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Foto: Annette Zoepf
Foto: Annette Zoepf

Wie entwickelt sich die Corona-Pandemie in Augsburg weiter? Die Stadt rechnet mit stark steigenden Zahlen.

Augsburg
29.10.2021

Vierte Corona-Welle in Augsburg: "Inzidenz über 500 ist nicht ausgeschlossen"

Von Stefan Krog

Die Prognosen der Stadt zur vierten Welle und zur Lage im Gesundheitssystem sind düster. Thomas Wibmer vom Gesundheitsamt warnt: "Die Leute können einfach nicht mehr."

Was die Augsburger Stadträte in dieser Woche bei ihrer Sitzung zu hören bekamen, klang nicht gut. Das städtische Gesundheitsamt geht im Lauf des Herbsts und Winters von einer massiven Zunahme der Corona-Fallzahlen aus, die das Gesundheitssystem in der Region in Bedrängnis bringen könnten. Fraglich sei auch, wie man dann noch mit der Kontaktverfolgung hinterherkomme, sagt Dr. Thomas Wibmer, der stellvertretende Leiter des Gesundheitsamtes. Am Freitag ging die Sieben-Tage-Inzidenz in Augsburg zwar auf einen Wert von 149 zurück. Doch das wird nach Einschätzung von Thomas Wibmer nicht so bleiben. Er hält auch Werte von über 500 für absehbar. "Das ist nicht ausgeschlossen, ganz im Gegenteil", so Wibmer. Wie kommt er zu dieser Prognose -und was bedeutet sie für die Stadt?

Corona-Wellen laufen aktuell aus zwei Richtungen auf Augsburg zu

Aktuell liefen Infektionswellen mit hohen Inzidenzen aus Richtung Baden-Württemberg und Ostbayern aufeinander zu, sagt der Mediziner. Augsburg werde davon nicht verschont blieben. "Es wird sich auch bei uns weiter ausbreiten und unsere Inzidenzen werden weiter hochgehen." In den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg lagen die Inzidenzwerte am Freitag bei 243 und 224. Die Intensivkapazitäten in Augsburg und dem Umland sind inzwischen entsprechend knapp. An der Uniklinik gibt es kaum noch freie Corona-Intensivbetten. Inzwischen werden planbare Eingriffe verschoben, um Platz freizuhalten - und Patienten und Patientinnen in andere Krankenhäuser verlegt.

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Sollten die Inzidenzwerte aber nun massiv steigen, hält Wibmer angesichts des in der vierten Welle deutlich höheren Anteils an Intensiv-Patienten Probleme für absehbar. Er warnte mit deutlichen Worten: "In Deutschland und auch in Augsburg sind derart hohe Corona-Zahlen nicht mehr behandelbar. Es fehlt das Personal. Die Leute können einfach nicht mehr." Die Kapazitäten in den Kliniken seien deshalb geringer als im vorigen Winter.

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Foto: Ulrich Wirth
Foto: Ulrich Wirth

Das Uniklinikum Augsburg betreut Corona-Patienten unter anderem auf der Intensivstation.

Wibmer sagt, er hoffe auf Weichenstellungen aus München. Dass Schüler nach den Herbstferien wieder Masken tragen müssen, sei ein erster Schritt. Mitunter erlebe man angesichts der gelockerten Quarantäneregelungen, dass in Schulklassen nach einem Positiv-Fall weiter Folgefälle auftauchen. Aktuell bestimmten die jüngeren Augsburgerinnen und Augsburger das Infektionsgeschehen in der Stadt. Auch in der Gruppe der 40- bis 60-Jährigen tue sich aber etwas, so Wibmer. Vermutlich dürften auch in der Gruppe der über 60-Jährigen die Fallzahlen wieder steigen. In den Krankenhäusern dominierten Patienten und Patientinnen in der Altersgruppe ab 40, teils auch schon ab 30.

Corona in Augsburg: Eigene Regeln kann die Stadt nur schwer festlegen

In der Stadtratssitzung am Donnerstag wollte Frederik Hintermayr (Sozialfraktion, Die Linke) wissen, ob die Stadt sich auf einen Schwellenwert festlegen könnte, um selbst Maßnahmen zu verhängen. Denkbar sei etwa die Wiedereinführung kostenloser Tests auf Kosten der Stadt. Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) verweist auf die staatlichen Regelungen. Theoretisch sind zwar auch regionale Regelungen möglich, allerdings nur bei außergewöhnlichen Situationen. Augsburg liege aber voll im Trend - auch wenn dieser unerfreulich sei. Viel Spielraum habe man nicht. In Augsburg könne man sich vor allem darüber Gedanken machen, wie man sich für die Kontaktnachverfolgung im Gesundheitsamt aufstellt.

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Schon jetzt wird nicht mehr versucht, alle Corona-Fälle sofort nachzuverfolgen. Die Vorgabe des Freistaats ist es, sich auf Situationen mit hohem Übertragungsrisiko zu konzentrieren, etwa bei Ausbrüchen in Pflegeheimen. Wo Hygienekonzepte angewandt wurden oder Tests wie in Schulen oder Gastronomie obligatorisch sind, kann das Gesundheitsamt mit "niedrigerer Priorität" arbeiten. Die Entlastung dadurch, so Erben, werde aber gleich wieder durch hohe Fallzahlen verschlungen. "Sollten die Fallzahlen weiter ansteigen, werden alle Gesundheitsämter nicht mehr nachkommen", kündigt Wibmer an. Aktuell setzt das Gesundheitsamt zunehmend darauf, infizierte Personen per SMS auf einen Fragebogen hinzuweisen, auf dem sie Kontaktpersonen melden sollen. Veranstaltern von Festivitäten und Privatpersonen wird inzwischen auch aufgetragen, sich selbst um die Benachrichtigung von Kontakten zu kümmern. Noch setze man nicht vollständig auf diese Selbst-Benachrichtigung, sondern fahre seitens des Amtes "zweigleisig", doch das klappe womöglich nicht mehr dauerhaft.

Kontaktpersonen und Geimpfte: Lücke bei den Regeln für Corona-Tests

Viel Arbeit bereitet dem Gesundheitsamt auch das Thema Tests - es gebe viele Anfragen. Inzwischen habe man im Internet eine Übersicht veröffentlicht, wer wann noch Anspruch auf einen kostenlosen Test hat. "Es gibt einen völlig undurchsichtigen Dschungel an Regelungen, wer unter Vorlage welcher Schreiben wo getestet werden kann", kritisiert Wibmer die Test-Regeln in Bayern. Geimpfte, die mit einem Corona-Infizierten in Kontakt waren, hätten inzwischen keinen Anspruch mehr auf einen kostenlosen Test. Sobald Symptome auftreten, sei der Hausarzt dann die richtige Anlaufstelle. Geimpfte Infizierte haben zwar die Möglichkeit, sich nach fünf Tagen aus der Quarantäne frei zu testen, allerdings wird auch dieser Test nicht bezahlt. Wibmer sprach von einer "Regelungslücke". Aktuell fülle das Gesundheitsamt diese Lücke aus, indem Beschäftigte die betroffenen Personen zu Hause besuchen und einen Abstrich nehmen. Aber auch hier gerate man an Grenzen.

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