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Region: Zoff um Biker, die nicht auf Wegen bleiben

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Zoff um Biker, die nicht auf Wegen bleiben

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    Ein Mountainbiker fährt im Wald mit seinem Fahrrad abseits der großen Wege. Es kommt immer wieder zu Konfrontationen mit Waldbesitzern und Naturschützern, teilweise mit Gewalt.
    Ein Mountainbiker fährt im Wald mit seinem Fahrrad abseits der großen Wege. Es kommt immer wieder zu Konfrontationen mit Waldbesitzern und Naturschützern, teilweise mit Gewalt. Foto: Fredrik von Erichsen, dpa (Symbolbild)

    Aus der Natur sind Mountainbiker kaum mehr wegzudenken. Mit ihren Rädern erklimmen sie Berge, durchfahren Täler, durchqueren Wiesen – und auch den Wald. Der ist aber zugleich Spielwiese von Jägern, Förstern und Bauern. Das Dilemma um rücksichtslose Biker auf der einen, genervte Waldbesitzer auf der anderen Seite führt regelmäßig zu Eskalationen.

    Zuletzt sorgten diverse Sabotageakte in Forsten der Region für Ärger eines neuen Ausmaßes. So etwa in Oberwittelsbach. Hier haben Unbekannte Ende vergangenen Jahres die Fahrrinne einer von Mountainbikern benutzten Strecke mit Nägeln präpariert. Ein 51-jähriger Radler konnte den Sturz glücklicherweise verhindern. Es blieb bei einem platten Reifen, hätte aber schlimm enden können. Denn Nagelfallen sind gleichermaßen eine Gefährdung für Mensch und Tier. (Mehr dazu: Gefährliche Nagelfallen für Biker auf Waldwegen lösen Streit aus)

    Sind die Mountainbiker zu rücksichtslos?

    Das Problem ist ein altes, weiß Johann Wurm aus Mering. Er ist Grundbesitzer, Landwirt und mit den Sorgen der Jäger bestens vertraut. „Die Mountainbiker sind Tag und Nacht unterwegs“, betont er. „Dabei benutzen sie nicht die üblichen Wege, sondern fahren querfeldein.“ Nämlich dort, wo Vögel ihre Nester und Hasen ihre Gruben bauen. „Die Rehe finden auf diese Weise keine Ruhe“, so die Klagen der Jäger.

    Auch Johannes Enzler, Vorsitzender des Bunds Naturschutz der Kreisgruppe Augsburg, missbilligt das Wandern, Fahren und Gehen „off the road“, wie er sagt. Denn: „Sobald die Leute Routen verlassen, kann es empfindsame und schützenswerte Flora und Fauna des Waldes stören oder sogar zerstören.“ Deshalb steht er dem Querfeldeinrasen kritisch gegenüber. „Viele Vogelarten reagieren sensibel auf das Eindringen des Menschen“, erklärt er. Würden diese aufgeschreckt, bedeutet das besonders zur Winterzeit einen herben Energieverlust für die Tiere – der aufgrund der niedrigen Temperaturen im Allgemeinen höher liegt.

    Vincent Günther ist da anderer Ansicht. Der Friedberger ist passionierter Mountainbiker und betreibt den Sport professionell. Auch im Wald. Ihm sei selbst noch nie etwas in der Art passiert. Aus den Medien habe er aber – von versteckten Nägeln bis hin zu Stacheldrahtbarrieren – schon vieles gehört. Schlimm findet er das. „So etwas ist lebensgefährlich und sollte konsequenter von der Polizei geahndet werden“, so der Radsportler. Allerdings sei das Betreten von Privatgrund generell ein schwieriges Thema. „Wir machen die Wege nicht kaputt“, betont Günther. Das schlimmere Übel sei seiner Meinung nach die unkontrollierte Rodung des Waldes. „So wird der ganze Wald verwüstet.“

    Martin Höß sieht den heimischen Forst mit einem anderen Problem konfrontiert. Der Grundbesitzer stammt aus Ottmaring. Ein kleiner Ort, der die Auswüchse der Freizeitgesellschaft mittrage: „Wir sind mit Spaziergängern, Reitern, Hundehaltern, Radlern, Nordic-Walkern bis hin zu Modellfliegern einigermaßen gebrandmarkt“, so Höß. Vor allem Hunde sind ihm ein Dorn im Auge. „Unsere Jäger haben schon viel miterlebt“, sagt er. Tiere, die mutmaßlich Wild gerissen haben. Die freilaufend durch die Baumreihen tobten, den Wald mit Fäkalien verunreinigten. Ein weiterer Reibungspunkt: „Manch einer hat Angst vor Hunden.“ Zu Recht, wie er findet. Man wisse ja schließlich nicht, ob ein Tier gefährlich sei und zubeiße.

    Wird zu wenig auf Natur und Tiere geachtet?

    Dagegen vorzugehen ist schwierig, die Handhabe heikel: „Denn die Natur ist niemandem zu verwehren“, betont der Grundbesitzer und hebt die Schultern. Und tatsächlich gewährt die Bayerische Verfassung fast uneingeschränkten Zugang zu Wäldern: „Der Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur (...) ist jedermann gestattet“, heißt es dort. Ein Satz, der Konfliktpotenzial zu Tage fördert. Denn grundsätzlich darf jeder ohne Erlaubnis Privatwege, Äcker, Felder oder den Wald betreten.

    Allerdings gibt es auch Beschränkungen. So dürfen etwa Wanderer oder Spaziergänger landwirtschaftlich genutzte Flächen in der Zeit zwischen Saat und Ernte nicht betreten. „Außerhalb dieses Zeitabschnitts ist es aber erlaubt“, betont Rechtsanwalt Peter Drexel vom Bayerischen Bauernverband Schwaben. Radfahrer und Reiter müssen zudem darauf achten, ihrem Hobby ausschließlich auf Straßen und geeigneten Wegen nachzugehen.

    Zudem können Waldbesitzer das Betreten ihres Grunds durch ausgeschilderte Sperren auch ausdrücklich verbieten. Das ist dann legitim, wenn der Forst oder bestimmte Pflanzenkulturen beschädigt werden. Aber auch in Fällen, in denen viele Personen regelmäßig Fuß in das Grundstück setzen und auf diese Weise die Ertragsmenge negativ beeinflussen.

    Auch in Haftungsfragen weiß Drexel Rat: „Jeder, der den Wald oder ein Grundstück darin betritt, handelt auf eigene Gefahr.“ Das ändert sich aber, sobald der Eigentümer seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachkomme. Diese verpflichtet den Waldbesitzer dazu, Gefahrenquellen abzuwehren oder zu beseitigen. Und zwar solche, die „künstlich geschaffen“ sind und für den Wald untypisch sind. Darunter fallen etwa zurückgelassene Maschinen oder ein über den Weg gespannter Draht. „Dabei muss dem Besitzer aber immer ein schuldhaftes Fehlverhalten nachgewiesen werden.“

    Das Freizeitverhalten der Menschen habe sich geändert, betont Drexel. In der heutigen Zeit sei vielen das „Ich“ am wichtigsten. „Die Rücksichtnahme auf andere steht dahinter.“ Ein Grundsatzproblem? Ja, denkt Johann Wurm. Er möchte, dass die Menschen wieder ihr Bewusstsein für die Natur schärfen. Und die vorgezeichneten Routen begehen und nicht vom rechten Weg abkommen.

    Ansonsten sterbe die Brut der Vögel, die Hasen würden verschreckt und die Rehe fänden keine Ruhe.

    Zahlen und Fakten zum Wald in Bayern

    Mehr als ein Drittel Bayerns ist mit Wald bedeckt. Hier Wissenswertes über den Wald im Freistaat.

    Insgesamt gibt es im Freistaat rund 2,5 Millionen Hektar Wald, das sind 25 000 Quadratkilometer. Das entspricht in etwa der Größe des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern.

    Fast 60 Prozent des Waldes im Freistaat sind nach Angaben der Bayerischen Staatsforsten in Regensburg in privater Hand, etwa 10 Prozent gehören den Kommunen, rund 30 Prozent dem Staat und 2 Prozent dem Bund.

    Bayern ist ein Fichtenland. Etwa 44 Prozent der Bäume macht diese Art aus. Es folgen Kiefer mit 19 Prozent, Buche mit 12 Prozent und Eiche mit 6 Prozent.

    Die Forstwirtschaft ist mit rund 190 000 Beschäftigten nach Angaben des Forstministeriums in München der viertgrößten Wirtschaftszweig in Bayern.

    Die bayerischen Forstunternehmen erzielen einen jährlichen Umsatz von rund 37 Milliarden Euro. Den Staatsforsten zufolge werden jährlich rund 16,2 Millionen Festmeter Holz geschlagen. Im gleichen Zeitraum sollen etwa 20,7 Millionen Festmeter nachwachsen.

    Laut Staaatsforsten unterliegen mehr als 60 Prozent des bayerischen Waldes einem besonderen Schutz durch Naturschutz-, Wald- oder Wasserrecht.

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