Zumindest ein bisschen wird Augsburgs Puls demnächst nach Ereignissen schlagen, die weit außerhalb des Stadtgebiets stattfinden. Die Fußball-EM in Deutschland beginnt – und wenngleich Augsburg kein Spielort ist, so werden doch viele die Partien verfolgen. Rund 77 Prozent der Stadtbevölkerung haben laut Statistikamt unmittelbaren Bezug zu einer Teilnehmernation – 50 Prozent als Deutsche ohne, 27 Prozent als Menschen mit entsprechendem Migrationshintergrund. So mancher Daumen wird aber wohl nicht nur aus Privatvergnügen gedrückt. Denn für verschiedene Branchen in Augsburg bedeutet die Heim-EM vor allem eines: eine Chance.
Götz Beck ist einer derjenigen, die Hoffnungen ins Turnier setzen. Der Augsburger Tourismusdirektor sieht vor allem zwei vielversprechende Faktoren – allen voran die Nähe zu München. Dadurch werde der Tourismus in Augsburg "sicherlich profitieren", sagt er. In welchem Ausmaß sei derzeit noch nicht abzusehen, er gehe aber davon aus, dass etwa Hotels im Umfeld des Hauptbahnhofs und mit guter Verkehrsanbindung nach München gefragt seien. Man könne zudem mit positiven Effekten auf Bereiche wie Museen oder Stadtführungen rechnen. Viele der Gäste kämen aus Osteuropa, sagt Beck und verweist darauf, dass – neben Schottland und Dänemark – auch die Ukraine, Rumänien, Slowenien und Serbien in München spielen werden.
Heim-EM wirkt sich auf Tourismus, Hotellerie, Gastro und Handel aus
Doch nicht nur deshalb ist davon auszugehen, dass demnächst viel Serbisch in Augsburg zu hören sein wird. Die Nationalmannschaft hat ihr Lager im Hotel Maximilian's aufgeschlagen – und dürfte somit viele Landsleute in die Stadt locken. Auch darin sieht Beck eine Chance, sogar eine eigene Initiative namens "Augsburg Calling" entstand deshalb. Serbische Fans, die Trikots oder sonstige Fan-Kleidung tragen, können kostenlos an Stadtführungen teilnehmen oder verschiedene Museen besuchen. Wie lange die Aktion läuft, hängt laut Beck vom Turnierverlauf ab. Die Nationalmannschaft hat zwei Etagen im Maximilian's für die gesamte Turnierdauer reserviert – scheidet sie früher aus, liegt das unternehmerische Risiko beim Hotel.
Auch sonst dürfte der Turnierverlauf maßgeblich darüber entscheiden, wie stark die Heim-EM auf Augsburg ausstrahlt. Dabei kommt es insbesondere auf das deutsche Team an, wie Leo Dietz vom Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Augsburg betont. Wenn die Mannschaft weit komme, sei dies sicher positiv, sagt er und verweist etwa auf die diversen "Public Viewing"-Standorte. Bei einem frühen Ausscheiden allerdings sei der "positive Effekt für die Gastronomie vorbei", dies zeige die Erfahrung aus früheren Turnieren. Wichtig sei immer auch das Wetter, betont indes Max Kuhnle, Chef der Brauerei Thorbräu. Er versorgt unter anderem das Freiluft-Schauen am Helmut-Haller-Platz in Oberhausen mit Bier. Wenn gutes Wetter und sportlicher Erfolg zusammenkämen, könne sich das auf Absatz und Stimmung auswirken. Auch aufgrund der vergangenen Misserfolge des deutschen Teams habe er bislang aber das Gefühl, dass es noch etwa an Euphorie fehle. Einer Dehoga-Umfrage zufolge glauben 15 Prozent aller Hotels und Gaststätten, dass sich die Umsätze durch die EM verbessern.
Augsburg profitiert von Nähe zu München und Serbiens Nationalmannschaft
Optimistischer klingen da Stadt und Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben. Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle spricht von "kleinen und kurzfristig positiven Effekten", die IHK rechnet nach Auskunft von Sprecher Ercin Özlü mit "wirtschaftlichen Impulsen" für Augsburg. Besonders profitierten Tourismus, Hotellerie und Gastronomie. "Fans, Veranstalter, Sponsoren und Partner, Journalisten – es gibt viele Menschen, die für einen gewissen Zeitraum beherbergt und verpflegt werden wollen", sagt er. Es gebe auch Effekte, die über die EM hinausreichten. "Nicht zu unterschätzen ist die langfristige Image-Wirkung: Wer über die EM 2024 Augsburg kurz kennengelernt hat, kommt vielleicht wieder oder empfiehlt die Stadt Freunden und Bekannten." Auch die Anwesenheit der serbischen Nationalmannschaft erhöhe die internationale Sichtbarkeit Augsburgs, "was langfristige touristische Vorteile mit sich bringt."
Dass Großturniere sich auch im Handel bemerkbar machen können, zeigte die Heim-WM 2006. Laut IHK brachte sie in diesem Bereich bundesweit einen geschätzten zusätzlichen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro ein. In Augsburg ist die Stimmung im Handel derzeit gedrückt, nicht nur wegen des Karstadt-Aus. Andreas Gärtner sieht in der EM eine Chance zum Umschwung. "Gefühlt jagt momentan ein negatives Stimmungsbild das nächste – mit zwei, bestenfalls drei oder vier Wochen Euphorie kann sich das drehen", sagt der Geschäftsführer des schwäbischen Handelsverbands. Dabei gehe es weniger um verkaufte Fanartikel wie Trikots, sondern um die allgemeine Konsumlaune. "Der Handel ist extrem stimmungsabhängig", betont er. Es brauche einen "positiven Anstoß, dass wir rauskommen aus dem Krisenmodus". Die EM könne das leisten.
"Zurückhaltung" bei Tagungen und Kongressen wegen Fußball-Turnier
Die EM wirft aber auch Schatten, wenngleich zarte. So finden laut IHK währenddessen weniger Tagungen oder Kongresse statt. Entsprechend ist bei Hotels, die darauf spezialisiert sind, "Zurückhaltung" zu spüren, wie Leo Dietz von der Dehoga berichtet. Zudem kann es laut IHK sein, dass die Leute teils stärker auf ihr Geld schauten. Wer sich etwa zur EM einen neuen Fernseher gekauft habe, spare möglicherweise an anderer Stelle. "Die Konsumausgaben verschieben sich also häufig nur."