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Augsburg: 31 Jahre bei der Drogenhilfe: Jürgen König sieht in Augsburg noch viel Arbeit

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31 Jahre bei der Drogenhilfe: Jürgen König sieht in Augsburg noch viel Arbeit

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    Er hat schon oft Blumen auf Gräber seiner „Klienten“ legen müssen – Jürgen König hat mehr als drei Jahrzehnte lang als Streetworker für die Drogenhilfe gearbeitet.
    Er hat schon oft Blumen auf Gräber seiner „Klienten“ legen müssen – Jürgen König hat mehr als drei Jahrzehnte lang als Streetworker für die Drogenhilfe gearbeitet. Foto: Silvio Wyszengrad

    Wenn Jürgen König Marian trifft, freut er sich. Sie sind fast gleich alt und dass Marian noch lebt, grenzt fast an ein Wunder. Sei Jahrzehnten in der Szene, hat ihn der Drogenmissbrauch zwar gezeichnet, aber bisher hat ihn der 62-Jährige überlebt. Das ist eher eine Ausnahme.

    Jürgen König, der 1989 bei der Drogenhilfe als Streetworker anfing und jetzt in Rente geht, stand oft an Gräbern und legte Blumen auf Steine. „Der Tod gehört bei mir zum Geschäft, aber es tut jedes Mal verdammt weh.“ Wie bei Denise, die mit 29 Jahren starb. Sie konsumierte eine Mischung aus Methadon, war also substituiert, den Kick bekam sie durch Kräutermischungen, die sie am Ende das Leben kosteten. Bei Drogenkranken sind diese Mischungen inzwischen wieder schwer angesagt, weiß König.

    Er hat viel gesehen in seinem Arbeitsleben, aber nie die Zuneigung und den Respekt vor den Kranken verloren. Er wusste, das ist es, als 1989 ein Anruf von Hermann Rosenkranz, dem damaligen Leiter der Drogenhilfe, kam. Rosenkranz war der Mann, der in Augsburg sämtliche Drogeneinrichtungen aufbaute und damals einen Mitarbeiter suchte, der selbst über Drogenerfahrungen verfügte, die über einen Joint hinausgingen. Jürgen König, der schon vorher ehrenamtlich neben seinem Pädagogik-Studium (18 Semester) Abhängige in den Gefängnissen besucht hatte, sagte sofort zu – und wusste schnell, wo sich seine „Kundschaft“ traf: im Lady Bum und einigen umliegenden Kneipen am Kö.

    Oberhauser Bahnhof ist der Treffpunkt der Augsburger Drogenszene

    Inzwischen hat sich die Szene umorientiert und trifft sich vor allem am Oberhauser Bahnhof. Vor allem der "BeTreff" ist dort zur Anlaufstelle geworden. Dort bekommen Süchtige etwas Ruhe vor der Szene, neben Gesprächen können sie ihre Spritzen tauschen. Sicherer, als würden sie das auf der Straße tun.

    Für Jürgen König sind das alles Meilensteine in der Drogenarbeit. Denn Anfang der 90er Jahre herrschte absolute Stille zwischen Drogenberatung und Polizei. Während die Drogenhilfe wegen der Aidsgefahr saubere Spritzen an Süchtige verteilte, beschlagnahmte die Polizei sie wieder. Auch König wurde immer wieder durchsucht.

    Trotzdem ist es in den Augen des Streetworkers auch jetzt noch nicht genug, was getan wird. „Wir brauchen Drogenkonsumräume, wie in anderen Bundesländern.“ Das sind Einrichtungen, die einen risikominimierenden, meist intravenösen Konsum von Heroin, Kokain sowie deren Derivaten ermöglichen. Verbunden ist das dort mit der Abgabe von sterilem Spritzbesteck, von Pflastern, Tupfern, Alkotips sowie sterile Einweghandschuhen. Noch ein langer Weg im diesbezüglich konservativen Bayern, befürchtet König.

    Eigentlich könnte sich der frischgebackene Rentner jetzt ganz seinen Hobbys widmen. „Für mich unvorstellbar“, schränkt der 65-Jährige aber gleich ein. „Drogen beschäftigen mich mein ganzes Leben.“ In Zukunft will er als geringfügig Beschäftigter an einem oder an zwei Tagen pro Woche Angehörige beraten. „Es gibt kein Rezept für eine Genesung.“ Immer wieder würden Kinder auch rückfällig und stürzten die gesamte Familie immer und immer wieder in die Verzweiflung. „Suchtbekämpfung ist ein Marathon, kein Sprint.“

    Corona-Pandemie hat Auswirkungen auf die Abhängigen in Augsburg

    Natürlich macht die Corona-Pandemie alles noch schwieriger, da Drogenabhängige am Rande der Gesellschaft stünden und eigentlich mehr Hilfe bräuchten. „Wir bringen derzeit auch Esspakete nach Hause und telefonieren viel.“ Dass Abhängige im Gefängnis sitzen, weil sie Geldstrafen wegen Verletzung der Maskenpflicht nicht bezahlen können, müsste zumindest in den Augen des langjährigen Streetworkers König, der ein großes Herz für die Unangepassten hat, nicht sein.

    Jürgen König hat seine Berufswahl und den oft auch harten Alltag auf der Straße nie bereut. Jetzt wartet er auf seinen Rentenbescheid.

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