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Augsburg: Alleinunterhalter "Gustl Mair": Stadtführungen der etwas anderen Art

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Alleinunterhalter "Gustl Mair": Stadtführungen der etwas anderen Art

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    Hans-Rainer Mair, der sich bei den Rundgängen Gustl Mair nennt, führt mit Gitarre und Notenblatt durch die Stadt.
    Hans-Rainer Mair, der sich bei den Rundgängen Gustl Mair nennt, führt mit Gitarre und Notenblatt durch die Stadt. Foto: Annette Zoepf

    An diesem Abend ist es immer noch sehr heiß, auf Augsburgs Straßen ist viel los. Gustl Mair steht mit einer kleinen Gruppe von Fahrradfahrern dicht gedrängt auf dem Gehweg vor dem Vogeltor. Sie hören etwas über den Mythos, dass Augsburg mehr Brücken als Venedig habe, als plötzlich ein junger Mann neben der Gruppe anhält und den Vortrag von Mair unterbricht. Der Stadtführer, der eigentlich Hans-Rainer Mayer heißt, lässt den Störenfried ausreden und sagt dann unverblümt: "So, aber jetzt kannst di wieder schleich'n!" Nach einer eigenartigen Geschichte über das Vogeltor, einen Stadtrat und einen Baumeister folgt eine Fahrradtour durch die Innenstadt bis ins Hettenbachviertel. Um mit dem 73-Jährigen – ausgestattet mit großem Liederbuch am Lenker und einer Gitarre auf dem Rücken – mithalten zu können, muss man ganz schön in die Pedale treten. 

    Gustl Mair ist, wie er sich selbst bezeichnet, ein "Geburts-Augsburger" und hat eine große Leidenschaft für seine Heimat. Seit über 20 Jahren bringt er das durch seine drei "Ms" zum Ausdruck: Musik, Malerei und "musikalische Stadtführungen". Er schreibt Lieder über Stadtteile, singt Roy Black oder Songs wie "D'r Keenig von Augschburg" und malt seinen Geburtsort aus der Vogelperspektive. Oder er radelt eben mit Gitarre und kleiner Gefolgschaft durch die Gassen. Seine Spezialität: "Augsburg anders". Die Führung unterscheidet sich nicht nur wegen des Fahrradfahrens und der Gitarre von den bekannten Touren. Schon auf der eigens kreierten Website wird man vorgewarnt: "Die Stadttour verlangt nicht (…), dass man mit Intellektuellen-Stirnfalten den Bildungsbeflissenen mimen muss". So erläutert Mair beispielsweise auch jene Merkmale der Stadt, die seiner Einschätzung nach wohl nicht so wichtig sind. Der Georgsbrunnen gegenüber der Stadtmetzg beispielsweise, der sei zwar schön, aber nur "reduziert historisch"; oder das "Zigarrenhaus H. Mozart“ am Mittleren Graben – das habe eigentlich nichts mit dem großen Musiker zu tun. Auch über größere Bauwerke erfährt man Mairs ehrliche Meinung: Die Herz-Jesu-Kirche in Pfersee etwa, die sei zwar "außen greislich, aber innen eine der schönsten Kirchen von Deutschland". 

    Stadtführer Mair: "Die beste Universität waren meine vielen Reisen"

    1949 geboren, ging Mair in Augsburg zur Schule und machte eine Lehre zum Reisebürokaufmann. Mitte 20 verließ er seine Heimat und war viele Jahre als Reiseleiter und später als Tourismus-Manager unterwegs. Erst mit 42 Jahren kam er aus familiären Gründen nach Augsburg zurück. Mair studierte danach Medienmarketing und arbeitete einige Zeit für Radio Kö und Augsburg TV. "Ich war schon damals sehr an Computern interessiert", erinnert sich der 74-Jährige. Deswegen wechselte er irgendwann in die Softwarebranche und machte sich selbstständig. Bald nahm er Gesangsunterricht und lernte Gitarre spielen, als er sich schließlich neu erfand: "Ich habe geschaut, in welchem Bereich noch nichts angeboten wurde, und als Musiker dachte ich, ich könnte ja eine Stadttour anbieten." Die unzähligen Erfahrungen aus den über 60 bereisten Ländern fließen in die Touren mit ein. "Die beste Universität waren meine vielen Reisen", ist Mair ohnehin überzeugt. "Davon habe ich viele Eindrücke und Erfahrungen mitgebracht." Seit Anfang 2000 sieht er sich als freischaffender Künstler. 

    Gustl Mair (bürgerlich Hans-Rainer Mayer) singt "Eine Insel mit zwei Bergen" vor dem Roten Tor.
    Gustl Mair (bürgerlich Hans-Rainer Mayer) singt "Eine Insel mit zwei Bergen" vor dem Roten Tor. Foto: Annette Zoepf

    Was treibt den Senior an, noch immer bei heißem und schlechtem Wetter mit dem "Radl" durch die Stadt zu fahren und einer Handvoll Unbekannten von Augsburg zu erzählen? "Es macht keinen Sinn, sich über Altersverfall zu beklagen", antwortet der 74-Jährige, "mir geht's ums aktuelle Leben." Das ist zwar eine offene Antwort, aber man kann sich den Grund erschließen. Die Prägungen aus den Jahrzehnten im Tourismus, die große Leidenschaft für Augsburg und seine aufgeweckte Art scheinen in den Stadtführungen perfekt vereint zu sein. Ellen Burkhardt ist eine der Teilnehmerinnen an diesem Tag bei "Augsburg anders". Sie sagt: "Man merkt, dass er für die Stadt lebt und ein anderes Gesicht zeigen will." Der Sheridan-Park ist eine solche Facette. Die Fahrradtour macht dort zwar keinen Halt, aber Mair berichtet, wie er als Jugendlicher damals die Amerikaner wahrgenommen hat: "Die Amis waren für uns gottgleich. Sie hatten Bluejeans, Kaugummi und Rock 'n' Roll." Früher hätten die Amerikaner einen großen Teil der Stadtbevölkerung ausgemacht. Das habe die Kultur der Stadt sehr geprägt. 

    Augsburger Stadtführer: Eine Leidenschaft fürs "Hettabachviertel"

    Der Künstler ist zwar großer Fan des schwäbischen Dialekts ("die Sprache einer ethnischen Minderheit in Bayern") und der heimischen Kultur. Er scheint aber ebenso die Vielfalt zu lieben. Das merkt man nirgendwo so sehr wie im Hettenbachviertel. Hier schwärmt der "Geburts-Augsburger" vom "exotischen Flair", erzählt von seinem langjährigen Freund Mustafa und trägt ein paar Verse eines türkischen Liedes vor. Dem "Hettabachviertel" hat der Künstler sogar ein eigenes Lied gewidmet, das „fast wie eine Liebeserklärung“ sei. Darin heißt es: "A echte Gastfreundschaft, des isch a Sach. Es gibt koine Fisch im Hettabach." 

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