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Prozess in Augsburg: Veruntreuung und "Panscherei": So schlitterte Wein Bayerl in die Pleite

Prozess in Augsburg

Veruntreuung und "Panscherei": So schlitterte Wein Bayerl in die Pleite

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    Die Weinkellerei Bayerl nahe des Rathausplatzes war die einzige Weinkellerei Augsburgs.
    Die Weinkellerei Bayerl nahe des Rathausplatzes war die einzige Weinkellerei Augsburgs. Foto: S. Wyszengrad (Archiv)

    Fast ein Jahr ist es her, dass die Weinkellerei Bayerl in die Insolvenz geschlittert ist. Nun standen die beiden Firmenübernehmer und Geschäftsführer der einstigen Traditionskellerei unter anderem wegen Insolvenzverschleppung vor Gericht. Im Prozess kam ans Tageslicht, mit welchen Methoden versucht wurde, die Pleite zu verhindern. Dabei ging es auch um „Weinpanscherei“, wie sie eigentlich nur in schlechten Krimis vorkommt.

    Die Weinkellerei Bayerl war die einzige Weinkellerei Augsburgs und das Lebenswerk des einstigen Besitzers. Sie belieferte sogar eines der größten europäischen Delikatessengeschäfte Dallmayr in München mit Spirituosen. Dass das traditionsreiche Familienunternehmen einmal unter solch trostlosen Umständen zugrunde gehen wird, hätte sich der frühere Firmenchef wohl nicht in den schlimmsten Träumen vorgestellt. Und er hätte sein Unternehmen mit zwölf Angestellten wohl nicht im Januar 2013 an diese zwei Männer verkauft, die mit dem Weingeschäft in die Pleite schlitterten. Die Justiz hat die strafrechtliche Seite der Insolvenz jetzt aufgearbeitet.

    Sie hatten Wein Bayerl für eine dreiviertel Million gekauft

    Ein Schöffengericht unter Vorsitz von Roland Fink verurteilte die beiden Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt zu Bewährungsstrafen. Der 43-jährige Geschäftsführer Johann P.* wurde außerdem des Betrugs und der Urkundenfälschung schuldig gesprochen. Seine Strafe: zwei Jahre mit Bewährung, 5000 Euro Geldauflage und 300 Stunden Sozialarbeit. Sein Partner Peter H.*, 51 Jahre alt (*Namen geändert), der sich aus dem operativen Geschäft weitgehend herausgehalten hatte, kam mit zehn Monaten auf Bewährung und einer Geldauflage von 15.000 Euro davon.

    Johann P., diplomierter Kaufmann und Weinliebhaber, der schon zuvor nebenberuflich einen kleinen Weinexport betrieb, hatte Wein Bayerl mit dem Hauptgeschäft in der Philippine-Welser-Straße zusammen mit seinem Partner für eine dreiviertel Million Euro gekauft. „Es war uns klar, dass es knapp wird, dass wir die Umsätze erhöhen, das Sortiment mit 1000 Einzelpositionen verändern und reduzieren müssen“, schilderte der 43-Jährige (Verteidiger Gerhard Decker) den Neueinstieg. Das Geschäft sollte attraktiver werden, man habe neue Kunden gewinnen wollen. Doch die teils langjährigen Mitarbeiter hätten sich gegen eine Neuausrichtung gesträubt.

    „Es gab intern massiven Widerstand. Das Verhältnis war zerrüttet. Ende 2018 war die Hälfte der Mitarbeiter krank.“ Was freilich die Chefin der Buchhaltung, 61, vehement bestritt.

    Auch am Milchberg gab es einst eine Bayerl-Filiale.
    Auch am Milchberg gab es einst eine Bayerl-Filiale. Foto: Bernd Hohlen

    Den Beschäftigten sei klar gewesen, „dass irgendwann der Knall kommt“, sagte die Frau im Zeugenstand. Schon 2016 sei die Firma in Schieflage gewesen, 2017 sei die Gerichtsvollzieherin ein- und ausgegangen. „Ich hab den Geschäftsführer sehr oft auf die desolate Situation hingewiesen. Aber das wurde nur weggelächelt“, meinte die Buchhalterin, die sich mit ihren Kollegen sogar juristischen Rat eingeholt hatte. Als im Juli 2018 kein Gehalt angewiesen worden sei, hätten sich die Beschäftigten ihr Geld bar aus der Kasse nehmen sollen.

    Der Diplomkaufmann Johann P. machte vor allem Umsatzrückgänge für die damalige Lage verantwortlich. Einige Augsburger Gastronomiebetriebe, die man beliefert habe, seien dichtgemacht worden. Dallmayr in München habe weniger Ware abgenommen. Lieferanten hätten schließlich Vorauskasse verlangt. Auch ein Darlehen der Stadtsparkasse über 350.000 Euro und 100.000 Euro eines privaten Investors hätten die Lage nicht verbessert, räumte der Angeklagte ein. Warum die Geschäftsführung nicht rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt habe, wollte Richter Fink wissen. Johann P.: „Es war schwierig, mir das Scheitern einzugestehen.“

    Prozess in Augsburg: Ab Februar 2017 war die Firma zahlungsunfähig

    Der von Staatsanwältin Franziska Deisenhofer vorgetragenen Anklage zufolge war das Unternehmen spätestens Ende Februar 2017 zahlungsunfähig gewesen. Erst zwei Jahre später aber wurde der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Wie Johann P., der die operativen Geschäfte managte, bis zuletzt eine Pleite verhindern wollte, mutet teilweise reichlich skurril an.

    So wurden Umsatzübersichten manipuliert, Lieferantenrechnungen beglichen und die Überweisungen dann gleich wieder storniert. Als Betrug werteten Staatsanwaltschaft und im Urteil auch das Gericht eine Art von „Weinpanscherei“. Weil Händler und Winzer wegen der Zahlungsprobleme ihre Lieferung einstellten, wurde billiger Sekt zum Einkaufspreis für 2,50 Euro pro Flasche umetikettiert und mit dem Aufkleber der traditionellen Hausmarke „Fugger Riesling Brut“ versehen und verkauft – in einem Fall an einen Kunden 84 Flaschen zu je 10,98 Euro.

    Ähnlich auch der Schwindel mit einem italienischen Rotwein. So wurde aus einem billigen Hauswein ein „Baglio del Sole – Nero d’Avola“, indem das Originaletikett eingescannt und dann ausgedruckt auf die Flaschen aufgeklebt worden war.

    Am Ende hatten sich in dem Unternehmen Schulden in sechsstelliger Höhe angehäuft, darunter 40.000 Euro Mietschulden an die Stadt für den Laden in der Welserstraße.

    Wein-Bayerl-Insolvenz: "Katastrophe für alle Seiten"

    Der zweite angeklagte Geschäftsführer Peter H. (Verteidiger: Klaus Rödl) räumt ein, es versäumt zu haben nachzuhaken. „Ich bin davon ausgegangen, dass die Zahlen stimmen“, beteuert er im Prozess, der sich ansonsten um das Geschäft nicht groß gekümmert haben will. Neben dem früheren Inhaber von Wein Bayerl sind auch etliche ehemalige Beschäftigte als Zuhörer zum Prozess gekommen, die aber zum Teil wieder vor die Tür geschickt werden, weil sie als Zeugen infrage kommen.

    Am Ende des Prozesses spricht Verteidiger Decker von einer „Katastrophe für alle Seiten“ und einer Geschäftsübernahme, in die „viel Geld reingepumpt und viel Geld verbrannt worden ist“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Nur am Rande zur Sprache kommt ein geschäftlicher Neustart von Johann P. mit einem neuen Wein- und Spirituosenhandel im Stadtteil Oberhausen. Er wolle dort seine Geschäftsführertätigkeit aber in Bälde niederlegen.

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