Was fragt man als Journalist einen wie Arthur Fergg, wenn es um sein Leben als Politiker und Gewerkschafter geht, wenn zu einem hohen, runden Geburtstag am Wohnzimmertisch im Herrenbach eine Bilanz gezogen werden soll? Man kann sich der Person Fergg natürlich über die Biografie nähern: Er wurde am 11. Juli 1934 in Kaufbeuren geboren, seine erste Arbeit fand er in der „Th. Momm & Co. Baumwollspinnerei und Weberei GmbH“ und knüpfte dort erste Kontakte zu Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbewegung, studierte dann an der Sozialakademie Dortmund.
1960 kam er nach Augsburg, zunächst zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) als Leiter der Rechtsstelle, später wurde er 1. Bevollmächtigter der mitgliederstarken IG Metall, die damals für die Einführung der 35-Stunden-Woche und gegen Massenentlassungen bei großen Arbeitgebern wie der MAN kämpfte. Zu einer von Fergg organisierten Kundgebung kamen am 28. Oktober 1983 über 6000 Menschen auf den Augsburger Rathausplatz.
Mit einem, der mit seiner direkten Art Menschen mobilisierte, wollte auch die Augsburger Sozialdemokratie glänzen: 1972 kam Fergg auf die Stadtratsliste und zog ins Rathaus ein. Von 1987 bis 1989 war er auch Unterbezirksvorsitzender der Augsburger SPD.
Als in der Augsburger SPD der Zwist über die Zukunft tobte
Es waren bewegte Zeiten damals. In der SPD tobte der Zwist über das Papier „Wandel und Erneuerung“ des im Juni 2021 verstorbenen SPD-Oberbürgermeisters Hans Breuer. Fergg stand in dem Streit an Breuers Seite, der die Genossen aus muffigen Vorort-Hinterzimmern herausführen und zu nahbaren Akteuren der Politik vor Ort machen wollte. Auf Betreiben Breuers wurde Fergg 1984 vom Stadtrat zum 3. Bürgermeister mit den Fachgebieten Wirtschaft, Verkehr, Liegenschaften und Stadtentwicklung gewählt.
In seiner sechsjährigen Amtszeit brachte er vieles auf den Weg, das heute noch Wirkung zeigt. So führte beispielsweise Augsburg als erste deutsche Großstadt eine Parkraumbewirtschaftung ein, wie sie heute überall gang und gäbe ist. Den zahlreichen, daraus entstehenden Konflikten, etwa mit der Einzelhandelslobby, ging Fergg nie aus dem Weg. Auch andere Fixpunkte setzte der Wirtschaftsbürgermeister: Die Messe-GmbH wurde aus der Taufe gehoben und das Messegelände mit neuen, festen Hallen gebaut. Das Quartier um die ehemaligen Ladehöfe am Bahnhof in der Halderstraße wurde aus dem Boden gestampft, Unternehmen investierten in Augsburg – Siemens mit der damals größten Computerproduktion Europas oder MT-Aerospace, wo Teile der Weltraumrakete Ariane gefertigt werden.
So war es kein Wunder, dass Fergg nach dem überraschenden Verzicht Hans Breuers auf eine erneute OB-Kandidatur von den Sozialdemokraten auf den Schild des OB-Bewerbers gehoben wurde. Die Wahl am 18. März 1990 endete für Fergg in einem Debakel: Sein CSU-Konkurrent Dr. Peter Menacher gewann im ersten Wahlgang mit 50,7 Prozent, Fergg kam lediglich auf 30,0 Prozent. Sein Verhängnis war gewesen, dass mit Menacher nicht nur ein Kandidat einer nach jahrelangen Streitereien wiedervereinigten CSU gegen ihn antrat. Auch die SPD-internen Konflikte hatten ihm ein Bein gestellt: Im Wahlkampf hatten ihn die SPD-internen Gegner von Wandel und Erneuerung „am ausgetreckten Arm verhungern lassen“, wie es damals ein führender Wahlkämpfer aus Ferggs Truppe ausdrückte.
Nach der Kommunalwahl 1990 ging Arthur Fergg auf Tauchstation
Fergg zog radikal die Konseqenzen, ging auf Tauchstation. Er trat von allen Partei- und öffentlichen Ämtern zurück und beendete sämtliche Vereinsmitgliedschaften. Trauma Niederlage? 34 Jahre später, beim Interview im Wohnzimmer, kann Fergg über diese Frage nur lachen. Der 90-Jährige erzählt auch ungefragt, dass er „immer noch“ SPD-Mitglied ist: „Die SPD ist für mich die Partei eines Willy Brandt, eines Helmut Schmidt. Der bleibe ich treu.“ Natürlich macht ihm die fortschreitende Verzwergung der einstigen Volkspartei Sorgen. Nur sich engagieren oder das Wort in politischen Debatten ergreifen, das will er nicht mehr.
Dabei ist er immer noch bestens informiert, liest täglich zwei Tageszeitungen, kämpft mit seinem Laptop („In meiner aktiven Zeit standen PCs nur in den Vorzimmern, meinen habe ich erst zum 80. Geburtstag bekommen.“) und freut sich an seinem Garten. Nur auf die ausgedehnten und anspruchsvollen Bergtouren, bei denen er noch bis vor fünf Jahren entspannte, muss er heute verzichten: Die Beine machen nicht mehr mit. Auf kurze Strecken genügt der Gehstock, bei weiteren Spaziergängen mit Ehefrau Erika ist er auf den Rollator angewiesen. Deswegen muss er seit einiger Zeit auch auf Stadionbesuche beim FCA verzichten: „Ja, man kann die Spiele auch zu Hause am Fernseher anschauen. Aber das ist halt nicht das Gleiche.“
Arthur Fergg ist, das merkt man beim Gespräch, mit sich selbst und seiner Geschichte im Reinen. Ratschläge an seine Nachfolger in der aktuellen Stadtspitze mag er deshalb auch nicht geben: „An der Kommunalpolitik bin ich nicht mehr interessiert.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden