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Wittelsbacher Park: Die fünfte Jahreszeit: Modular

Wittelsbacher Park

Die fünfte Jahreszeit: Modular

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    Ein Selfie mit Ace Tee? Kein Problem. Die Rapperin war gleich dabei.
    Ein Selfie mit Ace Tee? Kein Problem. Die Rapperin war gleich dabei.

    Zum Abschied aus dem Park gab’s einen nahezu perfekten Modular-Samstag. Besseres bekommt man auf einem Festival dieser Größe wohl nicht so leicht geboten. Das lag natürlich auch am Wetter, das wieder traumhaft war: mit leichter Bewölkung ein Sommergefühl ohne zu große Hitze. Das lag aber vor allem am Programm. Um nur mal die Vielfalt anzudeuten und die Höhepunkte zu nennen: freudigen Punk zum Auftakt mit Naked Superhero und Go Go Gazelle; echte Indie-Perlen mit Von Wegen Lisbeth aus Berlin, Talisco aus Bordeaux und Cassia aus Manchester; ein starkes Songwriter-Solo von L. A. Salami mit der witzigsten Ansage mitten im Programm: „Äh, ich bin gleich wieder da, ich muss nur jetzt mal wirklich auf die Toilette“; glänzende Weltmusik aus Tel Aviv mit the Angelcy; und zum Abschluss einen würdigen Festival-Headliner mit der wuchtigen Show von WhoMadeWho. Wobei natürlich peinlich war, dass die Dänen so lange für ihnen Soundcheck gebraucht haben, dass das Konzert eine Viertelstunde später anfing und damit auch kürzer bleiben musste. Und eine zweite Peinlichkeit: Der eigentlich heiß erwartete Hip-Hop-Höhepunkt des Samstags, die international gefeierten Hamburger Ace Tee & Kwam.e – eine Poser-Show! Aber ganz ohne Schatten würde das viele Licht ja auch nicht so strahlend wirken.

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    Die Bewohner des Hotelturms konnten die Konzerte aus der Ehrenloge verfolgen. Bei WhoMade-Who sorgte ein Anwohner für seine eigene Lichtshow: Rote, grüne und blaue Lichtpunkte wechselten sich auf der Decke seines Balkons ab. Den Sound bekam er frei Haus. Ein Nachbar einige Stockwerke weiter oben zündete zu den Liedern der Dänen riesige Wunderkerzen an, ein anderer Nachbar stand einsam auf dem Balkon. Allein war er nicht – die Musik brachte die Menschen zusammen. Gefeiert wurde aber auf dem Festivalgelände.

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    Ihren Festtag hatten die Hip-Hop-Fans schon am Freitag erlebt. Da war die größte Bühne, die am Turm, ja den ganzen Tag von Beats in Beschlag. Und nicht nur die Berliner Shake One nachmittags und Trettmann zum Abschluss wurden ausgiebig gefeiert – es war auch ein echtes Helden-Heimspiel für Errdeka. Und als Olli Gottwald dann auch noch singend dem Augsburger Rapper assistierte, war das fast schon richtig hitverdächtig. Der Hit fürs Modular in Sachen Gitarre am Freitag war das Gastspiel von Milliarden. Die punkigen Berliner sind gerade ein heißer Tipp auf den nächsten Durchbruch, wie ihn in den vergangenen Jahren im Deutschsprachigen etwa AnnenMayKantereit oder Wanda erlebt haben. Lustigerweise gefeiert wurde aber das Quatschkonzert der Augsburger Roberto Bianco & die Abbruzanti Boys viel mehr.

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    Und gefeiert werden muss im Nachhinein neben all den Ehrenamtlichen auch das heimische Theter Ensemble. Die nämlich sorgten auf dem Festivalgelände immer wieder für herrlich außerirdische Begegnungen, weil sie in Verkleidung der diesjährigen Maskottchen mit Wischmopp auf dem Kopf oder Spielzeugschubkarre vor dem Gesicht durch die Gegend hoppelten. Entzückender Irrsinn.

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    Irdischer und nicht immer entzückend ein Modetrend unter Besuchern: Denn die große Rückkehr der Blumenmuster vollzieht sich zwar auch auf netten Kleidern und kessen Jumpsuits, ist sogar bei manchem Herrenhemd noch ein Zeichen von Geschmack oder gelungenem Witz – aber spätestens in Kombination verschiedener Muster auf Tasche und Bluse etwa führt das zur Erblindungsgefahr bei Umstehenden.

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    Einem geschenkten Gaul sieht der Augsburger selten ins Maul: 2017 gab es als Sponsorengeschenk grün umrandete Sonnenbrillen, die ein Teil der Besucher wieder mitbrachte, aufsetzte und mit dem diesjährigen Geschenk, einem Sonnenhut, kombinierte. Manch ein Besucher trug gleich zwei übereinander, denn doppelt hält schließlich besser. Die Hüte eigneten sich aber auch bestens als Wurfgeschoss. Bei WhoMadeWho wurden sie zuhauf auf die Bühne geworfen. Die Dänen nahmen es gelassen und setzten sie auf.

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    Und noch etwas von wegen Geschmackssache: Man kann ja nun die Sprüche bei Müllstationen des Modular für witzig halten oder nicht: „Baby, ich bin so müllankolisch“ oder „Oma wäre stolz auf dich“. Aber gar nicht witzig ist ganz sicher, wie viele Raucher zu dämlich oder cool sind, ihre Kippen direkt dort oder in den sogar angebotenen Aschenbechern „to go“ zu entsorgen. Nix da, einfach hingeschmissen, irgendein Ehrenamtlicher wird’s dann schon wegmachen. Denen sollte man mal was husten.

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    Und wo wir schon bei Wut wären. Die überkam dann doch auch noch Modular-Chef Christoph Elwert, als er zum Festival-Abschluss auf die Turm-Bühne geholt und für ein Jahr Arbeit auf dieses Wochenende hin gefeiert wurde. Da, nachdem er auch noch hinzugefügt hatte, dass ohne die Zeit und die Hingabe von 450 Freiwilligen das nicht möglich wäre, platzte es aus ihm heraus. Wie unerträglich das dann sei, wenn das Festival dann durch so strenge Lautstärkeauflagen in seinem Kern beschädigt werde, weil auf den Konzerten die Stimmung darunter leide. Also weg mit der Alltagsbürokratie, Elwert: „Augsburg hat eine fünfte Jahreszeit – und die heißt Modular.“

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    Auf dem Gelände waren übrigens auch Hinweisplakate auf ein Festival in Schrobenhausen, das sich dafür in „Noisehausen“ und tatsächlich auch Lärm mit Bands wie Milliarden aufbietet. Sollte Augsburg mit künftig festivalbereinigtem Zentrum dann bald „Silenceburg“ heißen?

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    Am letzten Nachmittag der Modular-Geschichte im Wittelsbacher Park dann noch diese Szene: Zwei Freundinnen flanieren um den See herum, da fordert die eine die andere auf, mit ihrer Kamera doch auch mal Fotos vom See und der Fontäne und den Bäumen darum zu machen. Sagt die andere: „Nee, das ist doch viel zu idyllisch, gar nicht festivallike …“ Die korrekte Entgegnung darauf lautete bis zu diesem Samstag des Jahres 2018: Doch, eben genau beides – das ist nämlich Modular!

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