt, eine Kollegin komme demnächst aus der Elternzeit zurück. Ist es jetzt schwieriger geworden, Baumkontrolleure zu finden? "Das können wir derzeit noch nicht beurteilen", sagt der Umweltreferent. "Allerdings war es in der Vergangenheit immer wieder schwierig, offene Stellen zu besetzen."

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