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Wirtschaft: Tausende Arbeitsplätze fallen bis 2023 weg: Was läuft schief in Augsburg?

Wirtschaft

Tausende Arbeitsplätze fallen bis 2023 weg: Was läuft schief in Augsburg?

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    Hunderte Mitarbeiter von Premium Aerotec gingen im April für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze auf die Straße. Auch in vielen anderen Unternehmen gibt es personelle Einschnitte.
    Hunderte Mitarbeiter von Premium Aerotec gingen im April für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze auf die Straße. Auch in vielen anderen Unternehmen gibt es personelle Einschnitte. Foto: Silvio Wyszengrad (Archiv)

    Bis zu 4000 Arbeitsplätze könnten bis 2023 in Augsburg wegbrechen, wenn man die Zahlen zu Standortschließungen und Abbauplänen großer Augsburger Firmen zusammenzählt. Ausgangspunkt für diese Rechnung war die Standortschließung von Ledvance, die bis Ende dieses Jahres so gut wie abgeschlossen ist und rund 750 Menschen den Job kostete. Es folgten Fujitsu (bis 2020; 1500 Mitarbeiter), sowie der Stellenabbau bei Premium Aerotec (mindestens 500 ab 2021; weitere 600 gefährdet), Kuka (180 in einer ersten Welle und weitere 350 ab jetzt) und zuletzt MT Aerospace, wo zu Jahresbeginn 2020 mindestens 70 bis 80 Beschäftigte ihren Platz räumen müssen, weitere 80 Jobs sind gefährdet.

    Die Zahlen sind dennoch nur ein Rechenspiel, denn wie viele Arbeitsplätze es am Ende tatsächlich bis 2023 sein werden, die aus der Statistik verschwinden, und wie viele Beschäftigte arbeitslos werden, weiß bislang keiner. Denn während unter anderem bei den Luftfahrtzulieferern MT Aerospace und Premium Aerotec der Eingang neuer großer Aufträge das Ausmaß noch abmildern könnte, stehen im Fall Fujitsu weitere interessierte Unternehmen in den Startlöchern, die den Mitarbeitern eine Chance auf einen Jobwechsel bieten wollen. In allen Fällen wird zudem versucht, mit sozial verträglichen Mitteln zu agieren und beispielsweise ein Ausscheiden über die Altersteilzeit zu ermöglichen. Im Fall von Ledvance hat der gute Arbeitsmarkt vielen eine neue Perspektive eröffnet.

    Arbeitsplätze in Augsburg fallen weg: Welche Ursachen stecken dahinter?

    Doch auch wenn sich die Lage entschärfen könnte, hinterlassen die Zahlen kein gutes Gefühl, und die Intensität, in der Augsburg zuletzt von schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft konfrontiert wurde, regt zum Nachdenken an. Was läuft schief? Welche Ursachen stecken hinter diesen Entwicklungen?

    Diese Stellenstreichungen erschütterten die Region

    2023 Tubesolar: Dem Augsburger Start-up, das sich auf Agri-Photovoltaik spezialisiert hatte, geht das Geld aus. Dabei galt Tubesolar lange Zeit als Hoffnungsträger der deutschen Solar-Industrie. 140 Menschen verlieren ihren Job. Manche von ihnen hatten bereits die Werksschließung von Ledvance mitgemacht. 

    2022 Premium Aerotec: IG Metall, Betriebsräte und Airbus-Führung einigen sich nach fast einjährigen Verhandlungen auf ein Zukunftskonzept. Dies beinhaltet den Erhalt des Standorts als Ganzes, eine zunächst von Airbus angestrebte Zerschlagung, ist vom Tisch. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2030 ausgeschlossen. 2022/23 werden mehr als 500 neue Beschäftigte eingestellt.

    2021 Premium Aerotec: Der Stellenabbau beim Luftfahrtzulieferer ist angelaufen. Über ein Freiwilligenprogramm sind bei Premium Aerotec rund 500 Beschäftigte mit teils hohen Abfindungen bis zu 350.000 Euro aus dem Unternehmen ausgeschieden. Weitere betriebsbedingte Kündigungen soll es vorerst entgegen erster Pläne nicht geben. Dafür plant Airbus eine Umstrukturierung und die Aufspaltung des Standorts.

    2021 Kuka: Wie die Automobilindustrie profitiert der Augsburger Roboter- und Anlagenbauer Kuka von einer starken Nachfrage in China und in den USA. Dieser Rückenwind hilft auch den Beschäftigten. Im November 2020 hatte der Konzern noch angekündigt, in Augsburg nach mehreren Job-Abbaurunden weitere bis zu 270 Stellen streichen zu wollen. Jetzt ist noch von gut 50 Stellen die Rede, für die vornehmlich eine sozialverträgliche Lösung gesucht wird.

    2021 MT Aerospace: Das Raum- und Luftfahrtunternhemen wird im Produktionsbereich weitere rund 100 Arbeitsplätze abbauen. Zuvor wurden schon etwa 70 auf noch rund 480 Stellen gestrichen. Im August letzten Jahres hieß es, dass sogar der gesamte Standort in Gefahr sei, würden sich nicht rasch positive Entwicklungen einstellen. Dieses Szenario ist jedoch aktuell vom Tisch.

    2020 Faurecia: Erneut ist es ein Automobilzulieferer, der der Lage in der Branche - verstärkt durch die Corona-Pandemie - Tribut zollen muss. Am Standort in Augsburg (Geschäftsbereich Faurecia Clean Mobility, übersetzt: saubere Mobilität) sollen 140 der insgesamt 1400 Stellen gestrichen werden. Dazu wird der Standort neu ausgerichtet, um noch stärker als bisher in Zukunftsfeldern aktiv sein zu können. 

    2020 Wafa: Der Automobilzulieferer, der auf Spritzguss, Galvanik und Lackierung spezialisiert ist, gibt die Schließung seines Werks in Haunstetten bekannt. Das bereits 2019 eingeleitete Insolvenzverfahren in Eigenregie sei gescheitert, heißt es zur Begründung. Nach der Krise in der Automobilindustrie sei die Corona-Pandemie maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Pläne nicht wie gewünscht umsetzbar waren. Rund 200 Mitarbeiter sind betroffen.

    2020 MAN Energy Solutions: Der Motorbauer, der zu Volkswagen gehört, gibt bekannt, dass am Stammsitz in Augsburg bis zu 1800 Arbeitsplätze in Gefahr seien. Schon vor Bekanntgabe wurde über ein Restrukturierungsprogramm gemunkelt. Dass dieses eine solche Dimension haben könnte, kam für Beschäftigte und Arbeitnehmervertreter völlig überraschend. Nun wird nach Alternativen gesucht, um die Zahl der bedrohten Stellen deutlich nach unten zu korrigieren. Mittlerweile wurde die Zahl auf 800 bedrohte Stellen gesenkt. Die meisten können ohne betriebsbedingte Kündigungen gestrichen werden.

    2020 Premium Aerotec: Erneut macht der Luftfahrtzulieferer Schlagzeilen in Sachen Stellenabbau. Weil unter anderem wegen der Corona-Krise eine Auslastungslücke entsteht, sind bis zu 1000 Arbeitsplätze bedroht, wenn keine neuen Arbeitspakete gefunden werden.

    2020 Showa Denko: In Meitingen wird die Produktion von Grafitelektroden-Teilen eingestellt, wie der japanische Konzern bekannt gibt. 140 Stellen fallen weg, rund 50 Arbeitsplätze außerhalb der Produktion sollen erhalten bleiben. Ursprünglich hatten die Eigentümer eine Standortsicherungs- und Beschäftigungsgarantie bis ins Jahr 2022 zugesichert.

    2019 Audi: In den Werken in Neckarsulm und Ingolstadt fuhr der Autobauer seine Kapazitäten herunter. Es sollten 9500 Stellen bis 2025 abgebaut werden, aber ohne betriebsbedingte Kündigungen. In anderen Bereichen sollte dafür investiert werden.

    2019 Voith Turbo: Der Technologiekonzern gab bekannt, dass sein Werk in Sonthofen im Jahr 2020 schließen würde. 420 Mitarbeiter sind betroffen, ebenso das Werk in Sachsen. 230 Arbeitsplätze sollten wegfallen, 370 an andere Standorte verlegt werden.

    2019 Premium Aerotec: Der Luftfahrtzulieferer gab bekannt, dass bis zum Jahr 2023 bis zu 1100 Arbeitsplätze wegfallen könnten. Zwar galt diese Zahl als Worst-Case-Szenario, falls es nicht gelingen sollte, bis dahin ausreichend neue Arbeitspakete an den Standort zu holen, verunsicherte in ihrer Höhe aber dennoch die Belegschaft. Vorerst sollen ab 2021, so lange gilt ein Kündigungsschutz, 500 Stellen abgebaut werden.

    2018 Fujitsu: Es war ein Tiefschlag für Hunderte Beschäftigte und den gesamten Wirtschaftsraum Augsburg: Der japanische IT-Konzern Fujitsu würde sein Werk in Augsburg bis 2020 schließen.

    2018 Premium Aerotec: Von den bundesweit geplanten Stellenstreichungen bei Airbus war auch die Augsburger Tochterfirma Premium Aerotec betroffen - das wurde im März 2018 bekannt. Bis Ende 2019 würden 500 Leiharbeiterjobs wegfallen. Ab 2020 könnte es auch die Stammbelegschaft treffen.

    2017 Kuka: Der Roboter- und Anlagenhersteller gab im November bekannt, dass es im Bereich Anlagenbau Probleme gebe. Kuka-Geschäftsführer Till Reuter wollte daraufhin den Bereich umstrukturieren. Das bedeutete den Verlust von 250 Stellen.

    2017 Ledvance: Kurz vor Weihnachten erlebten die Arbeitnehmer bei Lampenhersteller Ledvance (früher Osram) eine böse Überraschung: Ledvance will das Werk in Augsburg schließen. 650 Stellen sind betroffen. Die Mitarbeiter kämpften - doch das Unternehmen lehnte Rettungspläne ab.

    2017 MAN Diesel & Turbo: 140 Arbeitsplätze fielen im März 2017 bei MAN Diesel & Turbo weg. Allerdings kam das Unternehmen ohne betriebsbedingte Kündigungen aus. Durch Altersteilzeit, Aufhebungsverträge und andere Mittel gelang der Abbau.

    2017 UPM: Der finnische Papierhersteller (früher Haindl) fasste Anfang des Jahres 2017 den Entschluss, eine komplette Papiermaschine in Augsburg zu schließen. Der Grund: geringe Papiernachfrage. 150 Mitarbeiter waren von den Stellenkürzungen betroffen. Doch wie bei MAN kamen die Verantwortlichen ohne betriebsbedingte Kündigung aus.

    2014 Manroland: Beim Augsburger Druckmaschinenhersteller gab es in der Vergangenheit gleich mehrfach schlechte Nachrichten für die Arbeitnehmer: Nach der Insolvenz 2011, bei der 750 Arbeitnehmer ihren Job verlieren sollten, strich Manroland im Oktober weitere 250 Stellen in Augsburg.

    2014 Horex: Die Motorrad-Marke Horex hatte ihren größten Erfolg in den 1950er-Jahren. Daimler-Benz übernahm den Hersteller 1960 und löste die Marke auf. 2010 wagte das Unternehmen mit 30 Mitarbeitern einen Neuanfang in Augsburg. Doch dann ging das Geld aus. 2014 ging das Unternehmen in die Insolvenz.

    2014 Strenesse: Die Nördlinger Modemarke Strenesse hat bis heute einen guten Ruf. Von der Glanzzeit mit einem Jahresumsatz von über hundert Millionen Euro ist allerdings nur noch wenig zu spüren. Derzeit arbeiten 230 Mitarbeiter bei Strenesse, davon 120 in Nördlingen. Eigentümerin der neuen GmbH ist eine Schweizer Holding. Die frühere Familie ist nicht mehr an dem Unternehmen beteiligt. Strenesse meldete im Jahr 2014 Insolvenz an.

    2014 Reifen Ihle: Die Günzburger Firma musste mit zwölf Niederlassungen zwischen Ulm und Augsburg 2014 Insolvenz anmelden. Zunächst trat Prolimity Capital Partners mit Sitz in Ummendorf als Käufer auf den Plan. Seit September 2017 ist das Sontheimer Unternehmen Hörger Besitzer des Reifenherstellers, der jetzt Rigdon (kurz für „Reifen Ihle Günzburg Donau“) heißt und 80 Mitarbeiter beschäftigt. Zum Zeitpunkt der Insolvenz hatte das Unternehmen 120 Mitarbeiter

    2014 Wafa: Für die Mitarbeiter des Augsburger Unternehmens Wafa gab es Ende 2015 eine betrübliche Nachricht: Das Unternehmen, das unter anderem Kühlergrills für Autos herstellt, gab bekannt, dass im Zuge des im Februar 2014 eingeleiteten Insolvenzverfahrens knapp die Hälfte der rund 330 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssten. Als Käufer der Wafa wurden die Demmel-Gruppe aus dem Allgäu, ein Zusammenschluss mittelständischer Familienunternehmen, sowie der Schweizer Finanzinvestor Aetna Partners präsentiert. 

    2014 Weltbild: Weltbild hat wohl das Schlimmste hinter sich. Nach der Insolvenz im Januar 2014 hat mittlerweile die Düsseldorfer Droege Gruppe den Augsburger Verlag übernommen. Die Logistik wurde ausgegliedert und befindet sich mittlerweile in Tschechien. Am Standort Augsburg, wo einst 2300 Mitarbeiter beschäftigt waren, sind es jetzt noch 400 in Verlag und Handel. Weltbild setzt weiter auf Filialen und den Katalog, treibt aber massiv das Online-Geschäft voran und sieht sich selbst auf gutem Weg.

    2012 Leiser: Für die Schuhandelskette Leiser mit Sitz in Augsburg musste 2012 Insolvenz anmelden. 550 Arbeitsplätze fielen weg. Am Ende übernahm ein neuer Investor das Unternehmen und die etwa 900 verbleibenden Mitarbeiter. Im August 2017 schloss die letzte Filiale im Süden der Republik in der Augsburger Annastraße. Leiser befindet sich immer noch im Insolvenzverfahren.

    2011 Manroland: Noch 2008 lief es gut für den Augsburger Druckmaschinen-Hersteller Manroland. Doch die Digitalisierung schadete dem Markt. 2011 wurde das Unternehmen zahlungsunfähig. Standorte mussten schließen - in Augsburg selbst stieg aber die Lübecker Possehl-Gruppe ein. Heute heißt die Firma Manroland Websystems.

    2010 Böwe Systec: Der Augsburger Maschinenhersteller Böwe Systec geriet 2010 gleich in zwei Insolvenzen. Das Unternehmen hatte sich bei Zukäufen übernommen. Wie später bei Manroland sprang die Possehl-Gruppe ein. Allerdings verlor die Hälfte der einst 800 Mitarbeiter ihren Job.

    2009 Trevira: Nach der Zahlungsunfähigkeit im Jahr 2009 läuft es wieder besser für den Bobinger Faserhersteller Trevira. Das Unternehmen ist nun vollständig Teil des thailändischen Mutterkonzerns Indorama Ventures PCL (IVL). Die Zahl der Mitarbeiter ist seit 2011 von 1350 auf 1100 gesunken, in Bobingen von 600 auf 460.

    2004 Augsburger Kammgarn-Spinnerei (AKS): Die Augsburger Kammgarn-Spinnerei gehörte einmal zu den Großen auf dem Markt. Das Unternehmen hatte vor dem Zweiten Weltkrieg 2400 Mitarbeiter und in den 1990er-Jahren immerhin noch 900. Mit der zunehmenden Konkurrenz aus den Billiglohnländern konnte das Unternehmen aber nicht mithalten: 2004 musste es schließen.

    2005 Walter Bau-AG: Die Augsburger Walter Bau-AG war eines der größten Bauunternehmen Europas und hatte zu seinen Glanzzeiten etwa 50.000 Mitarbeiter. Doch 2005 musste die Firma Insolvenz anmelden und schließen. Gründer Ignaz Walter wirft der Deutschen Bank vor, am Niedergang seines Unternehmens mitverantwortlich zu sein.

    2005 Ibex: Das Affinger IT-Unternehmen Ibex ging 2005 unter. Obwohl es einst einen Jahresumsatz von 122 Millionen Euro vorweisen konnte, war die Firma nach einer zweiten Pleite nicht mehr zu retten. 80 Mitarbeiter verloren ihren Job.

    2005 Kieser: Neben Walter Bau und Ibex wurde 2005 auch die Neusässer Großdruckerei Kieser zahlungsunfähig. 130 Mitarbeiter waren betroffen. Am Ende übernahm ein österreichisches Unternehmen einen Teil der Firma und der Mitarbeiter.

    2004 Washtec: Der Waschanlagenhersteller baute 2004 180 Stellen ab. Im Jahr 2015 konnte das Unternehmen allerdings seinen Gewinn auf über 36 Millionen Euro steigern. Auch 2016 konnte Washtec ein erfolgreiches Jahr verbuchen.

    Experten aus Wissenschaft und Praxis sind sich in ihrer Betrachtung und den entsprechenden Antworten weitestgehend einig. Auch dahingehend, dass die Entwicklungen nichts mit der Qualität des Wirtschaftsstandorts Augsburg zu tun haben. „Augsburg verfügt wie jeder Standort über Wettbewerbsvor- und -nachteile. Jedoch gibt es keine Anzeichen, dass die Standortgüte Augsburgs ursächlich mit der spezifischen Entwicklung der genannten Unternehmen zusammenhängt“, sagt Matthias Köppel, Leiter des Geschäftsbereichs Standortpolitik bei der Industrie- und Handelskammer für Schwaben. Das sieht auch Wirtschaftswissenschaftler Erik Lehmann von der Uni Augsburg so: „Augsburg nimmt hier im Vergleich zu anderen Städten oder Regionen keine Sonderrolle ein. Weil in Augsburg aber vor allem Traditionsunternehmen für die schlechten Nachrichten zuständig waren, haben die Entscheidungen eine stärkere psychologische Wirkung.“

    Die Gründe, die tatsächlich hinter den Abbauprogrammen stecken, seien vielfältig. Köppel und Lehmann nennen strategische Unternehmensentscheidungen ebenso, wie Managementfehler, eine nötige Anpassung an neue Märkte oder den enormen Innovations- und Preiswettbewerb in verschiedenen Branchen. Einen starken Zusammenhang mit einer sich abflachenden Konjunktur sehen die Experten dagegen weniger – auch wenn eine aktuelle IHK-Umfrage zeigt, dass derzeit gerade die exportorientierten Unternehmen eine rückläufige Nachfrage spüren. Die weltweiten Handelskonflikte seien hierfür ausschlaggebend.

    "Von einer Krise sind wir weit entfernt", sagt der Experte

    Für die Beschäftigten mag all das eine Erklärung für das Handeln der Unternehmen sein, eine Hilfe ist es nicht. Noch ist der Arbeitsmarkt aber aufnahmefähig, selbst wenn – wie im Fall von Premium Aerotec und MT Aerospace – gleich von zwei Seiten Fachkräfte aus dem Bereich Luft- und Raumfahrt auf den Markt kommen, sagt der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Augsburg, Roland Fürst. Mit einer Einschränkung: „Die Beschäftigten kommen von einem sehr hohen Lohnniveau. Eine Arbeitsstelle mit gleichen Konditionen zu finden, könnte schwierig werden“, so der Experte. IHK-Mann Köppel ergänzt: „Nicht immer passen die Qualifikation oder der Wohnort eins zu eins zu den noch offenen Stellen. Daher lässt sich zumindest kurzfristig ein leichter Anstieg der sogenannten Sucharbeitslosigkeit nicht ausschließen.“ Von einer Krise am Arbeitsmarkt wollen beide dennoch nicht sprechen. „Die aktuellen Zahlen zeigen uns, dass es erste Anzeichen einer Eintrübung gibt, aber von einer Krise sind wir weit entfernt“, so Fürst.

    Und welche Lösungen gibt es für die Unternehmen, um sich zukunftssicher aufzustellen? „Wir müssen uns an die Ursachen wagen. Also Bürokratie abbauen, Steuern senken, Energiepreise in den Griff bekommen und Lohnnebenkosten begrenzen. Nur wenn wir in diesen Bereichen wettbewerbsfähig werden, machen wir die Industrie in Deutschland krisenfest“, sagt Köppel.

    Konjunkturdelle als Chance?

    Wirtschaftswissenschaftler Lehmann hält zudem die sich abzeichnende Konjunkturdelle für eine Chance. „Es ist normal, dass es nach so einem langen Hoch wieder eine Phase der Eintrübung gibt. Hysterie wäre aber fehl am Platz. Eine Eintrübung ist noch lange keine Rezession. Vielmehr erhalten Unternehmen nun die Chance durchzuatmen und sich wieder mehr auf sich und ihre Arbeit zu konzentrieren.“ So könnten bestehende Strukturen und Konzepte des Unternehmens sowie die Herausforderungen der Digitalisierung genauer unter die Lupe genommen und gegebenenfalls angepasst werden. „Das ist wie bei einem Marathon: Irgendwann brauchen Sie eine Pause, um sich wieder fit für den nächsten Lauf zu machen. So sollten es jetzt die Unternehmen auch angehen“, so Lehmann.

    Auch hier herrscht Einigkeit mit IHK-Mann Köppel. „Die Unternehmen sollten diese Phase für die Verbesserung ihrer eigenen Wettbewerbsfähigkeit nutzen. In enger Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen möchten wir alle Unternehmen dazu ermutigen, die Zeit mit weniger Aufträgen für die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter zu nutzen.“ Viele Kosten würden dabei übernommen. Das Qualifizierungschancengesetz sei nur eine Maßnahme, die den nötigen Rahmen dafür bietet.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Andrea Wenzel: Positiv denken - obwohl viele Arbeitsplätze wegfallen

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