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Augsburg: Riesige Blühflächen sollen Insekten nach Augsburg zurückholen

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Riesige Blühflächen sollen Insekten nach Augsburg zurückholen

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    Vorher war an der WBG-Wohnanlage in der Carl-Schurz-Straße in Kriegshaber einfach nur eine grüne Wiese.  Jetzt blüht es dort bunt und artenreich.
    Vorher war an der WBG-Wohnanlage in der Carl-Schurz-Straße in Kriegshaber einfach nur eine grüne Wiese. Jetzt blüht es dort bunt und artenreich. Foto: Nicolas Liebig

    Bei der städtischen Wohnbaugruppe (WBG) hofft man auf viele neue Mieter, die umsonst wohnen wollen. „Sechsbeinige Mieter", sagt Geschäftsführer Mark Dominik Hoppe vorsichtshalber dazu, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Hoppe spricht von tierischen Mietern. Sie sollen auf den Außenflächen rund um die Wohnanlagen einziehen, die nach und nach neu gestaltet werden. Genauer gesagt geht es um Insekten wie Bienen, Hummeln und Schmetterlinge.

    Die WBG ist ein Akteur in einer neuen Allianz, die ab dem Frühjahr mitten in der Stadt riesige neue Blühflächen für mehr Artenvielfalt anlegen wird. Insgesamt sollen die neuen Blumenwiesen eine Fläche bekommen, die mit 18 Hektar etwas größer ist als der Augsburger Kuhsee. Oder auch so groß wie 25 Fußballfelder. Das Projekt läuft unter dem Stichwort „Insekten. Vielfalt. Augsburg“. Initiator ist der städtische Landschaftspflegeverband, der mit der Stadt zusammenarbeitet.

    Insektensterben rief Kritiker auf den Plan

    Das Projekt hat einen ernsten Hintergrund. 2017 schlugen Forscher aus Krefeld bundesweit Alarm. Sie machten auf das massive Insektensterben aufmerksam, das in Deutschland immer weiter fortschreitet. Sogar in Naturschutzgebieten habe die Biomasse von Fluginsekten um 76 Prozent abgenommen. Auch in Augsburg gab es massive Kritik von Naturschützern. Sie warfen dem städtischen Grünamt vor, das Grün an Straßenrändern zu früh im Jahr und zu oft zu mähen und so bestimmten Insektenarten schwer zu schaden.

    Mit der neuen Augsburger Allianz für mehr Insektenvielfalt soll alles besser werden. Die Landschaftspflege dafür hat elf Partner aus unterschiedlichen Bereichen zusammengebracht: städtische Stellen wie das Grünamt und Sportamt, aber auch Firmen, die Universität und das Uniklinikum, die Stadtwerke und die Abfallverwertungsanlage, die evangelische Kirche und sogar einen Sportverein – die TSG Lechhausen. Am Mittwoch unterzeichneten die Akteure eine Vereinbarung.

    Diese Wohnanlage an der Carl-Schurz-Straße in Kriegshaber gehört der WBG. Die „Weltwiese“ davor war lange einfach „nur“ eine Wiese.
    Diese Wohnanlage an der Carl-Schurz-Straße in Kriegshaber gehört der WBG. Die „Weltwiese“ davor war lange einfach „nur“ eine Wiese. Foto: Nicolas Liebig

    Beim Amt für Grünordnung hat man inzwischen 25 zusätzliche Flächen an Straßenrändern und in Grünanlagen bestimmt, die weniger oft gemäht werden und damit mehr Blüten für Insekten bieten. Insgesamt sind es rund sechs Hektar, so Amtsleiterin Anette Vedder. Sie betont, dass im öffentlichen Grün aber auch weiterhin andere Nutzungen für Bürger möglich sein sollen. Bolzplätze etwa werden nicht umgewandelt. Vedder sieht auch eine Herausforderung darin, die Strategie des Amtes der Bevölkerung zu erklären, die nicht bei allen Bürgern gut ankomme. „Manche finden die Flächen ungepflegt“, sagt sie.

    Warum auch Fußballer mehr Blühwiesen wollen

    Andere Erfahrungen macht man bei der TSG Lechhausen. Fußballer wollen zwar einen kurzen Rasen, heißt es dort. Dennoch hätten zwei Drittel der Vereinsmitglieder die Pläne befürwortet, rund 15000 Quadratmeter des Vereinsgeländes mit Blühwiesen und insektenfreundlichen Details zu gestalten. Durch das neue Stück Natur soll es künftig einen Rundweg für Schulklassen und Kindergartenkinder geben.

    Eine Firma, die in Augsburg schon sehr früh Blühwiesen auf dem eigenen Gelände im Sheridan-Park anlegte, ist deka Messebau. Das Unternehmen bekam bereits mehrere Auszeichnungen für sein Naturprojekt und will es nun ausweiten. Christine Hofmann-Brand sagt, sie sei mit den Ergebnissen sehr zufrieden. Das Interesse von Passanten sei enorm. Vor allem seien mit den Blüten auch Tiere auf das Firmengelände zurückgekehrt, etwa Distelfinken und Schmetterlinge.

    Neu dabei in der Allianz ist das Medienunternehmen Pressedruck, in dem die Augsburger Allgemeine erscheint. Dort plant man, auf den Grünstreifen am großen Firmenparkplatz Blühstreifen anzulegen. Weitere Blumenwiesen sind auf dem Firmengelände in Lechhausen und davor vorgesehen. Auf einem AZ-Gebäude wird ein „intelligenter Bienenstock“ platziert, der Teil des bundesweiten Forschungsprojektes „we4bee“ ist. Die Umweltbedingungen fürs Bienenvolk werden von Messgeräten aufzeichnet und können online eingesehen werden. Im Frühjahr sollen rund 60000 Honigbienen einziehen.

    Am Gaswerksgelände kommen Kultur und Natur zusammen

    Die Aktivitäten der neuen Allianz für Artenvielfalt gehen aber noch viel weiter. Die Stadtwerke wollen am alten Gaswerksgelände Kultur und Natur mit neuen Blühwiesen rund um die Gaskessel zusammenbringen. Mittelfristig ist dort ein Erlebnispfad für Besucher geplant. Die Uniklinik will im Zuge eines Großprojektes für Umweltschutz auf dem ehemaligen Fußballplatz neue Lebensräume für Insekten schaffen. In der Kindertagesstätte sollen schon die Kleinen mit Artenvielfalt vertraut gemacht werden.

    Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) sagt, es sei ein breites Bündnis entstanden, auf das er stolz sei. Gemeinsames Anliegen müsse sein, den Artenschutz in der Stadt voranzubringen.

    Besonderer Falter wurde am Unigelände gesichtet

    Nicolas Liebig vom städtischen Landschaftspflegeverband hofft, dass das vom bayerischen Umweltministerium geförderte Projekt noch mehr Firmen und Bürger in Augsburg zum Mitmachen bewegt. Liebig sagt aber auch, es könne noch zwei bis drei Jahre dauern, bis sich die neuen Blühwiesen aus dem Saatgut heimischer Pflanzen in voller Pracht entfalten. Mit den Blumen werden auch selten gewordene Tierarten in die Stadt zurückkehren, ist er sich sicher. Das zeigt sich schon auf der Wiese vor den Physikgebäuden der Universität. Dort wurde ein Schmetterling gesichtet, der in Bayern lange als ausgestorben galt: der „Kurzschwänzige Bläuling“.

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