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Szene: Geschichten aus der Pils-Stube

Szene

Geschichten aus der Pils-Stube

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    Wenn das Wort Gesetz wäre, müsste hier ein Punkt stehen. Punkt. Aus. Ende. Die Band Locas in Love hat es selbst vorgegeben. In bestem Drittklass-Schularbeit-Deutsch diktiert Björn Sonnenberg-Schrank von der Bühne im Provino Club: „Was sich nicht in nur einem Satz sagen lässt, muss man gar nicht sagen, ist den Atem nicht wert.“ Zum Glück ist der Satz nicht Gesetz. Es ist Pop. Und damit Auslegungssache. Denn was

    Aber von vorne. Denn die erste Geschichte des Abends beginnt im Jahr 2006. Sonnenberg-Schrank, damals noch Sonnenberg, steht auf genau der Bühne, an deren Eingangstür „Pils-Stuben“ prangt und der Innenraum strahlt die Gemütlichkeit eines altväterlichen Schafkopf-Stammtisches aus. Neben ihm die Sängerin und Bassistin Stefanie Schrank, die seinen Namen aus heutiger Sicht vervollständigt. 2006 werkelte die Band gerade an ihrem Album „Saurus“. Heute tatsächlich ein Dino, zumindest, wenn man die Indie-Generation der 2000er-Jahre fragt – abgerückt vom Pathos alternder Tocotronics. Lauschig wie ein Rotwein-Abend in der Germanisten-WG. Geschichten von der Unsicherheit der Lebensentwürfe dieser Generation.

    2015 und sechs Alben später kehren Locas in Love an den Ort zurück, der für fast neun Jahre sein Leben gänzlich verloren hat. Damit beginnt die zweite Geschichte des Abends. Zwischen 2006 und heute liegt vor allem jede Menge Müll, der sich in den Räumen der aufgegebenen Pils-Stube mit Kegelbahn – besser bekannt als „Turamichele“ – in der Provinostraße angesammelt hat. Selbst die handgeschriebenen Abrechnungen der Wirtsleute liegen noch auf dem Tresen, als Christoph 2014 den verlassenen Ort entdeckt hat. Christoph, der nur mit Vornamen genannt werden will, hat mit seinen Helfern des Vereins „Raumpflegekultur“ mit den Eigentümern der Riegele Bräu Kontakt aufgenommen. Die Abrechnungen landen im Müll, der Tresen wird entstaubt, das Innenleben mit dem Grundgedanken des Vereins geschrubbt, dass aus verlassenen Pils-Stuben Kulturstätten entstehen. Schließlich ist das Konzept auch in der „Metzgerei“ in der Haunstetter Straße aufgegangen, dem ersten Projekt, aus dem die „Raumpflegekultur“ überhaupt entstanden ist. Aus der Zeit vor der Raumpflege ist allein das Musikleben in Form von Bandproberäumen geblieben und die Legende, wie ein Wirtshaus überhaupt Konzertsaal wird. Man erzählt sich, sagt Christoph, dass ein stadtbekannter Punk in den ausgehenden 90er-Jahren den Hund der Wirtsfrau vorm Ertrinken gerettet hat. Aus dem Sprung in den Lechkanal entstand aus Dankbarkeit ein Nebenraum für Konzerte im „

    Mit dem Album „Use your illusion 3 & 4“ leitet Locas in Love die dritte Geschichte ein, in der es – endlich und als Resultat aller anderen Ereignisse in der Provinostraße – um Musik geht. Die Kölner sind zwar nicht die ersten Musiker im neuen Provino, aber genau die richtigen, um die letzten Reste Ableben aus einem totgesagtem Gemäuer zu spielen. Der Song „Blackbox“ schlägt die Ein-Satz-Regel vor und entpuppt sich als wortgewaltiger Beginn eines Konzerts, das die stille Zeit im Provino zur ewiggestrigen erklärt. Dass die Band im Entstehungsprozess einen Selbstfindungstrip zurückgelegt hat, lässt sich mit „Teenager“ erahnen. „Sachen“ klingt nach 2006 wie die Pils-Stuben und genauso gemütlich. Mit den neuen Instrumentals wie „Chlodwigplatz“ lässt Locas in Love erahnen, dass manchmal gar keine Worte nötig sind, um sich selbst und Bruchbuden zu renovieren. Für alles andere braucht es allerdings etwas mehr. Mindestens einen Satz.

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