Die weißen Motorräder funkeln in der Sonne. Die beiden Fahrer Sonja Langlois und Jens Strauß von der Motorradstreife des BRK Augsburg-Land fahren in Augsburg-West auf die Autobahn. Es geht in Richtung Adelsried. Den ganzen Tag über sind sie auf der A8 und den beiden Schnellstraßen B2 und B17 unterwegs.
Mit ihren weißen Helmen und orangenen Schutzanzügen bringen die zwei ehrenamtlichen Helfer Farbe in das Grau der Autobahn. Mit ihrer Streife soll aber die Fernstraße nicht bunter, sondern vor allem sicherer und menschlicher werden. Sie sind da und helfen bei Not. Bei Schwierigkeiten mit dem Navigationsgerät, bei einem platten Reifen oder bei einer medizinischen Notfallversorgung – die ausgebildeten Ersthelfer sind immer dort zur Stelle, wo ihre Unterstützung am meisten benötigt wird.
Motorräder haben Defibrillator dabei
Für die Streife kommt eine besondere Behördenmaschine, wie sie auch von der Polizei genutzt wird, zum Einsatz. Die Maschinen sind für den Notfall ausgestattet: Immer dabei sind ein Defibrillator, eine Sauerstoffmaske oder ein kleiner aber äußerst starker Akku, der Autos überbrücken und so wieder fahrbereit machen kann. Mithilfe des Akkus kommen Smartphones, Tablets und Autos zum Laufen, sagt er. Erst seit diesem Jahr ist Strauß bei der Motorradstreife tätig. Aber das Helfen hat er auch zu seinem Beruf gemacht: Neben seinem Ehrenamt arbeitet er als Rettungssanitäter beim BRK Augsburg-Stadt.
1673 Einsätze im vergangenen Jahr
Das Hauptaugenmerk der Motorrad-Retter liegt auf dem Augsburger Speckgürtel, erklärt der Leiter des Fachdienstes Motorrad, Stephan Deibler. Allein im vergangenen Jahr kamen die Helfer dort auf 1673 Einsätze und über 2000 Einsatzstunden. Aber mit den Einsätzen ist es nicht getan: Auch die Fortbildungen, die Fahrsicherheitstrainings und die Pflege der Geräte und Fahrzeuge beanspruchen viel Zeit. Insgesamt knapp 6000 Stunden ihrer Freizeit opferten die Mitglieder der Motorradstreife so allein im vergangenen Jahr.
Auch eine gewöhnliche Panne kann auf der Autobahn gefährlich werden
Auf der Gegenfahrbahn Höhe Adelsried entdecken Langlois und Strauß einen Abschleppwagen und Menschen auf dem Seitenstreifen. Ohne zu Zögern verlassen die beiden Motorradfahrer die Autobahn, um auf der anderen Seite zu helfen. Zwar handelt es sich nur um ein Pannenfahrzeug, aber auch solch scheinbar kleine Vorfälle können auf der Autobahn schnell sehr gefährlich werden, weiß Deibler. Seit knapp 20 Jahren ist er bei der Motorradstreife und leitet den Fachdienst Motorrad für das Augsburger Land. Regelmäßig schwingt sich der Leiter selbst auf das Motorrad. Und auch beruflich hat sich Deibler dem Helfen verschrieben: Er ist Berufsfeuerwehrmann in Augsburg.
Als Langlois und Strauß mit ihren Motorrädern an der Unfallstelle eintreffen, wird das liegen gebliebene Auto bereits auf den Schlepper verladen. „Pannen auf der Autobahn sind für die Betroffenen immer Extremsituationen“, sagt Deibler. Die beiden Einsatzkräfte sichern mit ihren Fahrzeugen sofort den Seitenstreifen ab und erleichtern damit dem Abschleppdienst die Arbeit. Nach knapp zehn Minuten ist der Einsatz schon wieder vorbei. Die beiden Helfer setzen ihre Streife fort und fahren Richtung Augsburg-Ost. Dort fällt ihnen ein auf dem Seitenstreifen geparktes Auto direkt vor einer Notfallsäule auf. Diesmal ist die Unterstützung der Retter nicht nötig, die Fahrerin hat nur kurz gehalten, um den Kindersitz auf der Rückbank zu sichern. „Eine denkbar schlechte Stelle dafür“, merkt Strauß später an. Dies zeige aber nur erneut, dass viele Verkehrsteilnehmer die Gefahren auf der Autobahn oftmals auf die leichte Schulter nehmen.
Schutzanzug und Helm als Lebensversicherung
Jeder Einsatz ist von Risiko begleitet. „Die Schutzanzüge und der Helm sind unsere Lebensversicherung“, sagt Langlois. Bereits seit drei Jahren engagiert sich die Realschullehrerin ehrenamtlich bei dem Fachdienst Motorrad und geht regelmäßig auf Streife. Die 32-Jährige ist in der Gruppe die einzige Frau, denn meist sind es Männer, die die Streife auf zwei Rädern fahren. Wie bei ihren männlichen Kollegen ist die Verbindung der beiden Hobbys, das Motorradfahren und die Arbeit als Rettungsassistentin, der besondere Reiz an dem Ehrenamt. Auf dem Rettungsmotorrad muss Langlois bei der Sache sein. „Ich habe den Funk im Ohr, prüfe alle sechs Spuren und muss selbst sicher durch den Verkehr kommen.“
Wie gefährlich ein Standstreifen jedoch sein kann, weiß Deibler aus eigener Erfahrung. Vor knapp 20 Jahren endete ein Stopp auf dem Seitenstreifen in Höhe Burgau für einen Helfer tödlich, sein Kollege muss bis heute mit den gesundheitlichen Folgen des Unfalls leben.
Damals verlor ein Autofahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug und steuerte mit über 100 Stundenkilometern auf die beiden stehenden Männer zu. „Der tragische Unfall gehört zu unserer Geschichte“, sagt Deibler.
Die Autobahn A 8 ist eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen in Mitteleuropa. Güter werden transportiert, Pendler fahren zur Arbeit, Urlauber steuern ihre Ferienziele an. Die A 8 ist auf 100 Kilometern eine der Lebensadern in Bayerisch-Schwaben. Schon 1938 eröffnet, ist sie seit 2015 auf sechs Spuren ausgebaut und als eine der ersten Autobahnen als Public-private-Partnership finanziert. In unserer Sommer-Serie rücken wir „unsere“ Autobahn einmal näher in den Fokus: Was passiert da so alles auf der Autobahn und nebendran? Wie leben Menschen an der Autobahn? Wer arbeitet dort?
Hier finden Sie dis bisherigen Folgen unserer Sommerserie:
Teil 1: Autos rasen, Rinder grasen: Wie reagieren die Tiere an A8 auf Lärm?
Teil 2: Kampf gegen Lärm: Anwohner geben nicht auf
Teil 3: Abendbrot im Abendrot - zu Gast bei Fernfahrern an der A8
Teil 4: Mit diesen Brücken kommen Reh und Sau sicher über die A8
Teil 5: Feuerwehr-Kommandant über A8: „Man spürt die Aggressivität"
Teil 6: Fehlende Lkw-Parkplätze sorgen immer wieder für A8-Unfälle
Teil 7: Bauernmarkt: Der Hofladen mit dem Autobahn-Blick
Teil 8: Alltag bei der Autobahn-Polizei: "Wir sind nicht Cobra 11"
Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast zur Verkehrssituation in Augsburg an:
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