Die Corona-Pandemie trifft den Handel hart, viele Geschäfte haben weiterhin geschlossen. Das Betreten der Verkaufsräume ist Kunden damit nicht möglich. Was allerdings erlaubt ist, ist das Abholen von bestellten Waren vor dem Geschäft. Click und Collect heißt das System, dieses Angebot macht auch das Modehaus Brax in der Augsburger Innenstadt, doch dessen Verkaufsstrategie geht einen Schritt weiter: Auch eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Verkaufsteam am Laden ist möglich. Diese Art des Verkaufs stößt bei anderen Einzelhändlern nun auf Unverständnis. Beim Einzelhandelsverband hat man dazu eine klare Haltung.
Es war einiges los bei Brax am Samstag in der Fußgängerzone. Passanten war aufgefallen, dass im Eingangsbereich des Brax-Ladens am Moritzplatz ein Tisch aufgebaut war. Wer sich für ein Kleidungsstück interessierte, konnte mit dem Verkaufspersonal Kontakt aufnehmen. So schildern es übereinstimmend mehrere Personen. Ein Pullover, der zum Beispiel im Schaufenster hing, wurde dann zum Eingangsbereich gebracht. Der Kunde selbst betrat den Laden allerdings zu keinem Zeitpunkt.
Modehaus Brax wirbt in Augsburg offensiv für seine Verkaufsstrategie
Brax selbst wirbt offensiv für diese Verkaufsstrategie. Ein Informationsschreiben hängt im Schaufenster. Darin heißt es wörtlich: "Sie haben etwas in unserem Store oder den Schaufenstern gesehen oder entdeckt, das Ihnen gefällt, das Sie interessiert? Dann sprechen Sie uns gerne darauf an - via Mail, Telefon oder (soweit möglich in Distanz) persönlich!"
Viktoria Fisel ist Filialleiterin des Brax-Ladens. Sie ist am Dienstag zur Mittagszeit im Laden. Dass es vor Ort einen schnellen Kontakt zum interessierten Kunden geben könne, bestätigt sie. "Wir machen aber nichts Verbotenes, die Distanz wird eingehalten", erläutert sie. Die Verfahrensweise, wie derzeit in Augsburg die Ware angeboten werde, sei nicht einzigartig. Es handle sich um eine Entscheidung der Zentrale. Nach Auskunft der Filialleiterin sei die Resonanz bislang sehr positiv ausgefallen.
Warum eine Augsburger Geschäftsfrau sauer auf Brax ist
Was Brax-Kunden gefreut hat, stößt bei Milana Reitmayer auf wenig Verständnis. "Das ist eine Verzerrung des Wettbewerbs", sagt die Geschäftsführerin des Ladens Ideenreich. Reitmayer hat zwei Geschäfte - am Judenberg und im Stadtmarkt. Dass nun Kunden direkt an einem Geschäft ihre Einkäufe tätigen könnten, sei nicht zu akzeptieren. Nach ihrer Auffassung habe die Brax-Verkaufsstrategie die gültigen Regelungen bei Click und Collect überschritten. Die Regelung besage, dass der Kunde die Ware vorab bestellen müsse: "Es sieht nun danach aus, dass die Großen einfach ihre Regeln selbst machen." Jeder suche sich dann heraus, wie es für ihn am besten passe. Das sei kein Fair Play gegenüber anderen Geschäftsleuten, die sich an die Regeln hielten.
Gerade für die kleinen Händler sei die Situation tatsächlich existenzgefährdend, betont Milana Reitmayer. Das wisse sie aus vielen Gesprächen mit Kollegen. Fördergelder fließen nicht, mancher Geschäftsinhaber fülle gegenwärtig in Supermärkten Regale auf, um finanziell zu überleben. Es gehe nicht darum, ein anderes Unternehmen anzuprangern, "aber so geht es einfach nicht".
Die Diskussionen über das Vorgehen von Brax sind dem Einzelhandelsverband in Augsburg bekannt. Geschäftsführer Andreas Gärtner weiß um die Aufregung. "Es ist sicherlich ein schwieriges Thema, weil die Corona-Pandemie den Handel in der Tat hart getroffen hat." Darum müsse man Verständnis haben, wenn Händler vieles versuchen, um Umsätze zu erzielen. Dennoch sei nach seiner Einschätzung das Vorgehen von Brax nicht zu tolerieren: "Es ist nicht okay." Die Entscheidung darüber liege aber bei den Ordnungsbehörden.
Die Stadt Augsburg prüft den Vorgang
Bei der Stadt Augsburg ist der Vorgang bekannt. Es habe von unterschiedlicher Seite Hinweise gegeben, heißt es auf Anfrage. Bei einer ersten Prüfung sei die Handhabe jedoch nicht beanstandet worden, sagt Stefan Sieber, Sprecher der Stadt. Man werde nun aber wohl nochmals auf das Unternehmen zugehen. "Bei Verdachtsfällen gehen wir grundsätzlich den Dingen nach", so Sieber. Die allermeisten Geschäfte hielten sich generell an die Corona-Auflagen. Liege ein Verstoß gegen Auflagen vor, kommt es zur Anzeige.
Die Regelungen beim Click-und-Collect-System seien klar, sagt Gärtner. Die Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit dem Händler seien auf elektronischem Weg gegeben, dazu gehöre ferner die telefonische Bestellung. Click und Collect werde angenommen, sorge aber nicht für das große Geschäft. Der Handel warte daher auf ein Zeichen der Politik, die Läden bald wieder zu öffnen, sagt Gärtner: "Die Händler brauchen eine Öffnungsperspektive - und zwar zeitnah."
Click und Collect gibt es auch auf dem Augsburger Stadtmarkt
Dass die Geschäfte wieder regulär öffnen dürfen, darauf setzt auch Gabriele Bauer. Sie führt einen Blumenstand am Stadtmarkt. Dass Blumenhändler neuerdings auf das Click-und-Collect-System setzen können, freut sie. In ihrem Laden hat sie einzelne Sträuße mit Nummern versehen, die dann auf Bestellung abgeholt werden können. Anrufen, bestellen, hier abholen, so lautet die Botschaft an die Kunden. Dass mitunter Kunden direkt bei ihr nach den Blumen fragen, komme natürlich immer wieder vor. "Ich muss sie dann allerdings darauf hinweisen, dass eigentlich ein Anruf nötig ist." In der Praxis sei dies allerdings gar nicht immer so leicht umsetzbar. Speziell bei älteren Kunden falle es schwer, den Wunsch eines direkten Kaufs auszuschlagen.
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