Goethes Wortschatz gilt von seinem Umfang her als einzigartig. Das Adjektiv „creepy“ kannte Goethe sehr vermutlich nicht. Hätte sich der 1832 verstorbene Dichter unter die Elft- und Zwölfklässler bayerischer und baden-württembergischer Gymnasien gemischt, die bei der Jungen Ulmer Bühne (JUB) die Premiere von Sina Baajours Inszenierung der Faust-Tragödie (erster Teil) erlebten, er hätte das Urteil gehört, das die 210 Jahre alte Tragödie so gar nicht angestaubt, sondern sogar schaurig sei – creepy eben. Baajour verknappt das meistzitierte Werk der deutschen Literatur auf knapp 90 Minuten, reduziert es auf drei handelnde Personen (Faust, Gretchen, Mephisto) sowie die Wette zwischen Gott und Teufel. Und sie konzentriert die Fragestellungen auf einen entscheidenden Diskussionspunkt: Wie weit ist ein Mensch bereit zu gehen, um seine persönlichen Ziele zu verfolgen?
Ulm