Lange war es eine Vision, nun ist sie Wirklichkeit geworden: Augsburg ist Welterbestätte. Die Unesco-Kommission hat am Samstag in Baku (Aserbaidschan) für eine Aufnahme der historischen Augsburger Wasserversorgung in die Liste der besonders erwähnens- und schützenswerten Denkmäler gestimmt. Sie ist damit als ebenso herausragend eingestuft wie die Pyramiden von Gizeh, der Serengeti-Nationalpark oder die chinesische Mauer.
Acht Jahre lang hat Augsburg auf die Auszeichnung hingearbeitet und dafür knapp zwei Millionen Euro ausgegeben. Lechkanäle, Wasserwerke und andere Orte, die mit der Wasserversorgung zusammenhängen, wurden erforscht und dokumentiert, es gab ein internationales Symposium, Wissenschaftler förderten neue Erkenntnisse über die ehemalige Wasserversorgung zutage. Ohne die Bewerbung hätte es diese intensive Auseinandersetzung wohl kaum gegeben. Bei der Unesco war sie am Ende in elf Minuten durch: Um 15.13 Uhr hatte Aserbaidschans Kulturminister Abulfas Garayev die Bewerbung aufgerufen, um 15.24 Uhr hatte Kulturreferent Thomas Weitzel bereits das letzte Wort: Er bedankte sich beim Welterbe-Komitee für die Aufnahme in die Reihe der Welterbestätten. "Für Augsburg und den Freistaat Bayern ist dies eine große Ehre. Wir nehmen die Verpflichtung, unser Welterbe zu schützen und es anderen Menschen näher zu bringen, gerne an."
Was die Unesco von Augsburg überzeugte
Die Unesco war von der Augsburger „Sehenswürdigkeit“ angetan: Die Trennung von Trink- und Brauchwasser über Jahrhunderte hinweg sei einzigartig. Dies gelte auch für die beispielhaft nachhaltige Nutzung der Ressource Wasser. Zudem habe das Augsburger Wassermanagement-System bereits früh zu technischen Innovationen beigetragen. Diskussionen gab es bei der Sitzung kaum. Lediglich die Vertreter von China, Aserbaidschan und Tunesien meldeten sich zu Wort, um Augsburg zu diesen besonderen Denkmälern und zu seinem nachhaltigen Umgang mit der wertvollen Ressource Wasser zu gratulieren.
Kulturreferent Thomas Weitzel und Augsburgs Welterbe-Koordinator Ulrich Müllegger hatten die Debatte des Welterbe-Komitees live in Baku (Aserbaidschan) verfolgt. Zunächst waren sie noch davon ausgegangen, dass die Entscheidung über Augsburg erst am Sonntag fällt. Gegen zwei Uhr nachmittags deutscher Zeit zeichnete sich dann ab, dass die Bewerbung früher an der Reihe sein würde.
Die Entscheidung der Unesco hat in Augsburg große Freude ausgelöst. Mit der Auszeichnung würdige die Organisation „einen unvergleichlichen Schatz, den die Stadt seit ihrer Stadtgründung birgt“, so Oberbürgermeister Kurt Gribl in einer ersten Reaktion. „Jahrhundertelang wurde die Wasserkraft des Lechs innovativ genutzt, um Mühlräder und Pumpwerke anzutreiben. Augsburgs Handwerk machte die Stadt reich – auch deshalb, weil dank eines ausgeklügelten Kanalsystems gute hygienische Verhältnisse herrschten und bestes Trinkwasser zur Verfügung stand.“ Auf dieses Welterbe dürfe die Stadt zurecht stolz sein „und sich von Herzen freuen“, sagt Gribl.
Stadtwerke-Chef Alfred Müllner sieht die positive Entscheidung auch als „eine Auszeichnung für 800 Jahre nachhaltige Trinkwasserversorgung für die Bürger Augsburgs, im Wandel der Jahrhunderte jeweils mit modernsten Methoden und Techniken.“ In einer Zeit, in der Millionen von Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, könne der nachhaltige Umgang mit der Ressource beispielgebend sein.
Auch Tourismusdirektor Götz Beck sieht in der Einschreibung einen Grund zur Freude. Unesco-Welterbestätten seien „touristische Schwergewichte“. Die Auszeichnung sei eine gute Möglichkeit, spannende Impulse für die touristische Entwicklung von Stadt und Region auf nationaler und internationaler Ebene zu setzen.
Deutschlands Unesco-Chefin freut sich mit Augsburg
Die Präsidentin der Deutschen Unesco-Kommission, Prof. Maria Böhmer, hatte nicht daran gezweifelt, dass Augsburg es schaffen würde: „Im Augsburger Wassermanagement-System spiegeln sich viele Jahrhunderte Erfindergeist. Hier wurde mehr als einmal Technikgeschichte geschrieben", sagte sie in einer ersten Reaktion am Samstag. Noch lange bevor die Medizin belegen konnte, wie wichtig Hygiene für unsere Gesundheit ist, gab es in Augsburg seit 1545 eine strikte Trennung von Brauch- und Trinkwasser. Der wirtschaftliche Motor Augsburgs wurde vom Wasser angetrieben. Die Innovationskraft des Wasserbaus prägt das Gesicht der Stadt bis heute. Wassertürme und Kanäle, Kraftwerke und Prachtbrunnen zeugen vom Reichtum, der mit dem Wasser in die Stadt kam.“ Böhmer: „Ich freue mich, dass das Welterbe-Komitee dieses herausragende Ensemble zum Welterbe erklärt hat.“
Nach der Aufnahme kommen auch Aufgaben auf die Welterbestätte Augsburg zu
Die Verantwortlichen der Augsburger Bewerbung wissen, dass die ausgezeichneten Denkmäler nun besonders geschützt werden müssen. Augsburg ist in dieser Hinsicht aber gut aufgestellt: Die Sanierung der Wassertürme am Roten Tor, ein Herzstück der Augsburger Bewerbung, wurde vor fünf Jahren abgeschlossen, 4,7 Millionen Euro wurden verbaut. Was als nächstes ansteht, ist die Sanierung des Kastenturms, der ebenfalls am Roten Tor steht. Aktuell wird das Gebäude vermessen, um Grundlagen für die Sanierung zu haben.
Die Aufnahme in die Welterbeliste ist in erster Linie aber keine Auszeichnung, sondern ein Auftrag: Welterbestätten verpflichten sich, ihre Denkmäler zu schützen und ihren besonderen Wert an Außenstehende zu vermitteln. „Wie wir das machen, werden wir in Ruhe diskutieren“, so Kulturreferent Weitzel.
Unesco-Weltkulturerbe: Augsburg will einen Wasserladen einrichten
Während Städte wie Bamberg oder Regensburg so genannte Besucherzentren eingerichtet haben, will Augsburg zunächst einen kleinen, aber zentral gelegenen „Wasserladen“ eröffnen. Geplant ist er am Rathausplatz nahe der Tourist-Information. Ab 2020 sollen sich Bürger und Touristen dort über Augsburgs Welterbestätten informieren und Rundgänge buchen können. Auch ein virtueller Spaziergang durch die Wassertürme am Roten Tor wird möglich sein. Hintergrund: Das Bauwerk ist aus Denkmalschutzgründen nicht für große Besuchergruppen geeignet.
Bei der Sitzung des Welterbe-Komitees am Samstag wurde auch über andere Bewerbungen mit deutscher Beteiligung entschieden. Auf die Welterbeliste eingeschrieben wurde die Montanregion Erzgebirge/Krusnohori, die Deutschland und Tschechien gemeinsam eingereicht hatten. Ein länderübergreifender Antrag, den Donaulimes in Deutschland, Österreich, Slowakei und Ungarn zum Weltkulturerbe zu erklären, wurde von den Sitzungsteilnehmern dagegen abgelehnt. Grund: Ungarn wollte den Antrag kurzfristig abändern und einen Teil des Limes in Budapest vom Welterbe-Status ausgenommen wissen. Da die Bewerbung damit von der abwich, die der Internationale Denkmalrat Icomos für die Einschreibung empfohlen hatte, scheiterte die Aufnahme in die Welterbeliste ganz.
Die Geschichte des Trinkwassers in Augsburg
1. bis 4. Jahrhundert nach Christus: Die Römerstadt Augusta Vindelicum benötigt reichlich Trinkwasser, um die Bürger zu versorgen. Der nötigste Wasserbedarf wird aus Zisternen und Brunnen gedeckt, die in den Grundwasserspiegel ragten.
1412: Der erste Brunnen wird am Rathaus aufgestellt, der zweite vor dem Weberhaus.
1416: Eine neue Wasser-Förderanlage mit einem hölzernen Turm wird nahe dem Roten Tor errichtet.
1558: Privatleute beziehen erstmals Wasser aus der städtischen Leitung.
1599: Der Merkurbrunnen wird aufgestellt. Aus ihm werden bald der Herkulesbrunnen und der Augustusbrunnen gespeist.
1821: Holzröhren, sogenannte Holzdeicheln, werden durch Eisenrohre ersetzt.
1879: Mit der Inbetriebnahme des Wasserwerkes am Hochablass im Siebentischwald wird der Grundstein für die moderne Trinkwasserversorgung gelegt.
1910: Nach einer Hochwasserkatastrophe wird der Bau eines zweiten Wasserwerkes veranlasst. Das neu erbaute Wasserwerk am Lochbach geht 1912 in Betrieb.
1972: Zwei Tiefbrunnen werden in Leitershofen in Betrieb genommen.
1991: Der Hochbehälter in Steppach wird in Betrieb genommen.
2000: Das Wasserwerk Siebenbrunn nimmt den Betrieb auf.
2003: Das Wasserwerk Meringerau Süd wird neu gebaut.
Heute: Mehr als 320.000 Menschen werden aus 60 Brunnen mit Trinkwasser versorgt.
Noch mehr zur Chronologie der Trinkwasserversorgung in Augsburg lesen Sie hier auf der Internetseite der Stadtwerke.
Österreich scheiterte noch ein zweites Mal: Der Versuch, die Großglockner Hochalpenstraße als Welterbe einzuschreiben, wurde zurückgewiesen. Österreich war angetreten, obwohl der Internationale Denkmalrat dazu geraten hatte, den Antrag um zwei Jahre zurückzustellen. Diese Zeit sollte Österreich nutzen, um eine Studie zu Panoramastraßen im globalen Vergleich zu erstellen. Dies wird Österreich nun tun, um seinen Antrag dann in zwei Jahren später erneut bei der Unesco einzureichen.
Lesen Sie hier auch unsere Multimedia-Reportage Wie die Wasserwirtschaft Reichtum nach Augsburg brachte und den Kommentar von Nicole Prestle Wie sich der Titel auf die Bürger auswirkt.