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Augsburg: 500 Jahre und voller neuer Ideen: Die Fuggerstiftungen stellen sich neu auf

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500 Jahre und voller neuer Ideen: Die Fuggerstiftungen stellen sich neu auf

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    Die Fuggerei ist eine weltweit bekannte Sozialsiedlung - und Touristenattraktion.
    Die Fuggerei ist eine weltweit bekannte Sozialsiedlung - und Touristenattraktion. Foto: Annette Zoepf

    Was sind 18 Jahre im Verlauf einer 500-jährigen Geschichte? Wenig, möchte man meinen, und doch viel, bedenkt man, dass diese 18 Jahre eine Reihe von Herausforderungen mit sich brachten, allem voran eine weltweite Pandemie. 18 Jahre, so lange stand Maria-Elisabeth Gräfin Thun-Fugger an der Spitze des Fugger'schen Stiftungsseniorats - dem Gremium, das für den Fortbestand der Fuggerei bürgt. Nun, mitten im Jubiläumsreigen für die älteste Sozialsiedlung der Welt, zieht sich die 73-Jährige aus diesem Ehrenamt zurück und übergibt den Vorsitz an Alexander Erbgraf Fugger-Babenhausen, 40. Davon abgesehen gibt es eine zweite personelle Veränderung sowie zukunftsweisende Pläne für Augsburgs wohl bekannteste Sehenswürdigkeit.

    Eigentlich hat Maria-Elisabeth Gräfin Thun-Fugger selbst Geschichte geschrieben: Nach dem frühen Tod ihres Vaters wurde sie 1969 Mitglied im Familienseniorat - als erste Frau in dieser Position seit Gründung der Fugger'schen Stiftungen im Jahr 1521. Obwohl ihr Vater sie früh auf diese Verantwortung vorbereitet hatte, bereitete ihr "ihre Fuggerei" immer wieder schlaflose Nächte, vor allem, seit Gräfin Thun-Fugger 2004 den Vorsitz des Seniorats übernommen hatte. "Man will nach all den Jahrhunderten ja nicht die Generation sein, die es in den Sand setzt", sagte sie vor Kurzem in einem Gespräch mit dieser Redaktion.

    Maria Elisabeth Gräfin Thun-Fugger hat den Vorsitz des Familienseniorats in jüngere Hände übergeben.
    Maria Elisabeth Gräfin Thun-Fugger hat den Vorsitz des Familienseniorats in jüngere Hände übergeben. Foto: Annette Zoepf

    In der Pandemie brachen die beiden Haupteinnahmequellen weg

    Und natürlich gab es schwierige Zeiten, die vergangenen zwei Jahre zählten dazu: Durch die Corona-Pandemie brachen die beiden Haupteinnahmequellen weg, der Tourismus und die Forstwirtschaft. Kaum einer war in Zeiten des grassierenden Virus noch in Reiselaune, Touristen aus Italien und Asien fehlen teils bis heute. Während Corona sanken auch die Holzpreise. Der Wald, der den Stiftungen über Jahrhunderte verlässliche Einnahmen sicherte, war plötzlich keine Basis mehr, auf die man bauen konnte. Schwierige Bedingungen für eine Stiftung, die jährlich viel Geld investiert in den Erhalt von Wohnraum für rund 150 Personen. So viele Menschen leben aktuell in der Fuggerei. Sie zahlen eine Jahreskaltmiete von 88 Cent, weitere 88 Cent für den Fuggerei-Pfarrer sowie die Kosten für Heizung, Strom und Müll kommen hinzu. Der Preis entspricht damit noch immer jenem, den Jakob Fugger festgelegt hatte: einen Rheinischen Gulden, einst der Wochenlohn eines Handwerkers. Doch diese Einnahmen decken bei Weitem nicht die Kosten, die zum Erhalt der 142 Wohnungen aufzubringen sind.

    Etwa 150 Menschen leben aktuell in der Augsburger Fuggerei.
    Etwa 150 Menschen leben aktuell in der Augsburger Fuggerei. Foto: Annette Zoepf

    Das Stiftungsseniorat hat über all die Jahrhunderte stets Lösungen für solche und andere Probleme gefunden, auch wenn dafür viel diskutiert und hart gerungen wird. Drei Linien des Hauses Fugger bestehen bis heute, sie alle gehen auf die Söhne von Jakob Fuggers Bruder Georg zurück, da Stiftungsgründer Jakob Fugger selbst kinderlos blieb. Von Georg Fuggers älterem Sohn Raymund stammt die Linie Fugger-Kirchberg ab, vom jüngeren Sohn Anton Fugger die beiden Linien Fugger von Glött und Fugger-Babenhausen. Alle drei Häuser entsenden je einen stimmberechtigten Vertreter ins Familienseniorat. Den Vorsitz dort führt ein von allen drei Linien gewähltes Senioratsmitglied, seit Kurzem ist dies nun Alexander Erbgraf Fugger-Babenhausen.

    2014 stieg er als ehrenamtliches Mitglied im Vorstand der Stiftungen ein, seit 2008 leitet er hauptamtlich als Chef seiner Linie die Fürst Fugger Zentralverwaltung auf Schloss Wellenburg. Seine Linie übernimmt damit erstmals seit 1906 wieder den Vorsitz der Stiftungen. "Die Aufgabe im Jubiläumsjahr übernehmen zu dürfen, ist eine große Ehre für mich, insbesondere weil die Ausrichtung der Stiftungen für die Zukunft ein herausfordernder Prozess ist", sagt der neue Vorsitzende. Er spricht damit eine Idee an, die die Stiftung 2021, dem Jahr des 500. Fuggerei-Jubiläums, öffentlich machte: Die Idee der Fuggerei soll weltweit Nachahmer finden, in Afrika und Litauen gibt es bereits erste Interessenten für diese Fuggerei der Zukunft.

    Alexander Erbgraf Fugger-Babenhausen ist neuer Vorsitzender des Stiftungsseniorats.
    Alexander Erbgraf Fugger-Babenhausen ist neuer Vorsitzender des Stiftungsseniorats. Foto: Fugger'sche Stiftungen

    Das Familienseniorat erfüllt damit auch einen Wunsch, den Jakob Fugger im 16. Jahrhundert festgelegt hatte: Er stiftete die Fuggerei "in exemplum" - also als Vorbild für ähnliches soziales Engagement. Der neue Senioratsvorsitzende - ein Ökonom, der in Boston studiert und in London gearbeitet hat - weiß um die Verantwortung, die auf ihm ruht, doch er ist zuversichtlich: "Das große Interesse an der Fuggerei beweist, wie inspirierend die Idee der Fuggerei als soziale Heimat auch noch nach 500 Jahren ist."

    Als neue Vertreterin der Linie Fugger-Kirchberg trat mit dem Abschied von Maria-Elisabeth Gräfin Thun-Fugger ihre Tochter Isabella Gräfin Thun-Hohenstein ins Familienseniorat ein. Ihr erster offizieller Termin könnte im Mai die Eröffnung des Fugger-Pavillons auf dem Augsburger Rathausplatz sein. Mit diesem einem Fuggereihaus nachempfundenen Holzbau geht im Frühjahr die 500-Jahr-Feier der Fuggerei weiter, die 2021 durch Corona eher klein ausfiel. Im Pavillon können sich Besucherinnen und Besucher über Stiftungen im Allgemeinen informieren, es soll Diskussionsveranstaltungen zu verschiedenen Themen geben. Auch die Idee einer Fuggerei der Zukunft wird dort konkretisiert. Damit es, ganz im Sinne Jakob Fuggers, auch dafür bürgerschaftliches Engagement geben kann, haben die Fugger'schen Stiftungen jüngst eine Fuggerei-Förderstiftung gegründet. Sie ist unter dem Dach der Stadtsparkasse angesiedelt, wer einzahlt, kann damit zum kleinen oder großen Förderer dieser 500 Jahre alten Idee aus Augsburg werden.

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