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Augsburg: Blumenmaler Berni McQueen stellt aus: Im Gefängnis zeichnete er für seine Frau

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Blumenmaler Berni McQueen stellt aus: Im Gefängnis zeichnete er für seine Frau

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    Werke des Blumenmalers Bernhard McQueen werden derzeit in der Galerie MZ im Domviertel ausgestellt. Die Selbstporträts entstanden während seiner Haftzeit.
    Werke des Blumenmalers Bernhard McQueen werden derzeit in der Galerie MZ im Domviertel ausgestellt. Die Selbstporträts entstanden während seiner Haftzeit. Foto: Silvio Wyszengrad

    Bernhard McQueen steht in der Kunstgalerie MZ im Domviertel inmitten seiner Bilder und tut sich schwer, über seine Werke zu sprechen. Sie erinnern ihn an die schlimmste Phase seines Lebens. Sie liegt noch nicht lange zurück. Über zwei Jahre lang saß der Augsburger in der Justizvollzugsanstalt Gablingen wegen illegaler Graffiti. Trotz Bewährungsstrafen hatte er, der mit seiner Augsburgblume bekannt wurde, immer wieder Wände und Mauern besprüht. Im Gefängnis griff McQueen wieder zur Farbe. Er malte sich selbst. Ein Teil dieser 70 Haft-Porträts ist derzeit in der Galerie ausgestellt. Der Künstler erzählt, unter welch persönlich tragischen, aber auch teils kuriosen Umständen er sie angefertigt hat.

    Hinter allen Bilder steckt auch die Sehnsucht. Nach der Freiheit, vor allem aber nach seiner Frau. Während McQueens Haftzeit bricht die Corona-Pandemie aus, Besuche in der Anstalt werden noch stärker reglementiert. Wenn sich das Ehepaar mal sehen darf, dann nur mit Masken im Gesicht. Der ihm bekannte Galerist Martin Ziegelmayr legt ihm nahe, Porträts von sich zu malen. Für Bernhard McQueen, den viele Berni nennen, werden die Selbstbildnisse nicht nur zum wichtigen Anker in seiner Haftzeit, die von Monotonie geprägt ist. Sie werden auch zur bildhaften Kommunikation mit seiner Frau, der Betreiberin des Café Kätchens und Stadträtin Lisa McQueen (Die Partei). Mit letztendlich über 700 Briefen und etlichen Gedichten schickt er ihr per Post die Porträts nach Hause.

    Jedes Selbstporträt ist anders und lässt den jeweiligen Gemütszustand Bernhard McQueens in Haft erahnen. Anfangs schien er noch recht trotzig.
    Jedes Selbstporträt ist anders und lässt den jeweiligen Gemütszustand Bernhard McQueens in Haft erahnen. Anfangs schien er noch recht trotzig. Foto: Silvio Wyszengrad

    Immer sonntags, wenn er seinen freien Tag hat und nicht in der Gefängnisküche arbeitet, greift McQueen zum Papier. Anfangs darf er nur mit Buntstiften und Wasserfarben zeichnen. Offenbar traut man dem Häftling zu, dass er wieder Wände ins Visier nimmt. Kein unbegründetes Misstrauen. Schließlich hatte McQueen in seiner ersten Haftphase mit einem Schlüssel Kreise in eine Wand geritzt. Später sollte er im Gefängnis eine Therapie gegen seinen Zwang erhalten. Die Porträts jedenfalls helfen ihm. Mit der Flucht in die Fantasie machen sie das Leben hinter Gittern erträglicher. "Schwierig war es, für jedes Bild eine neue Inspiration zu finden", sagt der 35-Jährige. "Im Gefängnis war jeder Tag gleich - Zelle, Arbeit, Hof." Umso bemerkenswerter ist das Ergebnis. 

    Bilder des Malers der Augsburgblume entstanden im Gablinger Gefängnis

    Von den 28 Bildern, die in der Galerie ausgestellt sind, ist keines wie das andere. Mal mit, mal ohne Zigarette im Mund, mal Voll- mal Schnurrbart, die Haare unterschiedlich lang - all das sind nur oberflächliche Unterscheidungsmerkmale. Vielmehr lassen die Porträts den jeweiligen Gemütszustand McQueens erahnen. Mal trotzig, resigniert, hoffnungsvoll, schwermütig oder kurz vor dem Verrücktwerden. Wie jenes kubistische Bild mit den Verschiebungen der Gesichtsfelder, den vielen Augen und irrem Grinsen. "Da hatte ich erfahren, dass ich nicht vorzeitig heraus darf, sondern noch ein Jahr im Gefängnis bleiben muss", erinnert sich McQueen. Er rede nicht gerne darüber. "Vieles habe ich verdrängt." Lieber lässt er die Bilder für sich sprechen, mit einfachsten Mitteln angefertigt.

    Die ersten entstehen auf dünnem Papier, bis seine Frau ihm dickere, allerdings nur lose Blätter in die JVA schicken darf. "Einen Block durfte sie mir nicht in die Post stecken. In dem Klebestreifen hätten ja Drogen sein können." Bernhard McQueen macht mit anderen Insassen Tauschgeschäfte. Sein Talent ist begehrt. Er wird gebeten, Grußkarten und Bilder zu malen, die Häftlinge an ihre Familien schicken. Dafür erhält er Tabak oder auch buntes Papier. "Die meisten Gefangenen wollten meine Augsburgblume haben. Das war der am leichtesten verdiente Tabak", sagt er und grinst. McQueen, dem nach einer gewissen Haftzeit dann doch Acrylfarben gewährt werden, bleibt im Knast erfinderisch.

    McQueen benutzte Blechteller, in denen Häftlingen Essen ausgeteilt wurde

    Beim Versuch, eine Kartoffel aus der Küche mitzunehmen - "für einen Kartoffeldruck" - wird ihm das untersagt. Also bastelt er sich aus Einwegrasierern eine Schablone für ein weiteres Porträt. Mit seiner Zahnbürste besprenkelt er ein Bild mit Wasserfarbe. Als ihm das Deckweiß für die Augen ausgeht, behilft er sich mit den Blechtellern, in denen den Häftlingen das Essen ausgeteilt wird. "Die Schweinefleisch-freien Essen hatten schwarze Punkte als Aufkleber. Die machte ich ab." So entstanden die schwarzen Augenhöhlen auf einem weiteren Porträt. Bei einem Bild, das er malte, habe ihn die Psychologin aufgesucht und ihn nach seinem Befinden gefragt. "Es war ein sehr düsteres Bild und recht blutig. Ich hatte mir zuvor bei der Küchenarbeit versehentlich in den Finger geschnitten und das Blut verwendet." Dieses Werk ist in der Ausstellung jedoch nicht zu finden. Galerist Martin Ziegelmayr hat die 28 Exponate selbst aus dem 70-teiligen Zyklus ausgewählt und sie McQueen abgekauft.

    Die Schablone für dieses Bild hat der Künstler aus Einwegrasierern gebastelt.
    Die Schablone für dieses Bild hat der Künstler aus Einwegrasierern gebastelt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Nicht nur, weil er dem jungen Künstler nach der Haft beim Start in die Freiheit finanziell unter die Arme greifen wollte, wie Ziegelmayr sagt. Sondern auch, weil er von den Arbeiten überzeugt sei. "Ich kannte ihn schon vor seiner Haft. Aber am besten habe ich ihn in der Haftzeit durch die Bilder kennengelernt, in denen er sein Innerstes herausgekitzelt hat", erzählt der Galerist. Verkäuflich seien die Werke nicht, Interessenten könnten Drucke erwerben. "Pro Motiv gibt es aber nur drei Stück." Er habe schon viele Nachfragen, meint Ziegelmayr. Bis zur Finissage, die für den 11. August geplant ist, soll ein Katalog fertiggestellt sein. Die restlichen Bilder, erzählt der Künstler selbst, bewahre seine Frau auf. Bernhard McQueen will nicht, dass sie zu Hause aufgehängt werden. Sie erinnern ihn zu sehr an eine Zeit, die er vergessen möchte.

    Unsere Video-Serie "Im Knast – Hinter den Mauern der JVA Gablingen" führt exklusiv hinter die Kulissen von Bayerns modernstem Gefängnis. Die dreiteilige Gefängnis-Doku sehen Sie kostenlos auf YouTube – oder hier auf unserer Internetseite:

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