Die Jakobskirche steht im Zentrum der Jakobervorstadt. Sie wirkt beim Blick auf die Stadtsilhouette im Hintergrund wie eine Insel in der überbreiten Straße zwischen Jakobertor und Kirche. Die Jakobskirche leitet den Verkehrsstrom stadteinwärts in die Pilgerhausstraße. An dieser Stelle stand schon vor 800 oder gar 1000 Jahren eine Jakobskapelle weit draußen vor der Stadt. Um sie herum bildete sich eine Handwerkersiedlung. St. Jakob gab ihr den Namen. Fünf ältere Kirchenböden unter dem Pflaster der Jakobskirche und Spuren von drei bis vier hölzernen Kapellen konnten Archäologen 1987 nachweisen. 1355 wurde die erste „Ziegelkirche“ errichtet.
Lädchen gibt es auch am Chor der Augsburger Moritzkirche
Deren Chorraum ist erhalten. Zwischen die massiven Außenpfeiler dieses vor 665 Jahren gemauerten Chors sind vier Lädchen eingefügt. Das Baujahr ist nicht überliefert – im Gegensatz zu zwölf Läden am Chor der Moritzkirche: Sie wurden 1534 angebaut. „Lädla“ bei St. Peter am Fischmarkt und am Perlachturm gab es bereits 300 Jahre früher. Wie bei diesen kleinen Läden liegt auch bei St. Jakob der Grund für die kommerzielle Nutzung auf der Hand: Auch die Jakobskirche steht an einem jahrhundertelang stark frequentierten Marktplatz. Der Straßenzug zwischen der Kirche und dem Jakobertor bot sich als idealer Verkaufsplatz für Produkte aus dem bäuerlichen altbayerischen Umland an. Über die Lechhauser Lechbrücke wurden Rinder und Holz „importiert“. In Augsburg bestand dafür ein hoher Bedarf.
Von 1448 bis 1864 stand zwischen der Jakobskirche und dem Jakobertor an Markttagen Rindvieh in langen Reihen. Die Augsburger Metzger teilten hier auch die zu Tausenden aus Ungarn nach Augsburg getriebenen Ochsen unter sich auf. Ein Kupferstich um 1730 überliefert den Großviehmarkt. Auch für Schweine gab es in der Jakobervorstadt einen Markt: Der „Saumarkt“ fand auf dem heutigen Jakobsplatz statt. Die Saugasse in der Fuggerei erinnert daran.
Früher gab es einen Holzmarkt bei der Jakobskirche
„Bayerischer Holzmarkt“ hieß die jetzige Jakoberstraße zwischen Jakobskirche und Jakobertor. Hier wurde Brennholz verkauft, das mit Fuhrwerken aus altbayerischen Dörfern geliefert wurde. Zum Holzmarkt gehörte ein „Holzmesserlokal“. Es war eines der Lädchen am Chor der Jakobskirche. Stiche zeigen dort an der Wand lehnende Messstäbe. Es waren geeichte Klaftermaße, wie sie die Augsburger „Holz-, Kohlen- und Kalkmesser-Ordnung“ vorschrieb. Darin hieß es: „Ohne Holzmesser kein Holzgeschäft“. 1853 wurde dieser Zwang aufgehoben. Doch Holzbauern und Käufer ließen weiterhin die exakte Holzmenge durch einen vereidigten Holzmesser ermitteln. Um 1900 standen sie noch an der Jakobskirche parat.
Marktstatistiken belegen den Holzumschlag – beispielsweise im Juni 1829. In diesem Monat kamen in Augsburg an: 445 Wagen Buchenholz, 774 Wagen Birkenholz, 2217 Wagen Fichtenholz – insgesamt also 3436 Fuhrwerke. Das ergab pro Markttag einen Schnitt von etwa 400 Gespannen. An der Jakobskirche mussten Holzmesser an Markttagen im Sommer ab 6 Uhr und im Winter ab 7.30 Uhr anwesend sein. Auch Holzhacker postierten sich bei der Jakobskirche. Käufer heuerten sie zum ofenfertigen Zerkleinern des Brennholzes an. Während des Ersten Weltkriegs schlief der Straßenmarkt für Holz zugunsten einer Direktvermarktung ein. Das Holzmesser-Stübchen an der Jakobskirche wurde zum vierten Ladengeschäft.
Gastronomische Nutzung für Bereich vor den Lädchen zerschlug sich
Die vier Lädchen an der St.-Jakobs-Kirche sind in Adressbüchern vermerkt. 1930 wurde in einem Gemüse, in einem weiteren Obst, im dritten Kaffee verkauft. Das vierte Lädchen – es war das frühere Holzmesser-Lokal – hatte der Uhrmacher Albert Maier gemietet. Er ist dort noch 1954 zu finden. In einen anderen Mini-Laden verkaufte damals Lisette Reißler Tabakwaren und Zeitungen. Dieses Lädchen überlebte Jahrzehnte. Die anderen rentierten sich nicht mehr. Viele Jahre blieben die Holzläden vor Türen und Fenstern geschlossen. Es gab Wiederbelebungsversuche, doch sie scheiterten. Für eine gastronomische Nutzung mit Bestuhlung des Freiluftbereichs am Pilgerbrunnen bestand zwar Nachfrage, doch eine solche Nutzung erwies sich als zu problematisch. Schlussendlich entschied der Kirchenvorstand von St. Jakob, die vier mit Durchgängen verbundenen Lädchen nicht mehr zu vermieten.
2015 wurden die restaurierten kleinen Räume mit einer Ausstellung über jüdische Bewohner der Jakobervorstadt vorgestellt. Die Kirchengemeinde von St. Jakob will die Insellage der Kirche zwischen Verkehrsflüssen als Ruhepunkt gestalten. Ein Konzept zur Nutzung der Lädchen als „Fenster zur Jakobervorstadt“ enthält das Angebot, bei einem Kaffee am Brunnen zu „entschleunigen“. Ein Pilgerlädchen bringt ins Bewusstsein, dass die Jakobskirche eine Pilgerkirche ist. Dazu gehört eine Unterkunft. Seit Juli 2013 können Pilger im Turm der Jakobskirche übernachten.
Pilgerunterkunft in St. Jakob bleibt 2020 geschlossen
In Pilgerführern wird diese Möglichkeit publik gemacht. 2015 übernachteten 80 Gäste, 2019 waren es 91. Pilgern mit Pilgerausweis stehen in der zweiten Etage des Kirchturms üblicherweise zwischen Ostern und Ende Oktober sechs Betten, eine Küche und ein Bad mit Dusche für eine Nacht zur Verfügung. Am Ostermontag, 13. April, sollte die Pilgersaison 2020 starten. Doch die Corona-Pandemie verhinderte die Öffnung. Die aktuelle Auskunft bei Anfragen lautet: „Die Pilgerunterkunft bleibt aufgrund der Corona-Lage und der Hygienebestimmungen für die verbleibende Saison 2020 geschlossen.“
Weitere Folgen der Augsburger Geschichte von Franz Häußler finden sie hier.