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Augsburg: Uniklinik Augsburg: Die Mitarbeiter sind am Limit

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Uniklinik Augsburg: Die Mitarbeiter sind am Limit

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    Die Arbeit auf den Covid-19-Stationen der Uniklinik ist für die Pflegekräfte besonders anstrengend - auch wegen der Schutzausrüstung, die sie tragen und ständig wechseln müssen.
    Die Arbeit auf den Covid-19-Stationen der Uniklinik ist für die Pflegekräfte besonders anstrengend - auch wegen der Schutzausrüstung, die sie tragen und ständig wechseln müssen. Foto: Robert Michael, dpa (Symbolbild)

    Pflegekräfte können einiges wegstecken. Sie sind es gewohnt, unter Zeitdruck zu arbeiten, und werden schon immer mit dem Leid und den Ängsten von Patienten unmittelbar konfrontiert. Der Arbeitsalltag in Zeiten der Corona-Pandemie gestaltet sich aber noch wesentlich anstrengender, erzählen uns Mitarbeiter der Augsburger Uniklinik. Die Pflegekräfte befürchten Nachteile, wenn sie sich über ihre Arbeit öffentlich äußern, deshalb wollen sie nicht namentlich genannt werden. Sie geben einen Einblick hinter die Kulissen des Großkrankenhauses, das von der zweiten Welle derzeit besonders hart getroffen wird.

    Mitarbeiter der Uniklinik Augsburg sind von der Intensität der zweiten Welle überrascht

    Von der „Intensität der Welle“ sei die Uniklinik überrascht worden, berichten die Pflegekräfte. Bereiche wurden geschlossen und in Covid-Stationen umgewandelt, Mitarbeiter dorthin versetzt. „Das musste oft so schnell gehen, dass manche Mitarbeiter erst eine Woche, nachdem sie bereits auf einer Covid-Station arbeiteten, eine Hygiene-Schulung bekamen“. Die Uniklinik hatte ein fünfstufiges Corona-Konzept erstellt; es war gut eine Woche nach Ausbruch der zweiten Welle schon ausgeschöpft. „Die erste Hochrechnung mit 50 Normal- und 30 Intensivbetten als Vorhaltekonzept verwarf die Ärztliche Direktion binnen weniger Tage; die Realität überrollte die erste Konzeption“, heißt es in einem internen Lagebericht für die Beschäftigten, der unserer Redaktion vorliegt.

    Inzwischen gibt es sechs Covid-Normalstationen plus drei Intensivstationen mit rund 40 Plätzen für Covid-Patienten. „Im Schnitt befinden sich 120 bis 140 Patienten, die mit Corona infiziert sind, in der Uniklinik“, berichtet ein Pfleger. Stand Freitag waren es 129 Patienten, 36 davon so schwer erkrankt, dass sie auf der Intensivstation behandelt werden mussten.

    Auf der Intensivstation wäre nach Angaben eines Pflegers zwar räumlich Platz für 120 Betten, es wären aber nur etwa 80 belegt – davon rund die Hälfte mit Corona-Patienten. Der Grund: Es fehle an Personal, und das schon vor der Corona-Krise. Nach den Berichten der Mitarbeiter verlege die Uniklinik „massiv“ Corona-Patienten aus der Intensivstation an andere Krankenhäuser – unter anderem an die Unikliniken in Regensburg und Ulm, um die Aufnahmekapazität zu erhalten. „Das Gesundheitssystem in Augsburg wäre schon zusammengebrochen, wenn wir nicht abverlegen könnten“, sagt ein Pfleger.

    Corona in Augsburg: 150 Patienten wurden in andere Kliniken gebracht

    Professor Michael Beyer, der Ärztliche Direktor der Uniklinik, sagt auf Anfrage, in den vergangenen Wochen seien 150 Patienten – bis zu acht Patienten der Normalpflege und zwei Intensivpatienten täglich – in andere regionale und überregionale Klinken verlegt worden. Im Internet ist zuletzt darüber spekuliert worden, die Uniklinik habe Patienten aus dem Ausland aufgenommen. Dem widerspricht Beyer klar: „Bisher wurden keine Covid-Patienten aus dem Ausland zuverlegt“.

    Intensivbetten im Uniklinikum: Der Mangel hat sich verschärft

    Schon vor der Pandemie seien Intensivbetten aber ein „knappes Gut“ gewesen, sagt Beyer. Der Mangel habe sich durch die Coronakrise „massiv verschärft“. Eine Ausweitung der Intensivkapazitäten für Corona, sagt er, würde unweigerlich zu einem weiteren Versorgungsengpass für die Nicht-Corona-Patienten, etwa für Notfälle, führen. Personelle Engpässe auf der Intensivstation hätte in den Augen der Beschäftigen, die unserer Redaktion von ihrem Alltag erzählt haben, in dem Ausmaß nicht sein müssen. Im Sommer wäre Zeit gewesen, das eigene Personal zu schulen, meinen sie. „Natürlich kann man einen Pfleger, der auf einer normalen Station arbeitet, nicht einfach so auf die Intensivstation verlegen. Dazu braucht es eine Einarbeitung. Das wurde verschlafen.“ Ungeschulte Pfleger könnten dort nur zuarbeiten, was für sie oft frustrierend sei.

    Vor Herausforderungen werden Mitarbeiter derzeit in allen Bereichen gestellt. Allein das erforderliche Wechseln der Schutzausrüstung mache die Arbeit auf den Corona-Normalstationen besonders anstrengend. Vor jedem Zimmer müsse neue Ausrüstung angezogen werden. Sie bestehe aus einem Schutzkittel, Handschuhen, einer FFP-2-Maske und einer normalen Maske, die zusätzlich darüber gezogen werde, einer Haube und einer Schutzbrille. Nach kurzer Zeit laufe den Mitarbeitern in der Montur das „Wasser runter“, gefühlt werde ein Großteil der Arbeitszeit für das An- und wieder Auskleiden der Ausrüstung verwendet. Mitarbeiter berichten, dass es die Vorgabe der Klinikhygiene gebe, die Patientenzimmer nicht „zu häufig“ zu betreten. Eine konkrete Vorgabe, wie oft ein Zimmer betreten werden darf, gibt es laut Uniklinik nicht. Ein Pfleger spricht aber davon, dass für Routinearbeiten zwei Besuche pro Schicht reichen sollten.

    Das sei auch für die Patienten nicht einfach, die aufgrund der Erkrankung verunsichert und durch das Besuchsverbot auch noch isoliert auf den Zimmern liegen würden. Auf der Isolierstation (Verdachtsfälle) würde sich derzeit je ein Patient pro Zimmer befinden, auf den Normalstationen werde inzwischen auch „kohortet“ - das heißt, zwei Covid-Patienten teilen sich ein Zimmer.

    Durch Krankheiten und Quarantäne, sagen mehrere Pflegekräfte, fehle es an Personal. Einige Mitarbeiter hätten sich auch mit dem Coronavirus infiziert. Eine Fachkraft ist sich nahezu sicher, dass sie sich auf ihrer Station angesteckt hat. Sie habe sich freiwillig für den Dienst auf der Corona-Normalstation gemeldet und bereue das inzwischen. Die Infektionen würden die Belegschaft verunsichern, damit sinke die Bereitschaft, auf Covid-19-Stationen zu arbeiten. „Man weiß ja nicht, was man falsch gemacht hat“, sagt sie.

    Dass es Corona-Ausbrüche bei Patienten und auch Infektionen bei Mitarbeitern gab, bestätigt die Uniklinik. Im internen Lagebericht wird das Beispiel von 16 Ansteckungen durch einen Patienten auf einer Station genannt. Professor Beyer sagt, man gehe jedem Fall nach, erfasse Kontaktpersonen, verlege Patienten in Covid-Bereiche. Mitarbeiter, die infektiös seien, dürften nicht arbeiten. Nach abgeklungener Infektion, Quarantäne beziehungsweise negativem Test sei eine Wiederaufnahme der Tätigkeit möglich.

    Inzwischen gibt es an der Uniklinik auch ein Mitarbeiter-Testzentrum. Beyer sagt: „Die Mitarbeiter sensitiver Bereiche werden turnusmäßig getestet, während es zusätzlich für jeden Mitarbeiter die Möglichkeit gibt, sich über einen Kalender online für eine zeitnahe Testung anzumelden“. Eine Pflegekraft meint aber, dass es zumindest in manchen Bereichen Schlupflöcher gebe: „Wenn sich jemand gar nicht testen lassen würde, dann könnte er durch das System schlüpfen.“

    Für Unruhe sorgt an der Uniklinik die Frage, für wen es einen Corona-Bonus geben soll. Die Klinik soll von dem Gesundheitsfonds dafür eine Summe von knapp 700.000 Euro erhalten, erzählt man sich. Ein Pfleger sagt, jeder Mitarbeiter, der stärker belastet sei, sollte davon etwas haben, etwa auch Reinigungskräfte. Das soll nun auch so kommen, kündigt die Uniklinik an. Neben Pflegekräften erhielten auch Ärzte, Mitarbeiter in der Reinigung und in Bereichen wie Notaufnahme, Labor und Physiotherapie die Prämie. Ausschlaggebend dafür sei, dass eine deutliche Mehrbelastung durch die Corona-Pandemie vorlag.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Dankbarkeit alleine reicht nicht

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