Wenn ein Auto bei einem Unfall beschädigt wird, ist das Karosserie- und Lackierzentrum der Firma Holzer in Inningen eine mögliche Adresse zur Schadensbeseitigung. 40 Mitarbeiter kümmern sich darum, darunter zwölf Auszubildende. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wegen der Corona-Pandemie bildet der Betrieb aus. Wenn in der nächsten Woche das neue Lehrjahr startet, beginnen drei junge Leute bei Holzer mit dem Einstieg ins Berufsleben. Die Bandbreite ist gegeben. Ein Jugendlicher möchte Kfz-Mechatroniker mit der Fachrichtung Karosseriebau werden, ein zweiter angehender Kfz-Mechatroniker richtet seinen Blick auf die Fachrichtung Pkw-Technik. Ebenfalls im Angebot ist die Ausbildung zum Fahrzeuglackierer.
So kümmern sich Augsburger Firmen in Corona-Zeiten um Azubis
Corona ist für das heimische Unternehmen keine Bremse. René Reiter, der sich bei Holzer um die Auszubildenden kümmert, sagt: „Uns geht es darum, die stets benötigten Facharbeiter selbst auszubilden.“ Daran habe sich gegenüber den Vorjahren nichts geändert. Das Unternehmen setze auf den Nachwuchs. Wichtig sei für Reiter in der Ausbildung, dass die jungen Leute auch voll in die Betriebsabläufe eingebunden seien und frühzeitig verantwortungsvolle Arbeiten übernehmen sollen: „Auszubildende sind von Anfang an voll integriert.“ Integration zeigt sich dabei auch in einem anderen Punkt. Einige Lehrlinge haben einen Migrationshintergrund, zu diesen jungen Leuten gehört unter anderem ein Syrer.
Für die schwäbische Handwerkskammer ist die Firma Holzer eine Art Vorzeigebetrieb. Wann immer der Ruf nach dringend benötigten Fachkräften ertöne, sei der beste Weg, die Ausbildung im eigenen Unternehmen zu stärken, lautet die Devise der Kammer. Deren Pressesprecherin Monika Treutler-Walle sagt: „Ebenso rückt ins Bewusstsein der Unternehmen, dass Mitte des nächsten Jahrzehnts die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und ein großes Loch in die Stammbelegschaften reißen werden.“ Diesem Umstand könnten Firmen mit einer weitsichtigen Personalpolitik begegnen. Mit Blick auf das angehende neue Lehrjahr sehen Handwerkskammer sowie die Industrie- und Handelskammer (IHK) jedenfalls trotz Corona nicht schwarz. Es gebe noch immer ein großes Angebot an unbesetzten Lehrstellen, sodass Jugendliche auch in der jetzigen Phase noch zum Zug kämen.
Ausbildung während Corona: So bewertet die IHK die Situation
Corona habe jedoch die betriebsinternen Abläufe beeinflusst, sagt Wolfgang Haschner, Leiter der Berufsorientierung in der IHK: „Aufgrund des Lockdowns werden bei vielen Unternehmen erst jetzt neue Ausbildungsverträge abgeschlossen.“ Die Chancen für noch suchende Jugendliche, einen Ausbildungsplatz zu finden, seien daher gut. Ein Beispiel: In der digitalen IHK-Lehrstellenbörse finden sich aktuell knapp 200 offene Ausbildungsstellen im Wirtschaftsraum Augsburg. Ähnlich bewertet die Handwerkskammer die Ausgangslage. Die Situation auf dem handwerklichen Ausbildungsmarkt im Wirtschaftsraum könne bis jetzt als stabil bezeichnet werden. Im Vergleich zum Vorjahr gebe es gegenwärtig ein kleines Minus an abgeschlossenen Verträgen. Sprecherin Monika Treutler-Walle erläutert: „Aufgrund der Corona-Krise ist der gesamte Ausbildungsmarkt länger als gewohnt in Bewegung.“ Manches war in diesem Jahr komplizierter als früher. Ausbildungsmessen, bei denen Unternehmen und potenzielle Bewerber zusammenkommen, fielen wegen Corona aus. Auch die Praktika in Betrieben waren oftmals in gewohnter Form nicht möglich.
Einstellungen sind auf dem Ausbildungsmarkt länger möglich
Die Handwerksbetriebe reagieren darauf. Der Einstieg in eine Ausbildung ist in dieser besonderen Situation noch bis zum Jahresende möglich. Betriebe, Berufsschulen und Kammer als Partner in der dualen Ausbildung ziehen hier an einem Strang, heißt es. Späteinsteiger könnten insofern noch gut integriert werden. Ein Aspekt in der Statistik stimmt Anette Göllner, Leiterin der Berufsausbildung bei der Handwerkskammer, zuversichtlich. Wider Erwarten habe die Zahl der Betriebe, die das erste Mal ausbilden, deutlich zugelegt: „Dass Unternehmen in Krisenzeiten den Mut haben, in die Ausbildung einzusteigen, erstaunt mich.“
Das Ausbildungsangebot im Handwerk ist breit gefächert. 130 Ausbildungsberufe werden aufgeführt. Offene Lehrstellen gibt es im Bau- und Ausbauhandwerk, im Metallhandwerk und im Lebensmittelhandwerk. Offene Stellen gibt es auch noch in nahezu allen Ausbildungsberufen, die über die IHK-Schiene laufen. Auffällig ist im Vergleich zum Vorjahr, dass bislang insbesondere im IT-Sektor, in der Logistik sowie im kaufmännischen Bereich noch Ausbildungsplätze nicht besetzt werden konnten.
Die Corona-Pandemie hat in nahezu allen Branchen dokumentiert, welche zunehmende Bedeutung die Digitalisierung gewinnt. Nicht zuletzt deshalb wurden einzelne Ausbildungsberufe im Sommer 2020 neu geordnet. Beispiele sind die IT-Berufe oder Bankkaufleute. IHK-Experte Haschner begrüßt diese Entwicklung: „Mehr digitale Inhalte in der beruflichen Ausbildung treffen den Zahn der Zeit und werden den Interessen der Jugendlichen gerecht.“
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