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Serie (7): Im Handumdrehen zum festlichsten aller Salate

Serie (7)

Im Handumdrehen zum festlichsten aller Salate

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    Auf das richtige Filettieren des Herings kommt es an.
    Auf das richtige Filettieren des Herings kommt es an. Foto: Silvio Wyszengrad

    Welches Gericht sie in der Zeitung präsentiert, darüber musste Anastasia Bergheim nicht lange nachdenken. Schmackhaft sollte es sein und schnell zuzubereiten, damit die Leser sich trauen, es selbst mal auszuprobieren. Doch mit der schnellen Zubereitung ist das so eine Sache. Denn die 31-jährige Halbrussin ist eine Spitzenköchin: Schneiden, schälen, hacken – das alles geht bei ihr in null Komma nichts.

    Ungeübte Hände dürften etwas länger brauchen, um etwa den rohen Hering samt Pelzmantel vorzubereiten. Hering und Pelzmantel? „Das schmeckt super, Sie werden schon sehen“, verspricht Anastasia Bergheim mit einem Lächeln. Tatsächlich trägt der Salat auf Russisch den überraschenden Namen „Hering unter dem Pelzmantel“. „Eigentlich ein

    Anastasia Bergheim hat aber selbst noch nie in Russland gelebt. Geboren und aufgewachsen ist die Tochter einer Russin und eines Deutschen in Kasachstan. „Wegen meiner Mama habe ich aber vorwiegend Gerichte aus der russischen Küche gelernt“, sagt sie.

    Sauerkraut mit Würstchen kocht sie auch gern

    Gemeinsam mit ihrer Familie zog sie dann vor 14 Jahren nach Augsburg. Natürlich kam sie seither auch mit den hiesigen Speisen in Kontakt. „Als ich hier meinen Hauptschulabschluss nachgeholt habe, belegte ich Kurse in Hauswirtschaft“, erklärt sie. Und hat das was gebracht? Kocht sie auch mal klassisch Deutsch?„Einiges hab ich mir schon abgekuckt, Sauerkraut mit Würstchen mache ich besonders gern.“ Ansonsten kommen bei den Bergheims aber hauptsächlich russische Gerichte auf den Tisch. Mit ihren Kochkünsten versorgt sie ihre drei Kinder und ihren Mann, der ohnehin die russische Küche gewohnt ist. Auch er ist ein Russlanddeutscher.

    Das Paar hatte sich in Augsburg kennengelernt. Die Chance, hier einen Menschen mit einer ähnlichen Biografie zu treffen, war und ist sehr groß. Aktuellen Berechnungen zufolge gibt es in Augsburg 22000 Menschen, die einen Bezug zu Russland, Weißrussland oder der Ukraine haben. Der Nachwuchs der Bergheims macht natürlich keinen Unterschied zwischen deutschen und russischen Gerichten. „Die müssen sowieso das essen, was auf den Tisch kommt“, sagt die 31-Jährige und lacht. Dass ihre Kinder respektvoll mit Essen umgehen, ist der dreifachen Mutter sehr wichtig. Diese russische Tradition möchte sie weiter hochhalten. „Ich würde nie zulassen, dass meine Kinder mit Brot spielen oder es ausspucken, das geht einfach nicht.“

    Aber zurück zum Hering und seinem Pelzmantel: Das Geheimnis daran sei, betont Anastasia Bergheim, dass man keine fertigen Filets kauft, sondern in Salz eingelegte Heringe. „Im russischen Supermarkt lagern die in Eimern.“ Einfach mit dem Fingern unterhalb vom Schwanz eintauchen und die Haut runterziehen, sagt sie und zeigt, wie schnell das geht. Danach kommt der Kopf weg, der Schwanz, die Gräten und „alles Schwarze“. Keine zehn Minuten später liegt das Heringsfilet vorbereitet auf dem Brett.

    Genau das gefällt ihr so an der russischen Küche. „Die ist eigentlich sehr einfach“, sagt sie. Auch der Salat braucht nicht viele Zutaten: Möhren und eine Kartoffel, alles gekocht, dazu eine Zwiebel und mehrere Rote-Bete-Rüben: Danach geht es lediglich um die richtige Schichtung: ganz unten die Filetstückchen, darüber erst die Zwiebeln, dann die Kartoffeln, die Rote Bete und am Schluss das geriebene Ei. Dazwischen verteilt Anastasia Bergheim drei ordentliche Mayonnaise-Ladungen. Was ist mit Salz, Pfeffer und Gewürzen? „Davon brauchen wir gar nichts“, winkt sie ab. Das Salz kommt vom Fisch, alles andere übernimmt die

    Am Ende schwingt Anastasia Bergheim ihren farbenfrohen Salat in die Höhe, der für Laien auf den ersten Blick wie eine Pizza erscheint. Sie weiß, dass viele erstmal skeptisch sind, was den Hering mit seiner Ummantelung angeht. Doch sie hat schon viele Deutsche erlebt, die nach dem ersten Probieren große Fans geworden sind. Der deutsche Mann ihrer Freundin etwa, der möchte nun an jedem Silvesterabend diesen Salat haben. Aber jetzt, da sie ihre Kreation serviert, da ärgert sie sich: „Ach, ich hätte doch nicht die Mayonnaise light nehmen sollen.“

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