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Versuchter Mord: 21-Jähriger in Augsburg vor Gericht: Ein emotionaler Dampfkessel

Versuchter Mord

21-Jähriger in Augsburg vor Gericht: Ein emotionaler Dampfkessel

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    Prozessakten (Symbolfoto)
    Prozessakten (Symbolfoto) Foto: dpa

    Der Angeklagte scheint ein emotionaler Dampfkessel zu sein, der schnell überkocht, ein Pulverfass, das in Sekunden explodiert, und sei der Anlass noch so nichtig. Beobachtet man den 21-jährigen, großen schlanken Mann mit blassem Gesicht, so könnte man meinen, dass er kein Wässerchen trüben kann. Seine übergroße Aggressivität und sein Gewaltpotential haben Polizei und Justiz in den vergangenen Jahren aber viel Arbeit beschert. Seit gestern muss er sich vor der Jugendkammer des Landgerichts unter anderem wegen eines versuchten Mordes verantworten.

    Als der Angeklagte (Verteidiger: Walter Rubach) am 25. April 2011 in Haft genommen wird, weil er einem Kumpel hinterrücks ein Obstmesser in den Rücken stach, sind bei der Staatsanwaltschaft bereits vier weitere Gewaltdelikte aktenkundig, schon drei Anklagen erhoben.

    Im Juni 2010 hat er einem Arbeitskollegen einen Hammer auf den Oberarm geschlagen. Im September 2010 tritt er vor einer Tankstelle einer jungen Frau in den Bauch und schlägt ihr die Faust siebenmal ins Gesicht, sodass sie einen Zahn verliert und einen dreifachen Nasenbeinbruch erleidet. Einen Monate später hat er in einer Tram der Linie 1 einem Fahrgast, der einen Streit schlichten wollte, einen Nothammer an den Kopf geworfen. Wieder sind nur drei Wochen vergangen, als er vor einem Imbiss eine junge Frau zusammenprügelt.

    Der Angeklagte bestreitet nicht. Aber er versucht, die Schuld stets den anderen zuzuschieben, er bagatellisiert, will provoziert worden sein.

    Bei dem Vorfall vor der Tankstelle sagt er, die Frau habe „Stress gemacht, sie hat mich durch ihr Reden auf die Palme gebracht. Da dachte ich mir, jetzt reichts langsam“. Und dann habe er halt zugeschlagen. Oder: In dem Schnellimbiss habe eine junge Frau gelacht. „Das hat mir nicht gepasst, da habe ich ihr das Tablett ins Gesicht geworfen. Ich hatte schlechte Laune“.

    Obwohl der Angeklagte erst im September 2009 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt wurde, blieb er bis zu dem verhängnisvollen Messerstich im April 2011 auf freiem Fuß.

    In einer Wohnung in Lechhausen hatte er mit mehreren Kumpeln gezecht. Ein Gleichaltriger piekste ihn – wie dieser als Zeuge sagt „aus Langeweile und aus Spaß“ – mit einer Nagelschere in den Unterarm.

    Der Angeklagte: „Ich habe mich in meiner Ehre verletzt gefühlt“. Das war Grund genug, aus der Küche ein Obstmesser zu holen und es dem arglos auf dem Sofa sitzenden Kumpel in den Rücken zu stoßen. Der Stich verletzte das Lungenfell, das Opfer musste im Klinikum notoperiert werden.

    Nach der Festnahme soll der Angeklagte geäußert haben: „Ich hab einen abgestochen und er hat leider überlebt“.

    Den hinterlistigen Angriff wertet Staatsanwalt Hans-Peter Dischinger als versuchten Mord. Die Jugendkammer unter Vorsitz von Lenart Hoesch hat zu dem dreitägigen Prozess 43 Zeugen geladen. Eine wichtige Rolle kommt dem psychiatrischen Gutachter Dr. Richard Gruber zu.

    Er soll beurteilen, ob sich eine Epilepsieerkrankung des Angeklagten im Kindesalter auf seine Schuldfähigkeit ausgewirkt hat.

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