Die vom Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer geplante Pkw-Maut für Ausländer scheiterte bekannterweise. Ein ähnliches Einnahmemodell wurde in Augsburg jahrhundertelang erfolgreich praktiziert. Was es damit auf sich hatte.
Bereits im Jahr 1418 hatte die Freie Reichsstadt Augsburg das königliche Privileg erhalten, einen Pflasterzoll einzufordern. Auslöser war der Beginn der Steinpflasterung von Augsburger Straßen. Der Pflasterzoll wurde nicht auf die Ware, sondern auf das Transportmittel erhoben. So zählte bei Fuhrwerken die Anzahl der Zugtiere, somit die „Pferdestärke“. Diese Straßenbenutzungsgebühr musste von Auswärtigen bis ins 19. Jahrhundert an den elf Stadttoren entrichtet werden.
Nach der Aufhebung der Festungseigenschaft durch den bayerischen König 1866 und mit der Industrialisierung breitete sich Augsburg außerhalb der Stadtmauern aus. Stadtbaurat Ludwig Leybold ließ deshalb im Jahr 1873 sechs Pflasterzollstationen an den Ausfallstraßen neu errichten. Sie lagen bevorzugt bei den Lech- und Wertach-Brücken, um ein Umfahren zu verhindern. Später kamen weitere Stationen hinzu. So wurde bis vor 100 Jahren an neun Stationen von auswärtigen Fuhrleuten und Autofahrern ein Pflasterzoll verlangt. Die Einnahmen sollten dem Straßenausbau und Straßenunterhalt dienen.
Die erhalten gebliebene Pflasterzollstation Nr. 2 findet man südwestlich der Hochzoller Lechbrücke. Dieser Zweckbau hatte zur Straße hin ein Schalterfenster, von dem aus eine Schranke betätigt werden konnte. Das Gebäude mit der Adresse „Friedberger Straße 94“ wird nun vom städtischen Mobilitäts- und Tiefbauamt als Lager genutzt. Während des Heiligen Römischen Reichs stand gegenüber eine andere Zollstation. Hier erhob das Reichsstift St. Ulrich und Afra bis ins Jahr 1802 eine Benutzungsgebühr für die heutigen Afrabrücke. Dieses Ulrich'sche Brückenzollhaus und auch eine kurfürstlich-bayerische Mautstation am anderen Lech-Ufer sind schon lange verschwunden.
Ein Siedlerhaus in Siebenbrunn wurde einst zur Zollstation
Die Pflasterzollstation Nr. 9 wurde im Jahr 1910 nach der Eingemeindung von Meringerau im neuen Stadtteil Siebenbrunn eingerichtet. Als Lokalität nutzte man ein Siedlerhaus von 1881 an der heutigen Siebenbrunner Straße mit der immer noch gültigen Adresse „Siebenbrunn 32“. Dort kreuzt der mittlerweile ausgetrocknete Ochsenbach die Straße, sodass die Schranke nicht umfahren werden konnte. „Meine Mutter war hier als städtische Zöllnerin tätig“, erzählt Arno Weißenbach. Der 87-jährige Siebenbrunner ist in der ehemaligen Zollstation aufgewachsen. Er kann noch Unterlagen vorweisen, in denen die Kosten für Gebäudeumbau und Gebäudeunterhalt der Stadt in Rechnung gestellt wurden. Diese abgelegene Zollstation galt als rentabel, denn etliche Fuhrleute und Autofahrer wollten den damals schon stauträchtigen Bereich um das Rote Tor umgehen.
Jedoch spielte der Pflasterzoll immer nur eine untergeordnete Rolle bei den städtischen Einnahmen. Die Hyperinflation von 1923 sorgte schließlich dafür, dass der Augsburger Pflasterzoll nach mehr als fünf Jahrhunderten ausgesetzt wurde. Nach der Einführung einer Reichskraftfahrzeugsteuer im Jahr 1928 durften dann die Kommunen keine Gebühren mehr für die Straßenbenutzung verlangen.
Keinerlei Bezug zum städtischen Pflasterzoll haben zwei andere erhalten gebliebene Augsburger Zollgebäude. Gemeint sind das markgräflich-burgauische Zollamt von Kriegshaber in der Ulmer Straße 182 und die königlich-bayerische Mauthalle in der Hallstraße 5, nun Teil des Holbein-Gymnasiums. Ein kleiner Fachwerkbau am Jakobertor wird auch als Zollhaus bezeichnet, aber diente nie als solches.
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