Lange wurde um ihren Erhalt gekämpft. Nun ist klar: Die Aichacher Geburtsstation schließt, bevor sie überhaupt eröffnet hat. Erst vergangene Woche ist das Krankenhaus samt Kreißsaal in den knapp 50 Millionen teuren Neubau umgezogen. Doch die Entbindungsstation bleibt bis auf Weiteres leer. Der Grund: Personalmangel. Von vier Beleghebammen steht ab Januar nur noch eine zur Verfügung. Alleine kann sie den Dienst nicht stemmen.
Die Schließung ist der traurige Höhepunkt einer Entwicklung, die sich in der gesamten Region abzeichnet: In den kleineren Städten schwinden die Geburtsstationen. Für werdende Mütter wird das immer mehr zum Problem. Wenn die Wehen einsetzten, muss es schnell gehen. Je kürzer der Weg ins Krankenhaus, desto besser. Doch die Distanzen werden immer größer. Eine Mutter, die in Pöttmes wohnt und ihr Kind zur Welt bringen möchte, muss künftig in das 30 Kilometer entfernte Friedberger Krankenhaus fahren oder die 20 Kilometer nach Neuburg auf sich nehmen. Denn die Aichacher Geburtsstation ist dicht.
Schon im Sommer blieb der Kreißsaal für einige Wochen leer, weil das Team an Beleghebammen auf zwei geschrumpft war. Auch in Friedberg, dem zweiten Standort der Paar-Kliniken, kursierten bereits Gerüchte um eine Schließung der Geburtsstation zum Jahresende, weil Belegärzte offenbar an eine Kündigung dachten. In Schrobenhausen und Wertingen sind die Geburtsstationen schon seit längerem geschlossen. In Schwabmünchen ist der Kreißsaal seit Mai leer. Werdende Mütter müssen auf das 20 Kilometer entfernten Bobinger Krankenhaus ausweichen.
Dabei waren die Geburtenzahlen in den Wertachkliniken mit ihren beiden Häusern in Schwabmünchen und Bobingen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. 2017 kamen dort 724 Babys zur Welt, knapp 400 davon in Schwabmünchen. Auch in den Paar-Kliniken stiegen zuletzt die Geburtenzahlen. So brachten Mütter in Aichach im vergangenen Jahr 376 Kinder zur Welt, das Friedberger Krankenhaus verzeichnete 730 Geburten – so viele wie lange nicht mehr. Wie ganz Bayern erlebt die Region einen kleinen Babyboom. Im vergangenen Jahr kamen insgesamt 8327 Kinder zur Welt. Das sind 0,5 Prozent mehr als 2016.
Der Job ist für Ärzte und Hebammen nicht attraktiv
Trotzdem schließen nach und nach die Geburtsstationen. Das hat nicht unbedingt wirtschaftliche Gründe. Es gibt schlicht immer weniger Hebammen und Gynäkologen, die den Job machen wollen. Die Ursachen sind überall ähnlich. Es mangelt an Ausbildungsplätzen. Die niedrige Bezahlung macht die Arbeit im Kreißsaal für viele Hebammen unattraktiv. Belegärzte klagen hingegen vor allem über rasant steigende Beiträge für die Haftpflichtversicherung. Während für die Hebammen bis zu 60 Prozent der Versicherungsprämien erstattet werden können, gehen die niedergelassenen Mediziner bislang leer aus. Für sie werden da 40.000 bis 55.000 pro Jahr fällig.
Der personelle Engpass trifft vor allem die Krankenhäuser in den Kleinstädten. Denn hier werden die Wochenbetten überwiegend von Belegärzten und freiberuflichen Hebammen betreut. Lediglich an großen Häusern in Augsburg gibt es zur Geburtshilfe fest angestellte Mediziner. Sie sind über den Krankenhausträger mitversichert und müssen sich wenig sorgen.
Schon jetzt sind die Auswirkungen der schwindenden Zahl an Geburtsstationen zu spüren. Denn die werdenden Mütter müssen auf andere Entbindungsstationen ausweichen. Das Josefinum verzeichnete in den ersten sechs Monaten 2018 so viele Geburten wie noch nie in einem ersten Halbjahr in der Geschichte des Hauses – nämlich 1678. Jährlich kommen hier etwa 3300 Kinder zur Welt.
Auch am Augsburger Klinikum geht es in den Kreißsälen rund. Dort geht man von einer Steigerung der Zahlen von bis zu fünf Prozent aus. Werdende Mütter bringen hier jedes Jahr durchschnittlich 2100 Kinder zur Welt.
Genaue Zahlen, wie viele Mütter aus dem Umland zur Geburt nach Augsburg gehen, gibt es nach Angaben beider Kliniken nicht. Ines Lehmann, Sprecherin vom Klinikum Augsburg erklärt, dass Frauen aus dem Umland überwiegend dann nach Augsburg kommen, wenn Komplikationen bei der Geburt vorherzusehen sind oder die Anwesenheit eines Kinderarztes zwingend erforderlich ist.
Bei Problemen in der Schwangerschaft steigt das Risiko
Auch am Josefinum kommt die Mehrheit der Frauen aus dem Augsburger Stadtgebiet, erklärt Chefarzt Roman Steierl. Dazu kommen Patientinnen aus den Landkreisen Augsburg Aichach-Friedberg, Donau-Ries und Dillingen-Wertingen. Doch die Zentralisierung in der Geburtshilfe mit weiteren Wegen führt zu einer Zunahme der Risiken bei Frühgeburten, Risikoschwangerschaften mit Hypertonie, Diabetes und Zwillingsgeburten, betont Steierl. „Insgesamt führt selbstverständlich auch der Rückgang der belegärztlichen Geburtshilfe in den ortsnahen Krankenhäusern zur Zunahme der Geburten in den Zentren.“
An den Paar-Kliniken herrscht Ernüchterung. Erst vergangene Woche hatte der Kreis ein finanzielles Maßnahmenpaket über eine viertel Millionen Euro verabschiedet, um die Entbindungsabteilungen an beiden Standorten zu sichern. Vergeblich. Landrat Klaus Metzger und der Aichacher Bürgermeister zeigten sich „frustriert“. Sie wollen trotz der düsteren Aussichten weiter dafür kämpfen, dass in Aichach auch zukünftig Kinder zur Welt kommen. (mit cli, gth, pitt und uj)