Wenn Hasan Mahmoud durch Augsburg geht, findet er, die Stadt ist sehr international und im Wesentlichen friedlich: „Die Stimmung ist gut, man hat nicht das Gefühl, bedroht oder außen vor zu sein.“ Der 29-Jährige ist einer von denen, die 2015 aus dem Bürgerkriegsland Syrien nach Europa flohen. Inzwischen studiert er Deutsch als Fremdsprache an der Universität und dolmetscht für verschiedene Behörden. Das Wichtigste jedoch ist ihm die Musik: „Ich bin Hiphopper, Rapper, das ist meine Leidenschaft und Identität.“ Seinen Bachelor wird er noch in diesem Jahr in der Tasche haben. Neun Jahre in Deutschland und schon Akademiker.
Wie Mahmoud ist auch Efraim an diesem Abend im Kleinen Goldenen Saal und verfolgt den Festakt zum 50. Geburtstag des Integrationsbeirates. Der 16-Jährige wurde in Augsburg geboren, stammt aus einer syrisch-orthodoxen beziehungsweise aramäischen Flüchtlingsfamilie, die 1980, kurz nach dem Militärputsch der Türkei, aus dem Stammland der Christen im Südosten des Landes nach Augsburg floh und Asyl bekam. Er engagiert sich in der CSU und im Mesopotamienverein der syrisch-orthodoxen Christen – eine der frühen, schon 1972 gegründeten Organisationen, die sich immer auch für die Gesamt-Situation der Einwanderer in Augsburg einsetzte. Er ist Christ, besucht das Peutinger-Gymnasium. Wie bei Mahmoud spricht auch seine Physiognomie für eine Herkunft aus dem Nahen Osten. Mitunter ernten sie dafür von Deutschen skeptische Blicke, sagen beide: „Ich spüre dann, dass sie mich in eine bestimmte Ecke stecken“, sagt Efraim. Auch von extremistisch-muslimischer Seite werde er manchmal für einen Islamisten gehalten. „Nur wegen meines Aussehens sehen beide Seiten in mir etwas Extremes, das ist wirklich nervig“, sagt er.
Mit etwa 120 Gästen aus Politik und Zivilgesellschaft feierte der Integrationsbeirat an diesem Samstagabend seinen 50. Geburtstag. Zum Festakt im Kleinen Goldenen Saal sprachen Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), der Integrationsbeauftragte der bayerischen Landesregierung, Karl Straub (CSU) und Augsburgs Bildungsreferentin Martina Wild (Grüne). Am Festakt nahmen zudem der Landtagsabgeordnete Cemal Bozoglu (Grüne) sowie Stadträte verschiedener Parteien, darunter Serdar Akin (Grüne), Florian Freund (SPD) und die Vorsitzende des Dachverbandes der kommunalen Integrationsbeiräte in Bayern, Mitra Scharifi, teil.
Eine Arbeit am Rand der Gesellschaft und ohne Anerkennung
Die Vorsitzende des Beirats, Didem Karabulut, erklärte: „Die Geschichte des Beirates ist ein Kampf um Gleichberechtigung, geleistet von Menschen, die oft ohne Anerkennung am Rand der Gesellschaft arbeiteten.“ Karabulut, die den Beirat seit 2019 führt, weiß, wovon sie spricht. Ihre Familie floh ebenfalls nach dem türkischen Putsch von 1980 und lebte zehn Jahre lang mit Kettenduldungen in einer Flüchtlingsunterkunft. „Warum engagieren wir uns gegen Rassismus und für Teilhabe? Weil wir wissen, dass Vielfalt für die Demokratie nicht nur gut, sondern notwendig ist“, sagt sie und erntet großen Applaus.
Kulturstaatsministerin Roth rief die 80er und 90er Jahre in Erinnerung. „Die Opfer der Anschläge in Mölln, Solingen, des NSU und in Hanau sind auch unsere Opfer, ihre Trauer ist unsere, sie gehört zu unserer kollektiven Erinnerung.“ Im Publikum saßen auch die Pioniere und Vorsitzenden verschiedener Etappen des Integrationsbeirates. Auf die Bühne gebeten wurden die Zeitzeugen nicht. Efraim ist trotzdem zufrieden. Zum ersten Mal hört er heute, dass es so etwas wie den Integrationsbeirat gibt. „Das finde ich richtig gut.“ Er wünscht sich: „Die Biodeutschen sollten besser unterscheiden zwischen denen, die integriert sind oder sich integrieren wollen, und denen, die daran kein Interesse haben. Das wäre für uns alle gut.“
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