Ob Eschen, Linden oder Kastanien: Viele traditionelle Baumarten in Augsburg leiden unter dem Klimawandel und seinen fatalen Folgen. Die Stadt erprobt deshalb Bäume aus anderen Ländern und Kontinenten, die mit anhaltender Hitze, Trockenheit oder Schädlingen besser zurechtkommen. Ein neues Experiment soll mit der "Amurlinde" laufen. Diese Art kommt ursprünglich aus Asien und Russland. Sie wird ab Herbst auf städtischen Friedhöfen gepflanzt. "Augsburg ist hier Vorreiter bei der Erprobung neuer Stadtbaumsorten in Deutschland", sagt die Leiterin des Amtes für Grünordnung, Anette Vedder.
Vielen Augsburgern sind Bäume in ihrer Stadt sehr wichtig. Das öffentliche Grün hat eine lange Tradition. Ab 1774 ließ die Stadtverwaltung nachweislich jedes Jahr zahlreiche Bäume pflanzen. Das geht aus historischen Quellen hervor. Bis 1915 stieg der innerstädtische Baumbestand auf insgesamt 14.543 Bäume an. Wie viele Bäume es heute sind, weiß man nicht genau. Im neuen digitalen Baumkataster sind bislang rund 56.000 erfasst. Es ist noch im Aufbau und ändert sich laufend.
Das digitale Baumkataster verzeichnet in Augsburg Schäden
In dem Verzeichnis werden auch Schäden an Bäumen aufgelistet. Wie viele allein auf den Klimawandel zurückzuführen sind, lässt sich nicht genau beziffern. Amtsleiterin Vedder sagt, dafür gebe es keine spezielle Kategorie. Denn Stadtbäume leiden nicht nur unter extremen Wetterereignissen. Auch schwierige Standorte an Straßen, Aufgrabungen für Kabel oder Rohre, Bodenverdichtung, Streusalz oder Schädlinge machen ihnen zu schaffen. Seit einiger Zeit experimentiert man deshalb mit ganz neuen Bäumen, um das öffentliche Grün auf Dauer erhalten zu können.
Vedder erklärt, dass bei neuen Pflanzungen immer auch die neuesten Forschungsergebnisse und Experten-Empfehlungen beachtet werden. So beteiligt sich das Amt am Klimabaum-Projekt der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim. Die Folge: An Augsburgs Straßen stehen inzwischen auch chinesische Gingkos oder amerikanische Amberbäume und Scheinakazien. Grundsätzlich müsse besonderes Augenmerk auf eine Mischung verschiedener Baumarten gelegt werden , um "Totalausfälle" zu vermeiden, so die Amtsleiterin. Sie betont aber auch, dass heimische Bäume dort weiterhin Vorrang haben sollen, wo sie auch in Zukunft gut überleben können.
Diese Vorgehensweise der Stadt finden auswärtige Fachleute wie Professor Norbert Müller richtig. Heimisches Grün an den richtigen Standorten möglichst lange zu erhalten und neue Bäume vielfältig zu mischen, sei mit Blick auf den Klimawandel die richtige Taktik, sagt der Erfurter Wissenschaftler, der viel im Bereich Urbane Ökologie und Biodiversität forscht und Augsburg gut kennt.
Exotische Bäume: Wird das gewohnte Stadtbild leiden?
Doch mit immer mehr Bäumen aus anderen Ländern und Kontinenten stellt sich auch die Frage: Wird das gewohnte Stadtbild leiden? Darüber gehen die Meinungen von Fachleuten auseinander. Vedder sagt, "der ganze Prozess der Klimawandelanpassung wird und muss Veränderungen in das Stadtbild bringen." Ein Ziel sei etwa, gewohnte Alleen einer Baumart auf gemischte Baumreihen mit neuen Arten umzustellen. Dies bedeute aber keinesfalls einen architektonischen Verlust. In historisch gewachsenen Situationen könne es auch in Zukunft die Allee aus einer Baumart geben. Klar sollte aus Sicht der Amtsleiterin aber auch sein, dass noch mehr Bäume in den Grünanlagen eingeplant werden müssen, um einer Erhitzung der Stadtviertel entgegenzuwirken. Letzteres sorgt für Kritik, nicht nur bei Bürgern, sondern auch bei Fachleuten.
Ein aktuelles Beispiel sind die Pläne für die Amberger Wiese im Textilviertel. Rund um die beliebte Spielwiese an der Prinzstraße stehen bereits große Säulenpappeln. Die historische Grünfläche steht außerdem unter Denkmalschutz. Trotzdem will das Grünamt dort im Herbst viele neue Klima-Bäume pflanzen. Müller sagt, vorhandene Wiesen oder Parkanlagen aufzuforsten, um etwas gegen den Klimawandel zu tun, sei der falsche Weg. Historische Grünflächen wie die Amberger Wiese sieht er in dieser Hinsicht als eine Tabu-Zone. Der Stadtökologe sagt, stattdessen müssten mehr Bäume in dicht bebaute städtische Räume und auf große versiegelte Flächen gepflanzt werden, weil dort die Temperaturen besonders stark steigen und Grün Kühlung bringt. Aus seiner Sicht wären neue Bäume sogar in der Maximilianstraße oder auf dem Rathausplatz vorstellbar. Augsburg sollte außerdem seinen Reichtum an Wasser stärker nutzen, regt er an - nicht nur, um mehr Grün an zentralen Plätzen zu bewässern, auch um Verdunstung auf heißen versiegelten Flächen zu bekommen.