Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Streit um das Neue Amerika-Haus im früheren Augsburger KZ-Außenlager

Augsburg

Streit um das Neue Amerika-Haus im früheren Augsburger KZ-Außenlager

    • |
    Passen Autos wie dieses an einen Ort, an dem NS-Opfern gedacht wird? Über diese Frage ist im Zuge der Nutzung von Halle 116 ein Streit entbrannt. Zwei Amerika-Vereine wollen dort das Neue Amerika-Haus eröffnen. Marcella Reinhardt vom Regionalverband Deutscher Sinti und Roma Schwaben ist dagegen.
    Passen Autos wie dieses an einen Ort, an dem NS-Opfern gedacht wird? Über diese Frage ist im Zuge der Nutzung von Halle 116 ein Streit entbrannt. Zwei Amerika-Vereine wollen dort das Neue Amerika-Haus eröffnen. Marcella Reinhardt vom Regionalverband Deutscher Sinti und Roma Schwaben ist dagegen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Früher war die Halle 116 im Augsburger Stadtteil Pfersee ein Ort von Leid und Tod. Unter den Nationalsozialisten wurden dort Zwangsarbeiter zusammengepfercht und von SS-Wachtruppen misshandelt. Demnächst wird in einem Teil des historisch belasteten Gebäudes das Neue Amerika-Haus eröffnet. Dort steht die Rolle der Amerikaner nach dem Krieg im Mittelpunkt. Kurz vor der Eröffnung steuert ein Streit über das Projekt und seine Akteure dem Höhepunkt zu. Eine große Frage: Lassen sich amerikanischer Lebensstil mit Straßenkreuzern und die Erinnerung an Nazi-Verbrechen vereinbaren?

    Zu den Kritikern des Amerika-Hauses zählt Marcella Reinhardt vom Regionalverband Deutscher Sinti und Roma Schwaben. Sie sagt, „eine Bling-Bling-Veranstaltung mit amerikanischen Autos und Grillen, das geht nicht und passt nicht“. Die Halle 116 war früher ein KZ-Außenlager. Mit diesem Agieren werde den Opfern „null Respekt“ entgegengebracht. Auch Reinhardts Familie litt unter dem Nazi-Terror, viele ihrer Verwandten wurden im KZ umgebracht.

    Zu den Kritikern des Amerika-Hauses zählt Marcella Reinhardt vom Regionalverband Deutscher Sinti und Roma Schwaben.
    Zu den Kritikern des Amerika-Hauses zählt Marcella Reinhardt vom Regionalverband Deutscher Sinti und Roma Schwaben. Foto: Peter Fastl

    Neues Amerika-Haus: Kritik an Straßenkreuzern auf dem Appellplatz

    Reinhardt stößt sich an mehreren Dingen, die mit dem Neuen Amerika-Haus zusammenhängen, das am 22. August eröffnet. Aus ihrer Sicht darf es nicht sein, dass auf dem alten Appellplatz vor der Halle 116, auf dem Menschen gequält wurden, heute amerikanische Straßenkreuzer präsentiert werden und gegrillt wird. Diese Kritik zielt auf den Verein der American Car Friends (ACFA) ab. Er ist Mieter in dem Gebäude und hat dort seinen Vereinssitz mit Treffen.

    Die Freunde der US-Cars beteiligen sich außerdem an dem Projekt Neues Amerika-Haus, und zwar zusammen mit dem Verein Amerika in Augsburg (AiA). Beide Gruppen wollen eine neu konzipierte temporäre Ausstellung über 50 Jahre Augsburger Stadtgeschichte zeigen, an der die amerikanischen Truppen militärisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich großen Anteil hatten.

    Halle 116 soll ein Lern- Erinnerungsort in Pfersee werden

    Reinhardt sagt, das Konzept passe nicht mit den Plänen der Stadt zusammen. Beschlusslage ist, in der Halle 116 einen Erinnerungsort und „Lernort Frieden“ einzurichten. Reinhardt stößt sich an Teilen der geplanten Ausstellung im Amerika-Haus. Dort werden etwa auch beliebte amerikanische Kneipen thematisiert. Nicht zuletzt sorgt sich Reinhardt, dass der Name Amerika-Haus bald im Vordergrund stehen könnte und die Bezeichnung Halle 116 in den Hintergrund tritt. Dies hält sie wegen der problematischen Geschichte des Gebäudes für nicht akzeptabel.

    Bei den Vereinen, die in der Kritik stehen, sieht man die Sache anders. Die Vorsitzenden Max Lohrmann (AiA) und Harm Ritter (ACFA) sagen, die neue Ausstellung halte sich an die städtischen Vorgaben zum Lernort Frieden. Grundlage ist ein Konzept des Historikers Philipp Gassert. Auch er sieht neben dem Nationalsozialismus einen weiteren Schwerpunkt zu den Amerikanern in Deutschland vor. Gassert empfahl unter anderem originale Ausstellungsstücke wie eine Jukebox oder eben US-Cars.

    Vorsitzender: Beim Grillen haben alle mitgefeiert

    Lohrmann und Ritter betonen, dass die neue Schau im Amerika-Haus einen weiten Bogen spannt, angefangen beim Einmarsch der Amerikaner über die Entnazifizierung, die US-Kasernen und Wohngebiete bis hin zum Umweltmüll, den die Truppen hinterlassen haben. Insgesamt hat die aufwendig gestaltete Schau 60 Meter Ausstellungswände und viele originale Ausstellungsstücke, darunter vier US-Autos. Die Freunde der US-Cars verschweigen nicht, dass sie auch Vereinstreffen mit 20 Oldtimern und Grillen haben. Mit der Stadt sei jedoch vereinbart, dass dies am Rand des Exerzierplatzes ohne Lärm stattfinden dürfe. Auch weitergehende Kompromisse seien denkbar. Was Ritter nicht nachvollziehen kann: Noch vor zwei Jahren hätten die an der Halle 116 beteiligten Initiativen dort gemeinsam gefeiert, auch Marcella Reinhardt. Damals seien amerikanisches Barbecue und Musik erwünscht gewesen, Reinhardt habe sich sogar vor einem der Straßenkreuzer ablichten lassen.

    Der Streit über den Erinnerungsort beschäftigt inzwischen auch die Stadtspitze. Wie geht man damit um? Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) sagt, „die künftige Entwicklung der ,Halle 116‘ ist ein wichtiges Anliegen der Stadt, das wir sehr ernst nehmen“. Die Stadt werde dabei von einigen Vereinen und Initiativen in einer Arbeitsgruppe unterstützt. Die Frage, ob die American Car Friends und andere Mieter dauerhaft im Gebäude bleiben können, lässt sie offen. Ob dies möglich und sinnvoll sei, hänge von der Entwicklung des Erinnerungsorts und vom künftigen Nutzungskonzept für das Gesamtgebäude ab. Aus städtischer Sicht wäre ein Umzug der Car-Friends vernünftig. Dieser sei mangels geeigneter Räumlichkeiten aber nicht so leicht zu realisieren. Weber betont weiter, der respektvolle Umgang mit dem geschichtsträchtigen Gebäude sei für die Stadt Augsburg Bedingung und stehe außer Frage.

    Oberbürgermeisterin geht auf Distanz zum Amerika-Haus

    Die beiden Vereine, die hinter dem Amerika-Haus stehen, befürchten nun eine Kündigung der US-Car-Freunde. Damit würde ihre neue gemeinsame Ausstellung platzen. Die Basis für die Finanzierung und ehrenamtliche Arbeit wäre dann zu klein. Für die Zukunft des Projekts schaut es tatsächlich schlecht aus. OB Weber sagt, es sei ein reines Vereinsprojekt, das keine weitere Unterstützung durch die Stadt erhalte. Vielmehr lehne die Stadt eine Institutionalisierung des Amerika-Hauses ab. Im Vordergrund stehe die Entwicklung des Lern- und Erinnerungsorts „Halle 116“ auf der Grundlage des Gassert-Konzepts. Diese werde mit den bürgerschaftlichen Initiativen und Opfergruppenvertretern betrieben. Die Arbeitsgruppe bereitet aktuell eine Interims-Ausstellung vor. 2021 soll sie zu sehen sein.

    Lesen Sie dazu den Kommentar: Keine Verhöhnung von NS-Opfern

    Lesen Sie auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden