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Schwabenhalle: Unheilig-Konzert in Augsburg: So nett düster, der Herr Graf

Schwabenhalle

Unheilig-Konzert in Augsburg: So nett düster, der Herr Graf

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    Der Graf von "Unheilig". Bild: Silvio Wyszengrad
    Der Graf von "Unheilig". Bild: Silvio Wyszengrad

    Warum ausgerechnet Augsburg? Das Prädikat "komplett ausverkauft" für die Jubiläumstour zum Zehnjährigen seiner Band Unheilig wäre der nächste willkommene Nachweis gewesen für den anhaltenden Triumphzug des Grafen.

    Aber nach den Dutzenden Stationen mit vollzogener Mission und bei bereits ausgebuchtem Restprogramm ist es die Schwabenhalle, an deren Abendkasse noch ein hübsches Häufchen unverkaufter Karten liegen bleibt. Umso erstaunlicher, weil im Vorfeld doch gar keiner wissen konnte, dass so mancher bei Konzertbeginn noch im Stau auf der B17 stehen würde und sich den Aufwand darum lieber also sparte …

    Nun, besonders traurig werden ihn die paar Restkarten trotzdem nicht gemacht haben, ihn, der ziemlich sicher mit Nachnamen Graf heißt, vielleicht mit Vornamen Bernd Heinrich, sich jedenfalls nur "Der Graf" nennt und als solcher im vergangenen Jahr der Gewinner des deutschen Musikgeschäfts gewesen ist. Aktuell steht sein Album "Große Freiheit" zum 23. Mal an der Spitze der hiesigen Album-Hitparaden und liegt damit schon Längen vor allem bislang Dagewesenen; hinzu kommen ordentlich Verkäufe weiterer Editionen der Platte sowie der vorigen sechs Alben von Unheilig, reichlich zuerkannte Preise und ausnahmslos prächtig besuchte Konzerte im nun bald dritten "Große Freiheit"-Tourdurchlauf. Kein Wunder, dass der Graf auch am Donnerstag in Augsburg noch mal betonte, " was für ein Hammer" das alles gewesen und noch immer sei.

    Alle singen mit, wenn der Graf am Schluss "Mein Stern" singt

    So haben sich Graf und Band, die noch vor einem Jahr kaum über die Grenzen einer gerne so düster rumpelnden wie romantisch schwelgenden Gothic-Rock-Szene hinaus bekannt waren, inzwischen deutlich auf die neue Breite ihres Publikums eingestellt. Wer die Schwabenhalle betrat, begegnete zuerst dem "Kinderland" samt Betreuung, dem "Tattooland" für abwaschbare Verwegenheit, dem "Rockland" mit Musik-Spielkonsole, bevor er zu den obligatorischen Ständen mit T-Shirts und Fahnen kam - das Unheilig-Rundumpaket.

    Eine solche Fahne ist es auch, die der Graf selbst am Ende dieses Abends auf der Bühne schwenkt. Als letzten der 18 Songs, die er da in den zurückliegenden knapp zwei Stunden den rund 8000 Zuschauern in der komplett tribünenbefreiten Halle serviert, singt er den Schmachtfetzen "Mein Stern" - und wie den beiden vorhergehenden Zugaben "Geboren um zu leben" und "Unter deiner Flagge" auch singt das Publikum innigst mit. Es sind solche romantischen bis traurigen Balladen, auf denen der Erfolg der Gruppe gründet, Lieder wie auch das tragische "An Deiner Seite" oder das süßliche "Winter" früher im Programm, bei denen des Grafen charismatisch dunkle Bauchstimme die eingängig Popmelodien aufraut, seine getragene Kopfstimme den Sprung ins Hymnische versucht.

    Den größeren Teil des Abends aber machen die gitarrenlastigen Nummern auch zum besseren: Der Graf tanzt im schwarzen Anzug seinen Rock-Flamenco zu "Sternbild", wirkt tatsächlich düster bei "Sag ja!", einem der ältesten Unheilig-Songs. In vielem steckt reichlich Rammstein, wie in "Maschine", aber zum Glück nur selten so stumpf wie in "Abwärts", weil die stampfende Grundierung oft durch schlagerhafte Melodik appetitlich angereichert ist. Das unterhält ganz ordentlich und wird von Videoprojektionen und mehr stimmungs- als effektvoller Beleuchtung professionell verstärkt. Eine ordentliche, glatt musizierte Show.

    Nur wenn der Graf zwischendurch den Entertainer herauskehrt, hier ein Anekdötchen von der Bambi-Verleihung einstreut, dort das Publikum zu Mitmachspielchen dirigiert oder als Einlage seine drei Bandkollegen mit Kamera aus der Garderobe zur Zugabe abholt - nur dann wirkt dieser neue deutsche Popstar noch reichlich ungelenk. Man mag es als weiteres Entwicklungspotential ausmachen oder als Zeichen dafür sehen: was für ein netter Normalo der vermeintlich düstere Graf doch ist.

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