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Region Augsburg: Wo sollen Baugebiete entstehen? Kommunen klagen über Platzmangel

Region Augsburg

Wo sollen Baugebiete entstehen? Kommunen klagen über Platzmangel

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    Augsburg und die umgebenden Städte und Gemeinden dehnen sich seit Jahren aus, um Platz für Wohnungen und Gewerbe zu schaffen. Im Gegenzug verschwindet Ackerland. Wie lässt sich der Konflikt lösen?
    Augsburg und die umgebenden Städte und Gemeinden dehnen sich seit Jahren aus, um Platz für Wohnungen und Gewerbe zu schaffen. Im Gegenzug verschwindet Ackerland. Wie lässt sich der Konflikt lösen? Foto: Marcus Merk

    Manchmal, sagt Michael Higl, der Bürgermeister von Meitingen (Kreis Augsburg), wisse er auch nicht, wie er alle Ansprüche unter einen Hut bekommen solle: mehr Wohnungen, Erhalt des Ortsbildes ohne zu hohe Häuser, gute Infrastruktur wie Supermärkte, genug Gewerbeflächen für Arbeitsplätze – und das alles unter der Voraussetzung, weniger Fläche als in der Vergangenheit zu bebauen. „Wir werden überrannt von Erwartungen“, sagt Higl, und erzählt, wie er und sein Gemeinderat abwägen müssen.

    Neulich habe die Gemeinde einen Acker gekauft, wo ein Gewerbegebiet entstehen könnte. „Früher war klar: Ein Grundstück kauft man, wenn man es bekommen kann, und nicht erst, wenn man es braucht. Gilt das heute noch, wenn nicht mehr so viel gebaut werden soll?“, so Higl.

    Die Fragestellungen ließen sich endlos fortsetzen: Wie soll die Gemeinde mit den Erweiterungsplänen des Lechstahlwerks umgehen (Arbeitsplätze), wie ist der neue Supermarkt zu bewerten (Einkaufsmöglichkeiten für die Bevölkerung), ist das neue Solarfeld auf einer Landwirtschaftsfläche zu befürworten (Energiewende) – oder ist alles schlecht, weil damit Fläche zugebaut wird? Higl sagt, die Gemeinde habe Bebauungspläne erstellt, Konzepte zur innerörtlichen Entwicklung gemacht – viel Papier, das aber letztlich weiterhelfe, die Dinge in einer gewissen Balance zu entwickeln.

    Thema Flächenverbrauch wird kritisch gesehen

    Denn das Thema Flächenverbrauch wird in der Bevölkerung kritischer gesehen, wie das Volksbegehren „Gegen die Betonflut“ im vergangenen Jahr zeigte. Aus formalen Gründen scheiterte die Initiative, die Flächensparziele vorgeben wollte. Als Reaktion auf das Volksbegehren beschloss die Staatsregierung, dass fünf Hektar pro Tag bayernweit gesetzlich verankert werden sollen, wenn auch nur als Richtgröße. 2017 waren es in Bayern um die elf Hektar pro Tag, die in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt wurden (um die 50 Prozent davon werden versiegelt, der Rest sind z.B. Gärten in Neubaugebieten oder andere Freiflächen).

    In der Planungsregion Augsburg (Stadt Augsburg, Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries) lag der Flächenverbrauch in den Jahren 2015 bis 2017 bei umgerechnet 0,9 Hektar pro Tag – legt man das auf die Gesamtfläche Bayerns um, so liegen die Regionen Augsburg, München und Nürnberg deutlich über dem bayernweiten Schnitt. In den Städten und in deren Speckgürteln wird gebaut.

    Augsburg: 35 Hektar Flächenverbrauch pro Jahr

    In der Stadt Augsburg beispielsweise lag der Flächenverbrauch im Schnitt der vergangenen 15 Jahre bei etwa 35 Hektar pro Jahr (etwa 50 Fußballfelder). Gemessen auf die gesamte Gemeindefläche waren das in Augsburg jährlich um die 0,6 Prozent für die Jahre 2000 bis 2015, in Königsbrunn 0,5 Prozent, Stadtbergen 0,6 Prozent, Neusäß 1 Prozent und Aichach 0,5 Prozent, die zur Siedlungsfläche wurden.

    Sollte eine Fünf-Hektar-Regelung kommen, müssten die Zahlen drastisch nach unten gehen. Allerdings ist laut Wirtschaftsministerium nicht vorgesehen, den einzelnen Gemeinden starre Grenzen aufzuerlegen. Es handle sich um eine Richtschnur. „Wir wollen stärker sensibilisieren, etwa dass Siedlungen kompakter entwickelt werden müssen und die Innenentwicklung vorangetrieben wird“, so Klaus Ulrich, Abteilungsleiter für Landesentwicklung im Wirtschaftsministerium, bei einer Veranstaltung für Bürgermeister diese Woche in Augsburg. Auch wenn es keine starre Grenze gebe, müsse klar sein, dass der bisherige Zubau so nicht weitergehen könne.

    Die Frage, wie konkret den Gemeinden die Schrauben angelegt werden sollen, ist freilich umstritten. Matthias Simon vom Gemeindetag warnt, dass bei starren Grenzen speziell kleinere Gemeinden mit wenigen Einwohnern keine Chance mehr hätten, einen größeren Gewerbebetrieb in ihren Ort zu bringen. „Über die Frage von gleichwertigen Verhältnissen in Stadt und Land brauchen wir dann nicht mehr zu sprechen.“

    Widerspruch dazu kommt von den Grünen. Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann sagte kürzlich auf einer Veranstaltung in Augsburg, dass man ohne verbindliche Vorgaben nicht weiterkommen werde. Eine bloße Richtschnur werde nichts daran ändern, dass Planer zu großzügig mit Flächen umgehen. Es gebe in Städten und Gemeinden noch genug Möglichkeiten, Baulücken zu schließen und nachzuverdichten, ohne neue Baugebiete ausweisen zu müssen. „Neue Wohnungen und eine Begrenzung des Flächenverbrauchs sind kein Widerspruch“, so Hartmann. Höher zu bauen sei zumindest in Städten ein Ansatz. Um Baulücken zu schließen, bräuchten die Kommunen mehr Durchgriffsmöglichkeiten. Auch über die Möglichkeiten eines Bauzwangs müsse man nachdenken, wie ihn der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer durchsetzen will. „Die Kommunen haben das Baurecht und die Erschließung nicht geschaffen, damit baureife Grundstücke leer stehen oder gar damit spekuliert wird“, so Hartmann.

    Leerstehende Häuser sollen besser genutzt werden

    Zumindest bei diesem Thema denken Gemeindetag und Grüne in dieselbe Richtung. Die Kommunen müssten mehr Möglichkeiten bekommen, bei Grundstücksverkäufen zugunsten des Gemeinwohls zu intervenieren, so Simon. Ein Thema seien Vorkaufsrechte im dörflichen Gebiet. Und zumindest bei neu erstellten Bebauungsplänen sollten Kommunen mehr Möglichkeiten haben, Grundstückseigentümer zur Bebauung zu drängen. Es gehe keinesfalls um Enteignung, so Simon, aber eine Bauleitplanung werde dafür gemacht, dass gebaut wird.

    Gedanken, wie man das Thema lösen könnte, macht sich der Landkreis Donau-Ries seit längerer Zeit. 29 Gemeinden machten dort an einem Projekt zur Erfassung von Leerständen teil. 2500 Leerstände – etwa Baulücken in Dörfern – kamen dabei heraus. Daraufhin habe man alle Eigentümer angeschrieben und sie gefragt, warum dort nichts passiere. In 100 Fällen entschlossen sich die Eigentümer zum Verkauf, 50 davon sind bereits verkauft, so Landrat Stefan Rößle.

    Viele Grundstücke würden von Großeltern für ihre Enkel aber als Bauland reserviert, sodass diese nie in den freien Verkauf gehen, so Konversionsmanagerin Barbara Wunder. „Da darf man nicht naiv sein, zumal die niedrigen Vermögenszinsen auch nicht unbedingt ein Anlass zum Verkauf sind.“ Gleichwohl sei jedes innerörtliche Grundstück, das bebaut werde, ein Gewinn. Die 50 bisher aktivierten Grundstücke entsprächen immerhin einem mittelgroßen Neubaugebiet.

    Lesen Sie dazu auch: Anwohner wehren sich gegen geplante Mehrfamilienhäuser

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