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Schule im Blick: Schule im Lockdown: Kinderlachen vermisst die Rektorin am meisten

Schule im Blick

Schule im Lockdown: Kinderlachen vermisst die Rektorin am meisten

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    Rektorin Gül Solgun-Kaps öffnet die Tür der Kerschensteiner-Schule, die wegen des Lockdowns nahezu verwaist ist.
    Rektorin Gül Solgun-Kaps öffnet die Tür der Kerschensteiner-Schule, die wegen des Lockdowns nahezu verwaist ist. Foto: Sophia Huber

    Montag um kurz nach 10 Uhr an der Kerschensteiner-Schule im Augsburger Stadtteil Hochfeld: Eine Frau öffnet ein Fenster im Erdgeschoss und händigt in den nächsten Minuten einigen Müttern und Kindern Unterlagen aus. Und weil es Rosenmontag ist, gibt es für alle noch ein Tütchen Konfetti obendrauf. Rektorin Solgun-Kaps verrät, was hinter der Fensteraktion steckt. "Die Kollegin versorgt die Familien, deren Kinder keine Möglichkeit zum Distanzunterricht haben, mit den Unterrichtsmaterialien für die Woche." Es gebe Kinder an ihrer Schule, denen würde auch ein Leihlaptop nichts nutzen. "Sie können zu Hause nicht ins Internet, weil sie beispielsweise in einer Flüchtlingsunterkunft leben", sagt Solgun-Kaps.

    Rektorin der Kerschensteiner-Schule als Krisenmanagerin gefragt

    Corona hat auch an der Kerschensteiner-Grund- und Mittelschule den Unterrichtsalltag der knapp 60 Lehrkräfte und rund 400 Mädchen und Jungen in den Klassen eins bis neun völlig umgekrempelt. Und das in einer Dimension, mit der die in diesem Schuljahr neu angetretene Rektorin niemals gerechnet hätte: "Ich hatte Pläne, Visionen und Ideen, und war dann plötzlich nur noch als Krisenmanagerin gefragt", sagt die 53-Jährige. Im Oktober etwa traf die Pandemie ihre Schule ganz besonders. "Da waren auf einmal mehrere Klassen und 16 Lehrer in Quarantäne. Gleichzeitig herrschte aber noch Präsenzunterricht in unserem Haus." Neben all den organisatorischen Dingen habe ihr Telefon damals pausenlos geklingelt. Anrufe besorgter Eltern und Kolleginnen, Absprachen mit dem Gesundheitsamt und vieles mehr. Solgun-Kaps wirkt gelassen, wenn sie von diesen turbulenten Wochen erzählt. "Ich habe in dieser Zeit gelernt, Ruhe zu bewahren", sagt die zierliche Frau.

    Mit dem bundesweiten Lockdown Mitte Dezember leerte sich die Kerschensteiner-Schule schlagartig. Die Stille in den weitläufigen Fluren und die leeren Klassenzimmer muten gerade an einem Vormittag gespenstisch an. "Ich vermisse vor allem das quirlige Leben in der Schule, das Kinderlachen", gibt Solgun-Kaps zu. Das bekommt sie nur in kleinen Dosen, wenn sie im Schulhaus bei einer der drei Notbetreuungsgruppen vorbeischaut. Wenigstens hält im Nebenzimmer Sekretärin Sabine Ritter hinter einer großen Plexiglasscheibe noch die Stellung – obwohl sie wie die ganze Schule in dieser Woche eigentlich Ferien beziehungsweise Urlaub gehabt hätte.

    Gestapelte Stühle und leere Tische: Das Klassenzimmer der 8b bleibt auch nach den Faschingsferien vorerst leer.
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    Wegen der coronabedingten Schließung ist es in der Faschingswoche in der Grund- und Mittelschule im Augsburger Stadtteil Hochfeld sehr ruhig: Doch hinter einigen Türen und Fenstern kann man doch ein paar Gesichter entdecken.

    Statt Ferien stehen in dieser Woche nun also Mathe, Englisch, Deutsch und vieles mehr auf dem Stundenplan. Die Lehrkräfte unterrichten ihre Klassen im Homeoffice auch via Videokonferenz. Wie sie das hinbekommen, nötigt der Rektorin großen Respekt ab. Dass manchmal alle Mühe vergeblich ist, spürt Solgun-Kaps am eigenen Leib. Etwa als sie neulich von zu Hause mit ihrem Kollegium per Video konferierte. "Weil meine beiden Söhne gleichzeitig Unterricht hatten, reichte das Internet nicht aus." In der Schule wäre es aber noch schwieriger geworden, da die Digitalisierung hier noch nicht abgeschlossen und das Internet im Stadtteil allgemein sehr langsam sei.

    Für die Augsburger Schule geht es von einer Quarantäne in die nächste

    Trotz allem gibt es an der Kerschensteiner-Schule natürlich auch Informatikunterricht und einen entsprechenden Computerraum. "Dort bieten wir vier Schülern Plätze an, damit sie von hier aus den Onlineunterricht mitmachen können", sagt Solgun-Kaps. Etwa Schülern aus Familien, in denen sich drei Kinder einen Laptop teilen. Der Rektorin liegt viel daran, dass die Kinder nicht abgehängt werden in dieser schwierigen Zeit. So kümmere sich eine Kollegin speziell um Mädchen und Jungen, die in den letzten Monaten lange in Quarantäne waren, etwa weil auf den Corona-Fall in der Klasse direkt eine Infektion in der Familie folgte.

    Gemischte Gefühle wegen der Rückkehr in den Präsenzunterricht

    All diese Erfahrungen lassen die 53-Jährige mit gemischten Gefühlen auf die nächste Woche blicken. Denn dann sollen nach den Plänen der bayerischen Staatsregierung die Grundschüler und die neunten Klassen wieder in den Präsenz- beziehungsweise Wechselunterricht zurückkehren. Noch gebe es keinerlei Anweisungen aus dem Kultusministerium, wie dies in der Praxis zu erfolgen habe. "Einerseits ist es wichtig, die Schulen wieder zu öffnen, doch wenn wir in drei oder vier Wochen wegen steigender Infektionszahlen wieder schließen müssten, wäre das fatal", sagt Solgun-Kaps. Dabei sehnt sich auch die 53-Jährige, die als Kind mit ihren Eltern aus der Türkei auswanderte, nach Normalität, nach gemütlichen Essen in der großen Familie, nach einem Wochenende in den Bergen, nach Gesprächen mit Kolleginnen im Schulflur – und vor allem nach Kinderlachen.

    Wir begleiten die Kerschensteiner-Schule durch diese Schulwoche, die eigentlich eine Ferienwoche gewesen wäre. Am Mittwoch berichten wir, wie eine Viertklässlerin mit Videounterricht und Lernen zu Hause zurechtkommt.

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