„Mir war schon relativ früh, etwa mit 15 Jahren klar, dass ich keine Kinder haben möchte. Schon damals habe ich meiner Mutter gesagt: Ich glaube, ich lasse mich mal sterilisieren. Sie dachte, das ist die Pubertät, der Kinderwunsch kommt vielleicht später noch. Aber mittlerweile bin ich 33 Jahre alt und bin mir immer noch sicher, dass ich nicht Mutter werden will. Ich komme gerade so mit mir selbst zurecht. Die Verantwortung für ein Kind kann und will ich nicht übernehmen. Außerdem mache ich gerne, was ich möchte. Das ist mit einem Kind für sehr lange Zeit nicht möglich. Dazu die kurzen Nächte, die Veränderungen des eigenen Körpers durch eine Schwangerschaft – darauf habe ich einfach keine Lust. Und ich habe das Gefühl, dass es vielen anderen Frauen in meiner Generation ähnlich geht.
Entgegen dem allgemein immer noch gültigen Rollenbild der Frau, die natürlich immer Kinder zu wollen hat, stehen viele junge Frauen hinter ihrer Entscheidung der bewussten Kinderfreiheit. Da dreht sich gerade gewaltig was. Viele wollen bewusst keine Kinder mehr in die Welt setzen, weil die Ressourcen auf der Erde ohnehin schon knapp sind, wegen der Überbevölkerung. Und das ist auch ein Grund, warum ich nicht dazu beitragen will. Auf der anderen Seite kann man sich Kinder ja auch kaum noch leisten und die Rahmenbedingungen sind einfach schlecht. Wenn man kaum einen Kindergartenplatz bekommt, muss man sich nicht wundern, wenn die Geburtenrate sinkt.
In meinen Partnerschaften habe ich immer offen angesprochen, dass ich keine Kinder bekommen möchte. Auch meine Eltern wissen Bescheid und haben damit kein Problem. Ich habe lange im Umkreis von Augsburg nach jemandem gesucht, der eine Sterilisation durchführt. Schließlich bin ich über den Verein "Selbstbestimmt steril" an eine Klinik in Stuttgart gekommen, wo ich mich kürzlich habe beraten lassen. Meine Gynäkologin wollte mir davon abraten, ich könnte es ja mit 40 bereuen. So etwas macht mich richtig sauer. Dass man mir als erwachsener Person das Recht abspricht, für meinen Körper eigene Entscheidungen zu treffen. Was ich daneben auch absolut lachhaft finde, ist das Argument, man würde die Entscheidung gegen Kinder spätestens dann bereuen, wenn einen im Seniorenheim keiner besuchen kommt. Ich habe mal eine Zeit lang in einem Heim gearbeitet. Da gab es eine Frau, die hatte fünf Kinder und in den ganzen Jahren ist keiner zu Besuch gekommen. Ein Kind ist keine Garantie, dass du im Alter nicht allein bist.“ Alisa Drechsler, Augsburg
„Für mich war immer klar, dass ich einmal Mutter werden würde. Mit 20 hat man jede Menge Zeit, macht sich keine Gedanken drum, lebt im Hier und Jetzt. Dann kommen so die 30er, man findet den richtigen Mann, entscheidet sich: Mit ihm möchte ich eine Familie gründen. Aber dann wird man nicht schwanger! Unsere Kinderwunschreise begann ganz klassisch. Knackpunkt war unter anderem meine Endometriose, dazu mein Alter von damals 35 Jahren. Vier Versuche mit Hilfe der künstlichen Befruchtung haben wir unternommen, dann haben wir, als ich 40 war, einen Schlussstrich gezogen.
Wir haben von Anfang an die Familie involviert, auch mit einigen engen Freunden darüber gesprochen. Das war mit eine unserer besten Entscheidungen. Gerade im Alter zwischen 30 und 40 wird man, egal wo man hingeht, gefragt: Wieso hast du keine Kinder, wollt ihr mal Familie haben? Auch heute gibt es noch solche Situationen, etwa wenn wir auf einem 50. Geburtstag angesprochen werden, was denn unsere Kinder heute machen, ob wir einen Babysitter haben. Wenn wir dann sagen; wir wären gerne Eltern geworden, aber es ist uns nicht geglückt, berichten viele von ähnlichen Geschichten aus dem Bekanntenkreis. Zum Glück ist das heute nicht mehr so ein großes Tabuthema.
Sich vom Kinderwunsch zu verabschieden, empfand ich als befreiend, trotz großer Trauer und tiefer Enttäuschung. Es fällt eine Last ab und zu sagen, ich kann jetzt nichts mehr tun, es ist vorbei, hat mich unglaublich befreit. Andererseits fällt man auch in eine große, tiefe Traurigkeit, dass es nicht geklappt hat. Der Kinderwunsch war so zentral, war über fünf Jahre lang das Thema, um das sich fast alles gedreht hat. Wenn das jäh wegbricht, dann entsteht eine ganz große Leere. Ich habe zwei Jahre gebraucht, um den unerfüllten Kinderwunsch zu verarbeiten, um mich über die Kinder von anderen richtig freuen zu können. Der Schmerz, dass man zu zweit geblieben ist, wird immer bleiben und bis zur Menopause ist immer noch ein Funken Hoffnung dabei. Aber der Schmerz darüber verändert sich auch. Er wird schwächer. Heute gibt es nur noch ganz seltene Momente, wo man denkt „was wäre wenn…“.
Sich vom Kinderwunsch zu verabschieden, empfand ich als befreiend, trotz großer Trauer und tiefer Enttäuschung.
Barbara Kunkel, 53, aus Augsburg
Wenn sich der Kinderwunsch nicht erfüllt, ist es wichtig, sich neu zu sortieren und zu schauen: Was kann das Leben einem neu schenken? Damals haben wir noch am Bodensee gewohnt. Ich habe mich auch haptisch vom Kinderwunsch verabschiedet, habe ein kleines Floß gebaut. Das habe ich mit allen Dingen, die mich während der Kinderwunschphase begleitet haben (Tees, Globulis, die gemütliche Hose für den aufgeblähten Bauch während der Stimulation in der Kinderwunschbehandlung) beladen, und bei stürmischem Wellengang mit all meinen unerfüllten Hoffnungen dem See geschenkt.
Weil wir damals nicht verheiratet waren, haben wir für die Behandlungen keine finanzielle Unterstützung erhalten. Es war eine kostspielige Zeit. Ich habe 2018 in Augsburg eine Ausbildung zum Systemischen Coach gemacht und berate heute mit meiner eigenen Erfahrung andere Paare in der Kinderwunschzeit. Das ist meine absolute Herzenssache. Mittlerweile bin ich frische 53. Das Altwerden zu zweit wird wahrscheinlich nochmals eine spannende Zeit. Das ist natürlich etwas anderes, als wenn man im Kreis einer eigenen Familie alt wird. Vielleicht denkt man da nochmals an die verrückte Zeit des Kinderwunschs zurück. Barbara Kunkel, Augsburg