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Verkehr: Die Tücken der Brücken

Verkehr

Die Tücken der Brücken

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    Josef Schmid prüft mit einem Schmidt’schen Rückprallhammer die Betonqualität.
    Josef Schmid prüft mit einem Schmidt’schen Rückprallhammer die Betonqualität.

    Sie war bockig und verbarg ihr bröseliges Geheimnis. Als Josef Schmid und seine Kollegen die Wertachbrücke in Göggingen untersuchen wollten, stießen sie auf Holz. „Wir mussten erst einmal die Zugänge freibekommen“, sagt seine Chefin Karoline Pusch aus dem Tiefbauamt. Die Brücke hat große Hohlräume im Innern. Doch als sie im Jahr 1978 gebaut worden war, ließen die Arbeiter dort die Schalung zurück. Die Brückenprüfer des Tiefbauamts wollten aber dort hinein. Sie verschafften sich auf Knien Zugang und lüfteten das unerfreuliche Geheimnis: „Der Beton unter der Fahrbahn ist bröselig“, sagt

    Die Brücke ist ein Sanierungsfall. Seit gestern sieht das jeder, denn der Verkehr ist eingeschränkt. Sie ist nicht alleine: Augsburg hat mehr als 600 Brücken, 25 bis 30 müssen in den nächsten fünf bis zehn Jahren angepackt werden. Das ist weder eine ungewöhnlich hohe noch eine gefährliche Zahl, sagt der Chef des Tiefbauamtes, Josef Weber: „Das bedeutet nicht, dass eine Gefahr besteht oder die Brücken nicht mehr befahren werden können.“ Aber es bedeutet, dass Brückenprüfer Josef Schmid auf seinen regelmäßigen Prüftouren Mängel gefunden hat.

    Im Bärenkeller sind sie sichtbar. In der Straße am Roggenfeld überspannt eine Brücke aus dem Jahr 1954 die Bahnstrecke. Am Beton haben die Jahre ihre Spuren hinterlassen. Bauingenieur Schmid deutet auf die Stahlpfosten, die das Geländer halten: Rost. Er prüft in festen Abständen alle Brücken. Mit dem Auge, dem klassischen Hammer, aber auch mit dem Schmidt’schen Rückprallhammer, einer Art Alkomat für Beton. „Damit prüfen wir die Qualität“, erklärt er. Im Bärenkeller kam das Tiefbauamt zum Schluss, dass die Brücke am besten neu gebaut wird.

    Bauwerken wie ihr macht nicht nur das Alter zu schaffen: „Ein großes Problem ist Streusalz“, sagt Karoline Pusch, die Abteilungsleiterin Wasser- und Brückenbau im Tiefbauamt. Wenn salziges Wasser in die Bauwerke eindringt, hinterlässt es Schäden – wie in Göggingen.

    Andere Brücken leiden unter der Zeit, in der sie entstanden sind: „In den 50er Jahren hat man am Material gespart“, erklärt Karoline Pusch. Und man ahnte nicht einmal, welche Verkehrsströme sich einmal über die Brücken wälzen würden.

    Draußen im Bärenkeller erzählt Josef Schmid eine passende Geschichte. Als die Luitpoldbrücke in Pfersee neu errichtet wurde, fand er Unterlagen aus den 1920er Jahren. Darin wurde die alte Brücke gepriesen: Es war von einer Meisterleistung die Rede, denn auf der Brücke könnten sich zeitgleich Menschenmassen und eine 20 Tonnen schwere Dampfwalze bewegen, so Schmid. Von 40 Tonnen schweren Lastwagen und Combino-Straßenbahnen ahnte damals niemand etwas.

    Vieles, was heute den Brücken zusetzt, war zur Zeit ihres Baus nicht vorhersehbar: Niemand konnte sich in den 50er Jahren vorstellen, dass einmal 40000 Fahrzeuge pro Tag auf der Ackermannstraße die Wertach überqueren würden. Heute ist es so und die Brücke ächzt. Sie steht auch auf der Liste der Sorgenkinder – auch weil sie jeder Schwertransport mit Schiffsdiesel-Motoren dauerhaft um einen Zehntelmillimeter senkt, sagt Schmid. Das ist nicht gefährlich, „darf aber nicht sein“. Sanierung oder Neubau, heißen die Auswege.

    Neu bauen oder lieber sanieren?

    In Zeiten knapper Kassen sind solche Entscheidungen schwierig. Der Bauausschuss muss demnächst beschließen, ob die Gögginger Wertachbrücke saniert (eine Million Euro) oder neu gebaut (3,5 Millionen) wird. An anderen Orten hat die Stadt bereits Brücken in die Zukunft geschlagen. „Bei den großen Bauwerken sind wir fast fertig“, sagt Tiefbauamtschef Weber. Diesel-, Afra- und Ulrichsbrücke sind neu. Aber auch sie werden nicht ewig halten. Nach 30 bis 40 Jahren sind die ersten Sanierungen fällig, nach rund 80 Jahren endet das Leben der meisten Brücken.

    Eine hält jedoch schon ewig. Es ist die Barfüßerbrücke in der Innenstadt. Josef Schmid erzählt begeistert: „Elias Holl hat sie 1611 nach dem Vorbild der Rialto-Brücke gebaut, 1825 wurde sie verbreitert.“ Als vor einigen Jahren eine Sanierung anstand, war das Ergebnis verblüffend. Holls Mauerwerk erreichte Spitzenwerte, die Arbeit aus dem 19. Jahrhundert schwächelte. Aber die Brücke tut – saniert – immer noch fast unsichtbar ihren Dienst.

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