Ein Blick in den Plastikmüll: vollgestopft bis zum Rand mit Tetra Paks, Joghurtbechern und Verpackungsfolie. Es ist erst eine Woche her, dass ich ihn geleert hab, aber er scheint sich von ganz allein zu füllen. Der Restmülleimer ist auch schon wieder voll. Eine Bio-Mülltonne gibt es im Wohnhaus nicht, also landet alles von Eierschalen, Obst- und Gemüseresten, sowie jeglicher Müll, der weder bloß Papier oder Plastik ist, in der schwarzen Tonne. Dabei versuche ich schon, verpackungsfreier einzukaufen.
Ich bin 25 Jahre alt, Studentin und lebe in einer WG in der Innenstadt. Ein paar Schritte in Richtung eines umweltbewussteren Lebens hab ich schon gemacht. Ich habe immer einen Korb, Rucksack oder Jutebeutel zum Einkaufen dabei. Häufig eine Kombination aus allem. Ich benutze einen Mehrweg-Kaffeebecher und verzichte auf Einwegprodukte. Aber auf 100 Prozent plastikfrei oder allgemein verpackungsfrei, hab ich mein Leben noch nicht umgestellt. Bis jetzt: Um zu sehen, wie kostspielig ein umweltbewusster und nachhaltiger Lebensstil ist und wie schwierig es wird, alte Gewohnheiten abzulegen, habe ich einen sieben Tage langen Selbstversuch gemacht.
Tag 1: Einkauf Bevor ich meinen Selbstversuch gestartet hab, war ich zu Besuch beim Stammtisch Forum-Plastikfreies-Augsburg (FPA). Da wurde mir auch erklärt, dass ich nicht alles wegschmeißen muss. Produkte sollen aufgebraucht und dann durch plastikfreie Alternativen ersetzt werden. Für mich ist langsam gut. So kann ich alles der Reihe nach austauschen. Gut informiert, mit Einkaufszettel und leeren Gläsern gewappnet, mache ich meinen ersten Einkauf im Unverpackt-Laden "RutaNatur". Hier gibt es eine große Auswahl an Lebensmitteln. Selbst Leckereien, wie Gummibärchen und Schokolade bieten sie hier an. Ich habe vorher geplant, was ich die Tage koche, denn ein anderes Ziel diese Woche ist auch, keine Lebensmittel wegzuschmeißen.
Denn die Statistik sieht so aus: Laut der World Wildlife Foundation (WWF) werfen die Deutschen im Durchschnitt jedes Jahr 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weg. Im RutaNatur kommt alles aus großen Trichtern, an denen man die mitgebrachten Gläser befüllen kann. Keiner kann nach der Verpackung mit dem längsten Mindesthaltbarkeitsdatum greifen. Wurst nehme ich mir im Bioladen an der Fleischtheke mit und benutze dafür meine mitgebrachte Dose. Beim Bäcker lasse ich mir mein Brot in einen sauberen Jutebeutel packen – und die Verkäuferin freut sich sogar. So bestand am Ende des Tages mein produzierter Müll nur aus den Kassenbons und den Stickern, die auf die mitgebrachten Gläser geklebt werden.
Tag 2: Plastikverbrauch Meinen zweiten Tag verbrachte ich größtenteils an der Uni. Morgens habe ich mir nur meine Wasserflasche eingepackt. Gefrühstückt hatte ich schon. Mittags bin ich die Mensa gegangen und hab eine Serviette benutzt. Auf einen Schokoriegel als Nachtisch habe ich verzichtet. Der kommt ja in Plastik verpackt – und auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist, will ich konsequent bleiben. Laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland fallen in Deutschland pro Kopf und Jahr insgesamt 37 Kilogramm Plastikverpackung an und nur 48 Prozent davon werden wieder recycelt. Der Rest wird exportiert oder verbrannt. Im Vergleich dazu werden laut dem deutschen Umweltbundesamt rund 75 Prozent des Altpapiers recycelt und damit neues Papier hergestellt. Artikel, die aus recyceltem Plastik oder Papier bestehen, werden dementsprechend gekennzeichnet.
Tag 3: Hobbys Es ist schon Mittwoch und bis jetzt war es nicht so schwierig, plastikfrei einzukaufen. Aber bislang ging es ja auch nicht um Dinge, die nicht "lebensnotwendig" sind. Hobbys betreiben wir, weil’s Spaß macht und um unsere individuellen Interessen auszudrücken. Aber wie nachhaltig sind Freizeitaktivitäten? Ich kaufe schon länger keine neuen Bücher mehr, ich gehe gerne in das Sozialkaufhaus Contact in Haunstetten, um gebrauchte Bücher zu kaufen, oder ins Internet. Auch bei Spielen bin ich mittlerweile auf welche aus zweiter Hand umgestiegen. Aber wenn ich male, verbrauche ich meine Stifte, Blöcke und Aquarellfarben. Wenn das passiert, schmeiße ich die leeren Stifte, Töpfchen und Hülsen weg. Und neugekauft kommt alles wieder – in irgendeiner Form von Plastik. Ob eingeschweißt, mit einer Plastikhülle oder Kappe. Hier ist es schwierig, auf Plastik komplett zu verzichten. Viele Freizeitbereiche machen den Wandel zur Nachhaltigkeit nur langsam mit, ist mein Eindruck.
Tag 4: Mülltonnendilemma Die Hälfte meines Selbstversuchs ist schon vorbei und bis jetzt bin ich mit meinem Müllverbrauch zufrieden. Im Müll sind noch zwei Briefumschläge gelandet, eine leere Packung Tee und eine Nudelverpackung. Außerdem Eierschalen und Kerne meiner Gemüse- und Obsteinkäufe. Ein Problem besteht allerdings: Wie kann ich den Müll ordentlich trennen ohne Bio-Mülltonne?
Laut meiner Hausverwaltung wurde sie abgemeldet, weil wir keine Außenanlagen haben. Vom Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetrieb der Stadt Augsburg heißt es, dass eigentlich jedes Grundstück im Stadtgebiet Augsburg mindestens eine Biotonne aufstellen muss. Auch ohne Außenfläche fallen Nahrungs- und Küchenabfälle an. "Diese sind nach den Vorschriften des Vier-Tonnen-Holsystems getrennt zu sammeln." Aber wer überprüft das eigentlich? Im Hausflur des Gebäudes ist jedenfalls auch nicht wirklich Platz für eine zusätzliche Tonne.
Tag 5: Pharmazie Passend zum Mülltonnendilemma schaue ich mich nach anderen Dingen um, die mein Experiment erschweren. Denn es gibt durchaus einen Bereich, wo Einwegplastik in meinen Augen gar nicht wegzudenken ist: Medizin und Pharmazie. Ob in der Praxis oder der Apotheke: Einwegplastik gehört hier zum A und O. Die strengen Hygienevorschriften dienen unserer Gesundheit, und solange es keine ähnliche Alternative gibt, wird hier auf Einwegprodukte erst mal nicht verzichtet. Hinzu kommt: Europäische Richtlinien zum Schutz vor Manipulation und erhalt der Wirksamkeit der Medikamente setzen die Blisterverpackung voraus. Natureinflüssen, wie Feuchtigkeit, soll damit entgegengewirkt werden. Also kann ich Plastik beim Kauf von Medikamenten oder beim Arztbesuch vorerst nicht vermeiden.
Tag 6: Mikroplastik Mein Experiment neigt sich dem Ende zu. Ich war zum Einkaufsvergleich noch im Supermarkt und in einem Drogeriemarkt. Um zu sehen, wie nachhaltig und zukunftsfähig kommerziellere Marken denken. Zumindest frische Artikel bekomme ich im Supermarkt ohne Verpackung. Was mir hier eher auffällt, sind die kleinen Plastikfenster, die viele Kartons haben. Dabei sind die Produkte schon auf der Verpackung abgebildet. Im Drogeriemarkt hab ich mir ein festes Shampoo gekauft. Mehrere Marken bieten mittlerweile die Alternative an. In vielen Produkten in der Drogerie steckt Mikroplastik. Eine Berechnung der WWF geht von etwa 212 Gramm Mikroplastik pro Kopf pro Woche auf. Vermeiden kann man die Inhaltsstoffe, wenn man genau aufs Etikett schaut. Produkte, die Inhaltsstoffe mit dem Wortteil Poly oder Acryl angeben, sind mit Mikroplastik hergestellt worden. Besonders bei Zahnpasta scheint Mikroplastik üblich zu sein. In Papier verpackt und ohne Mikroplastik sind die Zahnpastatabletten, die ich mir kaufe. Vorher hab ich den Barcode mit einer App gescannt, die bedenkliche Inhaltsstoffe, wie Mikroplastik, erkennt.
Tag 7: Bilanz Am letzten Tag des Selbstversuchs ziehe ich Bilanz. Auch finanziell. Beim Einkauf habe ich zwar einen Aufpreis bezahlt, der vor allem durch die Bio-Qualität zustande kam, aber insgesamt habe ich mehr Geld gespart. Anstatt mich wie üblich vom Produktmarketing verführen zu lassen, habe ich ganz gezielt meine Mahlzeiten geplant und nichts Unnötiges eingekauft. An Müll habe ich vielleicht ein Fünftel vom Üblichen produziert und davon ist der größte Teil Papier. Aber ich hab auch gelernt, dass es viele Dinge gibt, wo die nachhaltigen Alternativen fehlen.
Mein Ergebnis: Es kommt auf die eigene Einstellung und die Gewohnheit an. Immer an alles zu denken, ist am Anfang schwierig, aber es lohnt sich. Die Woche hat auch mein Bewusstsein für den Plastikverbrauch anderer geschärft. Es macht mich jetzt glücklich zu sehen, wie andere sich bemühen, nachhaltig zu sein, auch wenn es nur kleinere Sachen sind. Das Experiment hat mir gezeigt, dass eine Umstellung auf ein plastikfreieres Leben gar nicht so schwierig ist. Und auch, dass jeder sein eigenes Tempo festlegen kann, wenn es darum geht, plastikfrei und nachhaltig zu leben.
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