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Foto: Ulrich Wagner
Foto: Ulrich Wagner

Nach einem mutmaßlichen Spionagefall an der Uni Augsburg stellt sich die Frage nach dem Schutz wichtiger Forschungsergebnisse.

Augsburg
22.06.2021

Verdacht auf Spionage: Wie gut ist die Uni Augsburg geschützt?

Von Eva Maria Knab, Leonhard Pitz

Nach dem Spionage-Verdacht hüllen sich Uni Augsburg und Fraunhofer in Schweigen. Verfassungsschützer sehen in solchen Vorfällen eine Bedrohung.

Die Forschung an der Universität Augsburg wird immer internationaler. Bei zahlreichen Projekten arbeiten Teams von Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland zusammen. Doch mit der Internationalisierung steigt auch die Gefahr von Wissenschaftsspionage. Das zeigt der neue Fall des Russen Ilnur N., der für den russischen Geheimdienst spioniert haben soll. Wie sensibel sind die möglicherweise betroffenen Forschungsprojekte? Und sind die Universität und andere Augsburger Forschungseinrichtungen ausreichend gegen solche Angriffe gewappnet?

Wie am Montag bekannt wurde, befindet sich der wissenschaftliche Mitarbeiter an einem naturwissenschaftlich-technischen Lehrstuhl der Uni derzeit wegen mutmaßlicher geheimdienstlicher Agententätigkeit in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, für einen russischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. Zwischen Oktober 2020 und Juni 2021 soll er sich mindestens dreimal mit einem Angehörigen eines russischen Auslandsgeheimdienstes getroffen haben. Zumindest bei zwei dieser Treffen soll er Informationen aus dem "Herrschaftsgebiet der Universität" weitergegeben und dafür Bargeld erhalten haben, so der Generalbundesanwalt.

Kam der mutmaßliche russische Spion an sensible Informationen?

Welche Sicherheitsvorkehrungen werden in Augsburg grundsätzlich getroffen? Werden Mitarbeiter in sensiblen Bereichen überprüft und müssen sie sich zu Stillschweigen gegenüber Dritten verpflichten? Keine der Fragen unserer Redaktion zu diesem Thema wurden von der Uni-Pressestelle am Dienstag beantwortet. Pressesprecherin Manuela Rutsatz teilte mit, die Universität werde auch zu Themen aus dem eventuellen Umfeld des Spionageverdachts nicht kommunizieren. "Wir möchten weder die Ermittlungen beeinträchtigen noch irgendwelche Spekulationen forcieren."

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Fachleute schließen nicht aus, dass der mutmaßliche Spion Ilnur N. an sensible Informationen herangekommen sein könnte. Er war seit 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität und im Bereich des Instituts für Materials Resource Management tätig. Dort soll er nach früheren Uni-Informationen beim Forschungsprojekt "MakeKryo - Materialkennwertermittlung bei kryogenen Temperaturen" mitgewirkt haben. Diese Forschung wurde durch das DLR-Raumfahrtmanagement im Rahmen des Nationalen Raumfahrtprogramms gefördert. Im Rahmen des Projektes wurden neue Prüfmöglichkeiten für die Charakterisierung von Faserverbundwerkstoffen unter Weltraumbedingungen erforscht.

Spionage-Verdacht an der Uni Augsburg: Wo war Ilnur N. noch tätig?

Der mutmaßliche russische Spion soll darüber hinaus in der Arbeitsgruppe Werkstoffe und Mechanik tätig gewesen sein, die seit 2019 am "ODIN-Projekt" mitforscht. Ziel von ODIN (Optimized Design for Inspection) ist es laut Uni-Website, binnen der nächsten vier Jahre die technischen Standards für den Einsatz von sogenannten strukturellen Überwachungssystemen für den Einsatz im Luftfahrtbereich zu erarbeiten.

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Zuvor war Ilnur N. auch noch bei einer anderen renommierten Forschungseinrichtung in Augsburg tätig. Nach Recherchen unserer Redaktion machte er zwischen 2016 und 2017 ein 16-monatiges Praktikum beim Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechik (IGCV). Das Institut steht für anwendungsbezogene Forschung und hat seinen Schwerpunkt in den Themenfeldern Engineering, Produktion und Multimateriallösungen. Die Forscher beschäftigen sich mit Innovationen auf der Ebene der Fertigungsprozesse und Materialwissenschaften, der Maschinen und Prozessketten sowie der Fabrik- und Unternehmensnetzwerke. Auch bei Fraunhofer wollte man sich am Dienstag nicht äußern, welche Schutzmaßnahmen gegen Spionage getroffen werden. Dort hieß es, man werde die Fragen prüfen und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt beantworten.

Ein Experte erklärt die Sicherheitsstandards an Hochschulen

Die betroffenen Forscher schweigen. Bleibt die Frage: Wie schützen sich Universitäten in Bayern grundsätzlich gegen Wissenschaftsspionage? Christian Fötinger von der Stabsstelle Informationssicherheit bayerischer staatlicher Universitäten und Hochschulen sagt dazu: "Man versucht, in einzelnen Projekten Sicherheitsstandards zu setzen." Dazu gehöre, dass der Kreis der Projektmitarbeiter relativ überschaubar bleiben soll. Die beteiligten Kräfte sollen auch nur Zugang zu den Informationen bekommen, die sie für ihre Forschung benötigen. Fötinger zufolge gelten für Angestellte an staatlichen Hochschulen zudem dieselben Vorschriften zur Geheimhaltung wie im öffentlichen Dienst. Bei besonders sensiblen Forschungsprojekten gebe es in der Regel auch eine Überprüfung der beteiligten Wissenschaftler. Technisch sei es so, dass die Zugriffsrechte auf Informationen auf das notwendige Maß eingeschränkt werden.

Nach Angaben des Spezialisten für Informationssicherheit treten Hochschulen in Bayern in bestimmten Fällen auch von sich aus in Kontakt zum Verfassungsschutz, etwa wenn illegal installierte Schadstoff-Software entdeckt wird oder nach Angriffen von Hackern. Die Verfassungsschützer übernehmen dann die weitere Analyse, wie ernst ein Vorfall einzuschätzen ist.

Verfassungsschützer halten Wissenschaftsspionage für ein Risiko

Beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz hält man Wissenschaftsspionage inzwischen für eine ernst zu nehmende Bedrohung in der Spitzenforschung. Einerseits sei es eine positive Entwicklung, dass die Wissenschaft im Freistaat immer internationaler werde, andererseits gebe es auch Schattenseiten. Viele Staaten würden Nachrichtendienste beauftragen, um wissenschaftliches Know-how durch Spionage auszuforschen. Folgt man den Verfassungsschützern, stehen im Fokus der Spione in erster Linie innovative Technologien. Aber auch sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Themen seien von Interesse. Ausgeforscht werden nicht nur neue technische, sondern auch strategische Informationen. Grundsätzlich gelte: Je besser, desto begehrter.

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