Der Schaden an dem Linienbus ist beträchtlich. Eine Fensterscheibe ist eingeschlagen, eine Sitzreihe ist durch ein Feuer komplett zerstört. Das Innere des Busses ist mit gelber Farbe beschmiert. Ein Busfahrer, der frühmorgens mit der Arbeit beginnen will, entdeckt den Brand in dem Bus. Er alarmiert sofort die Feuerwehr. Beamte des Kriminaldauerdienstes kommen zum Tatort auf dem Pendlerparkplatz Friedberg-West und ermitteln.
Der Fall spielt sich im September 2016 ab. Er sorgt für Spekulationen in der Busbranche. Manch einer stellt hinter vorgehaltener Hand die Frage, ob es sich um einen Racheakt handeln könnte. Die Busbranche in der Region ist zu der Zeit schon in Aufregung. Drei Monate zuvor, im Juni 2016, hat es eine große Razzia gegeben. Polizisten haben die Zentrale der Regionalbus Augsburg GmbH (RBA) durchsucht. Besuch von Ermittlern bekamen auch rund zehn weitere Busfirmen in der Region. Es geht um den Verdacht, dass die Unternehmen ein großes Kartell gebildet haben – zulasten von Kommunen, Freistaat und Nahverkehrskunden. Es gibt bereits damals Busunternehmer, die als Zeugen aussagen und Beteiligte des mutmaßlichen Kartells belasten.
War der Brandanschlag auf den Linienbus etwa eine Vergeltung dafür? Der Fall ist bis heute nicht geklärt worden. Die Polizei geht davon aus, dass es keine gezielte Tat war, sondern vermutlich Vandalismus. Dafür spreche eine Reihe ähnlicher Vorfälle in der Umgebung, heißt es. Alleine die Vermutungen belegen aber: Man traut sich gegenseitig in der Branche offenbar einiges zu. Das zeigt auch eine Dienstanweisung eines regionalen Busunternehmers, der als Zeuge ausgesagt hat. Er hat seine Fahrer nach Informationen unserer Redaktion kürzlich angewiesen, sie sollen vor Schichtbeginn jeweils prüfen, ob die Radmuttern noch fest sitzen.
Gab es seit 2006 ein Bus-Kartell?
Das mutmaßliche Bus-Kartell soll seit dem Jahr 2006 bestanden haben. Rund zehn Busunternehmer aus der Region vereinbarten damals schriftlich, dass sie sich bei den Regionalbuslinien keine Konkurrenz machen wollen. Wer sich nicht daran halten würde, sollte 100 000 Euro Strafe zahlen. Die Ermittler fanden dieses Dokument. Die Busunternehmer, die das Kartell gebildet haben sollen, sind alle Anteilseigner an der Regionalbus Augsburg GmbH – kurz RBA. Die RBA ist selbst ebenfalls ein großer Nahverkehrsanbieter in der Region. Der Nahverkehr wird zu einem großen Teil mit Steuergeld finanziert. Die Ermittler gehen davon aus, dass es den am Kartell beteiligten Busfirmen gelungen ist, so an mehr öffentliche Zuschüsse zu kommen. Jedenfalls bieten die Busfirmen in der Region ihre Leistungen im Schnitt heute deutlich günstiger an, als es noch vor einigen Jahren der Fall war.
Bisher waren an der Regionalbus Augsburg GmbH auch eine Reihe von Kommunen aus Schwaben und Oberbayern beteiligt. Sie hielten zusammen etwa 16 Prozent der Firmenanteile. Doch inzwischen will offenbar keine Kommune mehr mit der RBA in Verbindung gebracht werden. Mehrere Kommunen sind bereits ausgestiegen, etwa Königsbrunn, Lindau und Ingolstadt. Die Stadt und der Landkreis Neu-Ulm haben ihre jeweiligen Beteiligungen ebenfalls gekündigt. Sie scheiden Ende des Jahres als Gesellschafter aus dem Firmenkonstrukt aus.
Entstanden ist die RBA Anfang der 1990er Jahre, als die Bussparte der Bahn privatisiert wurde. Die regionale Bahnbusgesellschaft mit Sitz in Augsburg wurde mit Rückendeckung aus der CSU mehrheitlich an eine Reihe privater Busunternehmer verkauft. Nun ist fraglich, ob das Unternehmen mit rund 300 Mitarbeitern in dieser Form noch eine Zukunft hat. Das Bundeskartellamt sieht die Struktur der RBA kritisch – allein die Tatsache, dass rund zehn wichtige Busfirmen aus der Region gemeinsam in einer Firma sitzen, die ebenfalls auf dem Markt aktiv ist, kann nach Ansicht von Fachleuten den Wettbewerb deutlich einschränken. Das Kartellamt bestätigt auf Anfrage, dass ein sogenanntes Verwaltungsverfahren anhängig sei. Ein Sprecher der Behörde sagt, das Bundeskartellamt arbeite eng mit der Staatsanwaltschaft zusammen.
Der Wettbewerb wird härter
Branchenkenner gehen davon aus, dass die Absprache im Jahr 2006 auch deshalb getroffen worden ist, weil die Busunternehmer damals mehr Wettbewerb befürchteten. Lange Zeit ist der Betrieb von Regionalbuslinien ohne vorherige Ausschreibung direkt an bestimmte Firmen vergeben worden. Wechsel gab es dabei selten. Im Jahr 2006 zeichnete sich aber bereits ab, dass sich das ändern wird. Inzwischen ist der Augsburger Verkehrsverbund dazu übergegangen, den Betrieb aller Linien auszuschreiben. Laut AVV-Geschäftsführer Olaf von Hoerschelmann ist es so gelungen, günstigere Angebote zu erhalten.
Die Busunternehmer befürchteten, bei Ausschreibungen könnten eventuell sogar Anbieter aus dem Ausland den Zuschlag erhalten. Das ist bisher nicht eingetreten. Der Wettbewerb ist jetzt zwar härter, die Linien blieben aber überwiegend in der Hand regionaler Firmen. Zusätzlich ist – gut 20 Jahre nach der RBA-Privatisierung – auch die Deutsche Bahn wieder als Busanbieter präsent.
Der Landesverband der Omnibusunternehmer warnt indes vor einer „Vorverurteilung“ der betroffenen Busfirmen. Als die Nahverkehrs-Aufträge noch ohne Ausschreibung vergeben worden seien, hätten die Busfirmen ihre Kosten der Regierung von Schwaben als Aufsichtsbehörde vorlegen müssen, teilt der Verband mit. Nur so seien die Preise genehmigt worden. Auch dem AVV und seinen Gesellschaftern – das sind die Stadt Augsburg und mehrere Landkreise – seien die Kostenstrukturen stets bekannt gewesen. Das schließe einen Betrug zu Lasten der Fahrgäste und des AVV aus. Angesicht der aktuellen Entwicklungen seien die Beschäftigten der RBA und der beteiligten Firmen in großer Sorge um ihre Zukunft.