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Rotlichtmilieu Augsburg: Ein Bordell mit Brötchenservice

Rotlichtmilieu Augsburg

Ein Bordell mit Brötchenservice

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    Ein Zimmer in dem neuen Laufhaus in Lechhausen: Hier wohnen und arbeiten die Prostituierten.
    Ein Zimmer in dem neuen Laufhaus in Lechhausen: Hier wohnen und arbeiten die Prostituierten. Foto: Anne Wall

    Es ist ein sonniger Vormittag im Industriegebiet in Lechhausen, kurz nach Zehn. Alexa*, 23, ist gerade aufgestanden, hat sich schnell geschminkt. Die junge Frau trägt einen dünnes, knappes Hauskleid mit Spitzen. Ein Kunde betritt den Flur, er schaut sich etwas unsicher um. Auf kleinen Monitoren neben den Türen kann er sehen, welche Frauen sich in den Zimmern eingemietet haben. Kurz drauf leuchtet ein Licht neben einer Tür am Ende des Flurs rot. Das Zimmer ist jetzt belegt. Der Freier ist sich mit einer Prostituierten einig geworden.

    Chef vom neuen Augsburger Bordell hat große Pläne

    Szenen wie diese sind Alltag im Bordell „Laufhaus 29“, das vor wenigen Wochen in einem ehemaligen Firmengebäude in der Zusamstraße eröffnet hat. Eigentlich erlaubt die Stadt in Lechhausen keine

    Auch einen Wellnessbereich mit Sauna und Solarium soll es noch geben. Den könnten, so die Idee der Betreiber, dann auch VIP-Kunden ab und zu nutzen. Noch ist an dieser Stelle aber ein großes Materiallager. Der Umbau des alten Firmengebäudes ist aufwendig.

    Er wirkt nicht wie einer aus dem Milieu

    Hannes Haring ist ein junger, sportlicher Typ. An diesem Morgen trägt er kurze Hosen und Flipflops. Keine dicken Muskeln, keine furchteinflößenden Tätowierungen – er wirkt nicht wie einer aus dem Milieu. Das sei er auch nicht, sagt er. Er hat sich mit dem Augsburger Investor, der das Haus saniert hat, ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Es soll ein Bordell sein, in dem sich die Prostituierten wohlfühlen. Doch ist das überhaupt möglich in einer Branche, in der es darum geht, den Körper an fremde Männer zu verkaufen? Hannes, wie ihn alle hier nennen, meint: „Ja“.

    Er zählt Dinge auf, die das Haus, wie er sagt, zu etwas Besonderem machen. Er zeigt den hellen Aufenthaltsraum mit Küche und einem Kühlschrank, in dem es abschließbare Fächer für die Frauen gibt. Es gebe ein Frühstücks- und Einkaufsservice, erzählt er, zudem kostenlos Handtücher und Bettwäsche. Das alles sei nicht selbstverständlich. Die Zimmer sind neu, sie wirken wie in einem Hotel. Es fehlt die übliche, oft eher schwülstige Dekoration. Per Knopfdruck lässt sich rotes Licht einschalten – wenn ein Freier da ist. „Es sollen Zimmer sein, in denen sich die Frauen gern aufhalten“, sagt Hannes Haring.

    Warum die Kripo skeptisch ist

    Das Bordell verfolgt das Konzept eines Laufhauses – das heißt, die Prostituierten mieten sich in einem Zimmer ein, in dem sie wohnen und arbeiten. Die Freier gehen durch die Gänge und schauen sich nach einer Frau um, die ihnen gefällt. Bei der Kripo steht man Laufhäusern, vor denen es inzwischen mehrere in der Stadt gibt, kritisch gegenüber. Helmut Sporer leitet das Kommissariat 1, das für das Rotlichtmilieu zuständig ist. Er will einzelne Häuser nicht bewerten, sagt aber: „Im selben Zimmer zu wohnen, in dem man täglich Freier bedient, ist aus meiner Sicht unwürdig.“ Sporer gilt als Experte, der von Ministerien und Bundespolitik immer wieder um Rat gefragt wird. Er sagt, Frauen müssten in der Regel mehrere Freier bedienen, um überhaupt die Tagesmiete zahlen zu können. Die „Laufhaus 29“-Betreiber sehen das anders. Die Frauen, die oft aus Osteuropa kommen und nur wenige Wochen in einer Stadt bleiben, wollten in den Zimmern wohnen – ein zusätzliches Pensionszimmer koste nur Geld. Zudem sei man kulant. Und wenn eine Prostituierte einmal an einem Tag nichts verdiene, dürfe man ihr auch nichts nehmen.

    Laufhaus 29: Zuhälter sollen keinen Zutritt haben

    Hannes Haring kennt die Schlagzeilen, die über das Rotlichtmilieu verbreitet werden. Oft geht es um Menschenhändler und Zuhälter, die vor allem junge Frauen nach Westeuropa schleusen und ausbeuten. Natürlich gebe es das, sagt er. Doch damit will er nichts zu tun haben: „Die Frauen bewerben sich über das Internet direkt bei uns, sie sollen hier selbstständig arbeiten und wir dulden keine Begleiter auf unserem Gelände“, sagt Haring. Garantieren, dass es im Hintergrund nicht doch einen Mann gibt, der auf Kosten der Frau lebt, kann er freilich nicht. Deren Privatleben gehe ihn nichts an.

    Alexa lächelt etwas unsicher. Sie sagt es sei „gut“ hier. Das Haus sei „schön“. Für ein echtes Gespräch reicht ihr Deutsch nicht. Sie will es noch lernen, sagt sie. Für junge Frauen aus Osteuropa sind die Aussichten auf das Geld, dass sie in Deutschland als Prostituierte verdienen können, verlockend. In wenigen Tagen können sie hier mehr einnehmen als einen durchschnittlichen Monatslohn in ihrer Heimat. Allerdings ist der Konkurrenzdruck im Milieu inzwischen groß. Für 30 Euro müssen Frauen teils unwürdige Sexualpraktiken erdulden. Ob ihnen das wirklich Spaß macht, so wie es auf den einschlägigen Werbeseiten im Internet oft steht?

    Hannes Haring sieht den Preiskampf auch nicht positiv. Er sagt: „Wir denken, dass wir als Haus mit Niveau dafür sorgen, dass die Frauen besser verdienen.“ Hauptkommissar Sporer fragt sich dagegen generell, ob Geld die Schattenseiten des Berufs aufwiegt. Er meint: „Eher nicht.“ *Name geändert

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