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An Corona-"Spaziergängen" wird Kritik laut – und am Kurs der Stadt

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An Corona-Protestmärschen in Augsburg wird Kritik laut – und am Kurs der Stadt

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    Sowohl am Sonntag- als auch am Montagabend fanden in der Augsburger Innenstadt unangekündigte Protestmärsche gegen Corona-Maßnahmen statt, sogenannte Spaziergänge.
    Sowohl am Sonntag- als auch am Montagabend fanden in der Augsburger Innenstadt unangekündigte Protestmärsche gegen Corona-Maßnahmen statt, sogenannte Spaziergänge. Foto: Christoph Bruder

    Als der Strom auf Augsburgs Straßen versiegt war, schwappte eine Welle durch soziale Netzwerke. In einschlägigen Gruppen und Chats feierten etliche Nutzerinnen und Nutzer am Montagabend die Bilder und Videos, die vom eben zu Ende gegangenen Protestmarsch kursierten. Zu sehen jeweils: ein Teil der rund 3000 Menschen, die lärmend durch die Innenstadt gezogen waren, von Rathausplatz und Annastraße über Max- und Bürgermeister-Fischer-Straße bis zum Bahnhof und zurück. Es war der zweite unangemeldete "Spaziergang" in Folge - und mit rund 3000 Menschen nicht nur der bislang größte in Augsburg, sondern an diesem Tag auch einer der größten in ganz Bayern. Doch die Bilder, die die Veranstaltung erzeugte, rufen nicht nur Zustimmung hervor. Die Kritik daran wächst - und damit auch an der Stadt.

    Rund 3000 Teilnehmer bei Corona-"Spaziergang" in Augsburg

    Stadt und Polizei sprechen mit Blick auf die jüngsten Demonstrationszüge - am Sonntag waren etwa 1000 Personen gekommen - eine gemeinsame Sprache. Der Tenor: "Das konsequente Sicherheitskonzept von Polizei und Stadt Augsburg ging erfolgreich auf", wie es Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU) formulierte. Sowohl der Gesundheitsschutz als auch die Versammlungsfreiheit seien als Grundrechte gewahrt geblieben. Die für beide Protestmärsche geltende Allgemeinverfügung, die ein Abstandsgebot sowie - sofern dieses nicht eingehalten werden könne - eine Maskenpflicht beinhaltete, habe "mit ihrem klaren Rechtsappell an alle Versammlungsteilnehmenden seine Wirkung entfaltet." Die Versammlungen seien friedlich verlaufen, die Auflagen "nahezu durchgehend" eingehalten worden.

    An dieser Schilderung regt sich nun Kritik vonseiten der Opposition. Frederik Hintermayr, ordnungspolitischer Sprecher der Sozialfraktion aus SPD und Linken, erklärte am Dienstag, Pintschs Darstellung decke sich "schlicht und ergreifend nicht mit Berichten und Bildern der unangemeldeten Demonstration." Während die Veranstalter der Demo sich im Netz dafür feierten, dass keine Abstände eingehalten worden seien und selbst das entsprechende Bildmaterial dazu lieferten, werde seitens Stadt und Polizei erklärt, die Abstände seien eingehalten worden. "Wir erwarten hier eine unmissverständliche Klarstellung des Ordnungsreferenten und von der Stadtspitze eine Strategie für künftige Veranstaltungen dieser Art." Fraktionsvorsitzender Florian Freund ergänzte, es sei "nicht vermittelbar, dass Hunderte zum Großteil Ungeimpfte völlig ohne Infektionsschutz durch die Stadt ziehen." Städte wie München zeigten, dass es Möglichkeiten gebe, unangemeldete Aufmärsche zu ordnen und die Nichteinhaltung von Auflagen zu ahnden.

    Sozialfraktion äußert Kritik nach unangemeldeten Protestmärschen

    Tatsächlich kam es während des Zugs mehrfach zu Situationen, in denen das Mindestabstandsgebot von eineinhalb Metern, das in der Allgemeinverfügung vorgesehen war, nicht eingehalten wurde. Deutlich zeigte sich dies etwa auf der Maxstraße, wo der Zug nach einer Schleife vor St. Ulrich aneinander vorbeilief. Eine Maske trug fast keiner der Demonstrierenden. Warum griff die Polizei, die sich entlang des Zugs an ausgewählten Punkten postierte und sich in geringer Zahl uniformiert unter die Demonstrierenden mischte, nicht konsequenter ein? Auch das Polizeipräsidium Schwaben-Nord erklärt auf Anfrage, die Abstände seien "größtenteils" eingehalten worden. "Die Polizei wird bei der Feststellung von entsprechenden Verstößen auch weiterhin einschreiten, wenn dies in Anbetracht der Gesamtsituation verhältnismäßig ist."

    Seit Beginn der Demonstrationen Ende November hatten Polizei und Stadt mehrfach darauf hingewiesen, dass man mit Blick auf Ausschreitungen in anderen Städten auf Deeskalation setze. Bislang blieb es im Zusammenhang mit den Veranstaltungen friedlich - mit einer Ausnahme: Am Sonntagabend schlug ein Teilnehmer des Protestmarschs einem Mann ins Gesicht. Dieser hatte am Königsplatz Flyer entfernt, die im Rahmen des "Spaziergangs" verteilt worden waren. Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung, bewertet die "Auseinandersetzung" aber als "absoluten Einzelfall". Sie solle nicht zum Anlass genommen werden, die allgemein festgestellte "Friedlichkeit in Frage zu stellen". Am Rand des Zugs am Montagabend kam es vereinzelt zu intensiven Diskussionen zwischen den Demonstrierenden sowie Passantinnen und Passanten. Körperliche Übergriffe blieben jedoch aus. Laut Polizei gab es auch keine "nennenswerten ,Beinahe-Situationen', bei denen die Polizei einschreiten musste."

    Künftig sind in Augsburg regelmäßig Gegen-Demos geplant

    Das Opfer des Übergriffs am Sonntagabend hatte zuvor an einer stationären Demonstration auf dem Königsplatz teilgenommen, die sich auf dem Königsplatz explizit gegen den Corona-"Spaziergang" richtete. Zu dieser Gegen-Demo kamen rund 150 Menschen, darunter viele junge, manche erkennbar aus dem politisch linken Spektrum. Hinter der Veranstaltung stand das Bündnis "Augsburg Solidarisch", das sich nach eigener Aussage aus "einigen Einzelpersonen und politischen wie gesellschaftlichen Gruppierungen" zusammensetzt. Wie Sprecherin Felicia Reintke gegenüber unserer Redaktion erklärt, werde es künftig regelmäßige Gegen-Demonstrationen und Kundgebungen für "Solidarität und Rationalität während der Pandemie" geben.

    Dass sich künftig häufiger zwei Gruppierungen gegenüber stehen, spielt laut Polizei bei Einsatzplanung und Vorbereitung "natürlich" eine Rolle, jedoch habe es Versammlungen von Personen mit unterschiedlichen Meinungen auch schon in der Vergangenheit gegeben. "Die Polizei hat mit solchen Einsatzlagen die notwendige, jahrelange Erfahrung, auch was die Deeskalation zwischen verschiedenen Gruppierungen angeht."

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