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Augsburg: Wie in der Wertachstraße acht Friseure auf 400 Metern überleben

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Wie in der Wertachstraße acht Friseure auf 400 Metern überleben

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    "Hair by Hüseyin" ist einer von insgesamt acht Friseuren in der Augsburger Wertachstraße.
    "Hair by Hüseyin" ist einer von insgesamt acht Friseuren in der Augsburger Wertachstraße. Foto: Silvio Wyszengrad

    Der Kunde braucht nichts mehr. Gerade hat Fatih einem jungen Mann die Haare geschnitten, alles etwas kürzer gemacht, den Nacken mit einer Maschine rasiert, nun ist er fertig. Noch etwas ins Haar, Wachs oder Gel? Der Kunde ist zufrieden, Gel oder Wachs braucht er nicht. „Alles gut“, sagt er zum Abschied. Fatih Isiklar, Inhaber von „Fatih’s Barbershop“ in der Wertachstraße, macht ebenfalls einen zufriedenen Eindruck. Mit der Frisur seines Kunden, aber auch allgemein.

    In der Wertachstraße gibt es acht Friseure auf 400 Metern.
    In der Wertachstraße gibt es acht Friseure auf 400 Metern. Foto: Silvio Wyszengrad

    Er ist 27, seit ein paar Jahren betreibt er den Barbershop; ein Herrenhaarschnitt kostet hier 13 Euro, für Kinder neun Euro. Fünf Menschen arbeiten hier, der Laden ist gepflegt und geräumig, und vor allem ist an diesem Tag, einem Dienstagvormittag, bereits voll. Meistens ist etwas los, wenn man an dem Laden vorbeigeht. Es könnte schlechter laufen. Selbstständig zu werden, hat sich gelohnt, findet Fatih Isiklar. Es hätte auch anders ausgehen können, gerade in der Wertachstraße, in der sich der Barbershop befindet. Denn damals, als Fatih den Laden eröffnete, gab es bereits eine handvoll ähnlicher Geschäfte in der Straße. Fatih arbeitete vorher in einem von ihnen, „Elit 27“ gleich nebenan.

    Eine Augsburger Straße, die an Berlin erinnert

    Heute sind es acht Friseure oder Barbershops in der Straße, die kaum 400 Meter lang ist. Die Wertachstraße wirkt manchmal ohnehin so, als hätte jemand sie aus einer anderen Stadt nach Augsburg verpflanzt, zum Beispiel aus Berlin. Eine Straße voller Handyshops, Internetcafés, Spielhallen, Waschsalons, Cafés und kleinen Restaurants, Bars, Dönerläden, alles auf kurzer Strecke und in häufigem Wechsel. Augsburg ist eine Stadt mit einem hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, hier zeigt sich das

    Die Fülle an Friseurläden ist allerdings besonders auffällig und wirft auch die Frage auf, wie sich all die Geschäfte eigentlich halten können, zumal sich einige doch recht ähneln in Konzept und Zielgruppe. Sie sind oft noch nicht lange hier angesiedelt, ziehen ein multikulturelles Publikum an. Und kommen offenbar über die Runden. In Online-Bewertungsportalen haben sie teils sehr gute Bewertungen. Die Miete ist hier günstig, klar, aber das erklärt nicht alles. „Fatih’s Barbershop“, „Black & White“ und „Elit 27“ etwa liegen gleich nebeneinander, Tür an Tür. Fatih Isiklar sagt jedenfalls, das Konkurrenzdenken in der Straße sei gering ausgeprägt. „Wir verstehen uns gut.“ Sein Eindruck ist, dass die Friseurgeschäfte hier einfach immer populärer werden. „Zu uns kommen mittlerweile auch Leute aus Schongau“, sagt er.

    Fatih Isiklar hat sich in der Wertachstraße selbständig gemacht.
    Fatih Isiklar hat sich in der Wertachstraße selbständig gemacht. Foto: Silvio Wyszengrad

    Seine Besucher, berichtet er, seien gemischt, tendenziell jung. Viele Studenten, die sich vorm Partymachen den Bart trimmen lassen, viele Deutsch-Türken wie er, aber bei weitem nicht nur. In einem der Sessel wartet ein älterer Herr darauf, die Haare geschnitten zu bekommen. Zunächst aber ist eine junge Frau dran, die sich mit einer speziellen Fadentechnik die Augenbrauen zupfen lässt. Ein paar Häuser weiter, im Laden „Hair by Hüseyin“, bezeichnet ein Mitarbeiter diese Methode als „orientalische Art“; Kundin Diana Willi ist gerade da, alle zwei, drei Wochen kommt sie her, berichtet sie.

    Warum gibt es hier so viele Friseure?

    Ugur Gürsoy, ein Mitarbeiter, sagt, ihm gefalle es hier. Die Kundschaft sei teils auch ein wenig älter. Warum es so viele Friseure in einer Straße gibt? Recht erklären kann er es sich nicht. Das Verhältnis zu den anderen Geschäften sei okay, sagt er, aber man sei eben auch Konkurrenz. Hinten im Laden, auf einer Couch, sitzt Salko Hodzic. Er kenne die Leute hier, sagt er, und ab und an komme er einfach auf einen Tee vorbei. Überhaupt sind viele der Friseurgeschäfte in der Straße beliebte soziale Treffpunkte.

    Wenn man zum Beispiel draußen vor der Tür von „Elit 27“ ein Foto vom Logo macht, kann es passieren, dass prompt jemand herauskommt, der nicht recht den Eindruck macht, als Kunde da zu sein, und fragt, was man hier so tue. Neugierig fragt, nicht unhöflich. Nach der Antwort – Fotos machen, für die Zeitung – sagt der Mann, er sei „Cobra“ und zeigt auf die „Cobra Bar“ ein Haus weiter. Da könne man doch auch mal was drüber machen. Herr Cobra, so wirkt es , kommt einfach mal rüber zum Friseur, wenn gerade Zeit ist.

    Auf der anderen Straßenseite ist der Friseur mit der wohl längsten Historie in der Straße. „Golden Hair“ gibt es 2010, im Gebäude allerdings ist bereits seit 50 Jahren ein Friseurladen angesiedelt, erzählt Fahriye Bayburt, die Friseurmeisterin ist und hier arbeitet. Im Schaufenster prangt ein Schriftzug, der zeigt, dass es sich um einen Friseursalon für „Damen und Herren“ handelt. Anders als etwa der „Classic Barber Shop“ in der Straße, der nur für Männer ist.

    Das "Golden Hair" hat auch älteres Publikum

    Der Salon Golden Hair habe im Gegensatz zu einigen anderen Geschäften in der Straße auch älteres Publikum, sagt Bayburt, teils habe man die Kundschaft vom Vorgänger übernommen. Wie in einigen der anderen Friseurenläden wirkt bei „Golden Hair“ die Atmosphäre familiär: Einem Stammkunden werden gerade die Haare geschnitten; die Tochter des Inhabers ist da; hinter der Empfangstheke stehen Mitarbeiter, die gerade mal Pause haben, und quatschen. Wer sich im Golden Hair umhört, warum es so viele Friseure in der Straße gibt, bekommt unterschiedliche Antworten.

    Viele der Läden hier richteten sich an Männer, heißt es etwa, und Männer gingen heute öfter zum Friseur als früher. Männer seien aber tendenziell nicht so anspruchsvoll wie Frauen und ihre Frisuren erforderten oft weniger Fähigkeiten des Handwerks, sodass sich manche der Läden sehr günstiges Personal leisten könne. Ein Mitarbeiter sieht aber auch Gutes in der Friseusalondichte. „Jeder weiß, in der Wertachstraße kann man zum Friseur.“

    Fatih Isiklar von Fatih’s Barbershop will in der Straße jedenfalls noch eine Weile bleiben. Fünf bis zehn Jahre, mindestens. Der nächste Kunde ist dran, ein weiterer junger Mann, und Fatih macht sich mit Schere und Kamm ans Werk.

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