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Anschlagsserie auf B2: Lkw-Fahrer angeklagt

Region Augsburg

Anschlagsserie auf der B2: Lkw-Fahrer soll 51 Taten begangen haben

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    Nachdem jemand Steine auf Autos im Bereich der B17 und B2 im Raum Augsburg geworfen hatte, ermittelte die Polizei intensiv. Ein Verdächtiger ist nun angeklagt worden.
    Nachdem jemand Steine auf Autos im Bereich der B17 und B2 im Raum Augsburg geworfen hatte, ermittelte die Polizei intensiv. Ein Verdächtiger ist nun angeklagt worden. Foto: Bellanova/Merk (Archiv)

    Ein Tag im Juni 2022, Mittagszeit: Stefano Bellanova ist gerade auf der B17 in Augsburg unterwegs, als auf Höhe der Stuttgarter Straße von irgendwo ein Stein oder ein Gegenstand in die Windschutzscheibe seines Alfa Romeo kracht. Bellanova fährt auf den Seitenstreifen, muss erst mal verstehen, was gerade passiert ist, der Innenraum ist voller Scherben. Zu der Zeit gab es eine regelrechte Serie von Steinwürfen in der Region, mit Dutzenden Fällen. Als Stefano Bellanova sich wieder berappelt hat, fragt sich der 34-Jährige, von wo der Wurf wohl kam. Von der Brücke, die an der Stelle über die Bundesstraße führt? Ein naheliegender Verdacht. Doch die Ermittler gehen inzwischen von etwas anderem aus. Sie sind sich sicher, dass sie wissen, wer für die meisten Taten verantwortlich war: Florin N., 49 Jahre alt, ein Lkw-Fahrer aus Gersthofen (Kreis Augsburg). Er soll die Steine aus seiner Kabine geworfen haben, während der Fahrt. In der Anklage, die nun vorliegt, werden ihm 51 Würfe zugeordnet.

    Ein Tag im Februar 2023, Mittagszeit: Zwei Männer fahren unabhängig voneinander mit ihren Wagen auf der B2 in Richtung Süden, zwischen Nordendorf und Gersthofen werden beide Fahrzeuge kurz nacheinander von Gegenständen getroffen, in einem Fall bricht ein Stein durch die Windschutzscheibe und bleibt im Inneren des Kleinbusses liegen. Der Fahrer war auf dem Weg zu einer Baustelle, wie er erzählt, normalerweise habe er immer auf der Beifahrerseite Platz genommen, nur an diesem Tag nicht. An diesem Tag bleibt der Beifahrersitz leer, was angesichts der Einschlagsstelle wohl Glück ist. "Sonst weiß ich gar nicht, ob wir uns heute noch unterhalten könnten", sagt der Mann. 

    Die Fälle im Februar sind die letzten der Serie, zwei Tage später wird Florin N. festgenommen, seither sitzt er in U-Haft. Es war ein Durchbruch bei den Ermittlungen; die Serie von Steinwürfen auf Autos hatte im vergangenen Jahr für Verunsicherung unter Fahrern gesorgt, speziell im Landkreis Augsburg, wo besonders viele Steinwürfe gemeldet worden waren.

    Steinwürfe auf der B2 bei Augsburg: Anklage gegen Lkw-Fahrer

    Bereits damals, im Februar, waren sich die Ermittler der Kriminalpolizei sicher, zumindest einen Teil der Serie aufklären und sie Florin N. zuordnen zu können, es ging zunächst um vier Fälle. Doch nach der Festnahme schauten sich die Beamten auch die anderen Taten der Serie noch einmal genau an, befragten die Opfer erneut, ermittelten im Umfeld des Mannes, der bis zu seiner Verhaftung als Lastwagenfahrer für eine Gersthofer Firma tätig gewesen war. Mit dem Ergebnis, dass die Beamten nun überzeugt sind, dass Florin N. einen Großteil der Steinwürfe begangen hat. In der Anklage wirft ihm die Staatsanwaltschaft 26 Fälle des Mordversuchs vor, wie das Landgericht Augsburg auf Anfrage mitteilt. Die vorgeworfenen Taten reichen von Juni 2022 bis Februar 2023.

    Florin N. soll die Steine auf Fahrzeuge geworfen haben, die ihm auf der anderen Seite der Bundesstraßen entgegenkamen. Dafür sprechen nach Informationen unserer Redaktion aus Sicht der Ermittler eine Reihe von Indizien. Zum einen haben sie Videoaufzeichnungen ausgewertet, darunter Aufnahmen von Dashcams - das sind kleine Kameras im Auto, die hinter der Frontscheibe installiert werden. Es heißt, dass der Lkw des 49-Jährigen auf mehreren Aufzeichnungen zu sehen sein soll, kurz bevor Steine die Autos trafen. Zu oft, als dass es aus Sicht der Ermittler Zufall sei könnte. Zum anderen haben die Polizisten dem Vernehmen nach auch beim Bauunternehmen, für das der Verdächtige tätig war, die Fahrtenpläne und Urlaubszeiten abgeklopft. Offenbar mit dem Ergebnis, dass sich die Routen, auf denen der Lkw-Fahrer unterwegs war, mit denen vieler Tatorte überschnitten, anders ist die Anklage wegen so vieler Delikte nicht zu erklären. Hinzu kommt: Seit der Festnahme des Angeklagten wurden keine weiteren Taten dieser Art öffentlich bekannt, die Serie ist seither offenbar vorbei.

    Nach der Festnahme endete die Serie auf der B2 bei Augsburg

    Neben 26 Mordversuchen wirft die Staatsanwaltschaft Florin N. auch noch 25 weitere Delikte der versuchten Körperverletzung vor, wie das Landgericht mitteilt, also insgesamt 51 Würfe, eine enorme Zahl. Der Strafvorwurf des vielfachen Mordversuchs stützt sich offenbar auch auf die Möglichkeit, dass die Fahrer in diesen Fällen angesichts der Wucht des Aufpralls im Schreck das Lenkrad hätten verziehen und tödliche Karambolagen hätten verursachen können. 

    Gravierender könnten die Vorwürfe kaum sein, Florin N. droht eine lebenslange Haftstrafe, sollte die 8. Strafkammer des Landgerichtes die Anklage zulassen und ihn in einem Prozess verurteilen. Der Angeklagte, nach Informationen unserer Redaktion ein rumänischer Staatsangehöriger und Familienvater, der in Gersthofen in einem Mehrparteienhaus lebte, schweigt bislang. Sein Verteidiger Florian Engert sagt auf Anfrage, er könne zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten derzeit keine Stellung beziehen. Was den mutmaßlichen Täter möglicherweise antrieb, kann auch Stefano Bellanova nur mutmaßen. "Aber was immer es war", sagt er, "was kann ich denn dafür?"

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